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Prof. Dr. Gerhard Merk, Dipl.rer.pol., Dipl.rer.oec.

Abhandlungen über Johann Heinrich Jung-Stilling

Nachtodliche Belehrungen zur Ökonomik

Nachtodliche Belehrungen zu Persönlichkeiten

Nachtodliche Belehrungen zur Philosophie

Nachtodliche Belehrungen zur Theologie

Nachtodliche Belehrungen zu verschiedenen Themen

 

Das Wesen der Zeit erklärt

In einem belehrenden nachtodlichen Gespräch mit dem hochgelehrten,
lebenserfahrenen und bis anhin unvergessenen Herrn

Johann Heinrich Jung-Stilling (1740-1817),

der Weltweisheit (= Philosophie) und Arzneikunde (= Medizin) Doktor,
seit 1785 Kurpfälzischer, durch Rechtsübertragung ab 1803 Badischer Hofrat,
durch Verleihung ab 1806 Grossherzoglich Badischer Geheimer Hofrat

Lebzeitig bis 1803 Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Marburg/Lahn, dort auch Lehrbeauftragter für operative Augenheilkunde an der Medizinischen Fakultät; davor bis 1787 Professor für angewandte Ökonomik – unter Einschluss der Vieh-Arzneikunde – an der Universität Heidelberg und vordem seit 1778 in gleicher Bestellung an der Kameral Hohen Schule zu Kaiserslautern,

weiland Gründungsmitglied der Geschlossenen Lesegesellschaft in Elberfeld (heute Teil der Stadt Wuppertal), dortselbst auch praktischer Arzt, Geburtshelfer, Augenarzt und seit 1775 behördlich bestellter Brunnenarzt sowie Dozent in Physiologie; der Kurpfälzischen Ökonomischen Gesellschaft in Heidelberg, der Kurfürstlichen Deutschen Gesellschaft in Mannheim, der Gesellschaft des Ackerbaues und der Künste in Kassel, der Königlichen Sozietät der Wissenschaften in Frankfurt/Oder, der Leipziger ökonomischen Sozietät sowie seit 1781 bis zum Verbot sämtlicher Geheimgesellschaften im kurpfälzisch-bayrischen Herrschaftsgebiet durch Erlass vom 22. Juni1784 aus München auch der erlauchten Loge
“Karl August zu den drei flammenden Herzen” in Kaiserslautern Mitglied

und
nach erfolgter Belehrung aus aufhabender Fürsorge beförderlichst und dienstfertig ergeben niedergeschrieben sowie gemeinen Nutzens zu Gut ausrichtig ins Internet gestellt, dabei alle Leser beständiger gÖttlicher Verwahrung und getreuen englischen Schutzes inständig empfehlend
von

Tubrav Immergern,
in Lichthausen, Grafschaft Leisenburg*
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Markus-Gilde, Siegen

Copyright 2001, 2012 by Markus-Gilde, Siegen (Deutschland).
Die gewerbliche Verwertung des nachstehenden Textes bedarf der schriftlichen Einwilligung des Copyright-Inhabers.

info@jung-stilling-gesellschaft.de


Zeitwunder im Siegerland


Von Müsens1 Grube Wildermann2
Zum Kindeslberg3 stieg ich hinan,
Als ich miteins auf diesem Berge
Höchst Eigenartiges bemerke,
So dass ich dort zugegen wähn
Die Lebensweise von Latène.4

Hier sind aus Stein gebaute Hütten;
Da vorn stehn Männer rund um Bütten,
Die offenbar Gestein zerstieben,
Und weiter abwärts Schlämme sieben.

Die Männer Lederschürzen tragen,
Die bis an ihre Knöchel ragen.
Mit Stiefeln seh ich sie beschuht;
Fast jeglicher trägt einen Hut.

Was mir auf einmal auffiel war,
Dass keines Lauts ich ward gewahr.
Ich hörte nicht die Stampfer pochen
Auch nicht, dass wurde dort gesprochen.

Als nächstes wundersam mir schien,
Dass alle Pflanzen wohl gediehn.
Es gab Gesträuch und hohes Gras,
Das ganz normalen Wuchs besass.

Wohin ich sah in dem Distrikt
Fand keinen Grashalm ich geknickt.
Das Gras lag dort am Boden nur,
Wo ich gelassen meine Spur.

Als staunend in die Runde schicke
Ich forschend noch die baffen Blicke,
Kommt rasch Jung-Stilling5 auf mich zu:
Steht seitlich neben mir im Nu.

“Herr Hofrat6 Jung, auch sie sind hier?”,
Entfuhr es unvermittelt mir.
“Sind nicht zweitausend Jahre noch,
Bis sie geboren werden doch?

Was tun denn sie im Keltenland?
Es übersteigt dies mein Verstand,
Dass Vorzeit hier ist Gegenwart
Und Zukunft in dem Jetzt erstarrt!”

 


Zeit ist subjektiv


Jung-Stilling sah mich lächelnd an
Und so zu reden dann begann.
“Mein lieber Stillings-Freund7: die Zeit
Ist nur Atom der Ewigkeit.

Die ganze Weltgeschichte gleicht
Bloss einem Sandkorn, fein und leicht,
In einer Masse, die enthält
An Sand so viel wie wiegt die Welt.

Die Zukunft und Vergangenheit
Ob dessen sind nur eine Zeit!8
Die Zeit, die dartut uns die Uhr,
Misst stets die Erdumdrehung nur.

Sie gibt jedoch mitnichten an,
Wann dieser Umlauf je begann!
Sie bloss Beziehungsmass hier ist,
Weil jeder Körper lebt auf Frist.9

Die Zeit der Ewigkeit entspricht,
Wo zutrifft solcher Umstand nicht.
Die Zeit ist Frist belebtem Sein:
Doch Ewigkeit für Sand und Stein!

Ihr seht, die Zeit ist relativ:
Der Mensch schaut sie nur subjektiv.10

 


Zeitüberschreitung für Geisteswesen möglich


Die Zeitlichkeit in uns verrinnt,
Sobald wir aus dem Körper sind.
Wir alle tauchen dann hinein
In end- und anfangloses Sein,
In dem uns Glück und Freude ist
Bloss Liebe des HErrn JEsu CHrist.

Der neue Mensch, raumungebunden,
Kann sich in jeder Zeit bekunden.
Drum seht ihr mich hier im Latène
Geschichte meiner Heimat spähn.11

Dass ihr versetzt seid auch hierher,
Ist Gnade, die auf mein Begehr
Euch GOtt geschenkt für kurze Weile,
Auf dass zu aller Menschen Heile
Geschildert werde diese Kunde
Aus eurer Feder, eurem Munde.
Glückauf!12 Ich nunmehr weiter schreit’;
Gelobt sei GOtt in Ewigkeit!”

Jung-Stilling war nicht mehr zu sehen;
Ich fand allein im Forst mich stehen.
Wo eben noch die Siedlung war,
Bot nur sich grüne Fläche dar.

Noch immer wäge ich das Wort,
Das Stilling über Zeit sprach dort.

Heut gab ich den Bericht komplett
Zum Download auch ins Internet,
Auf dass sich alle Stillings-Treuen
An dieser Botschaft recht erfreuen.


Mäkelei ist vorhersehbar


Ach GOtt! Wie ist die Welt verrückt!
Man zeigt nicht Dank und ist beglückt,
Dass Stillings Botschaft wird verbreitet:
Dem Wahren so der Weg bereitet.

Oh nein! Sie rufen: “Spiritismus,
Gespenster-Wahnsinn, Okkultismus,
Verzauberung, Nekromantie:
Beschwörung Toter: Blasphemie,
Geflunker, Machwerk, Schwindel, Lug,
Geschwätz, Geflunker, Bluff und Trug;

Geheimnisvolle Kabbalistik,
Verfälschte, gleisnerische Mystik,
Dämonenhafte Reimerei,
Verruchte Götzendienerei,
Ein Zeugnis von Besessenheit,
Verhexung und Verlogenheit:
Verworren-närrisches Gedudel,
Gebräu aus höllischem Gesudel;
Empörende Provokation:
Der Hölle Manifestation;

Ja: dies Gereime ist Geträufel
Aus tiefstem Abgrund: just vom Teufel.
Das Ziel scheint, Menschen zu verwirren,
Im rechten Glauben zu beirren!”

Ihr Lieben, die ihr derart klagt
Und über Tubrav solches sagt,
Ihm Höllen-Dienst gar anzuhängen:
Seid ihr denn in des Satans Fängen?

Ich bitte: packt euch an der Nase:
Entbindet euch von Zorn-Gerase.
Denkt tiefer ihr darüber nach,
Was Stilling über Zeit grad sprach.
Es wird euch Einsicht dann zuteil,
Die wesentlich für euer Heil.

Bleibt mir mit eurem Fluchwort fern:
Drum bittet Tubrav Immergern,
Der Gutes wünscht für jung und alt
Hienieden und im Jenseits bald.


Anmerkungen, Quellen und Hinweise


* Grafschaft Leisenburg = bei Jung-Stilling das ehemalige Fürstentum Nassau-Siegen (mit der Hauptstadt Siegen); –  nach Aussterben des heimischen Fürstengeschlechts durch Erbfolge ab 1743 Teil der Nassau-Oranischen Lande (mit Regierungssitz in Dillenburg; heute Stadt im Bundesland Hessen), –  im Zuge der territorialen Neuordnung Deutschlands durch den Wiener Kongress ab 1815 Bezirk in der preussischen Provinz Westfalen (mit der Provinzhauptstadt Münster); –  nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1946 bis heute Bestandteil des Kreises Siegen-Wittgenstein des Regierungsbezirks Arnsberg im Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Bundesrepublik Deutschland (mit der Landeshauptstadt Düsseldorf). – Mit über 64 Prozent Waldanteil gehört der Kreis Siegen-Wittgenstein zu den waldreichsten Kreisen in Deutschland.

Siehe Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen. Siegen (Vorländer) 1820, Reprint Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1981 sowie Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge, 2. Aufl. Bad Godesberg (Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) 1969 (Standardwerk mit vielen Karten, Übersichten und Rückblenden auf den Entwicklungsverlauf; leider jedoch auch in der Zweiauflage ohne Register).

Lichthausen = bei Jung-Stilling die ehemalige selbständige, durch den Bergbau geprägte Gemeinde Littfeld im vormaligen Fürstentum Nassau-Siegen; seit 1. Januar 1969 Teil der Stadt Kreuztal im Kreis Siegen-Wittgenstein. – Durchflossen wird der Ort von der rund 13 Kilometer langen Littfe, einem wasserreichen Zufluss in den rund 24 Kilometer langen Ferndorfbach, der seinerseits ein rechten Nebenfluss der Sieg ist und im Zentrum von Siegen-Weidenau in die Sieg mündet. – Die Littfe ihrerseits wird im Ortsgebiet von Littfeld von Osten durch den Heimkäuser Bach (offizieller Name im Gewässerverzeichnis des Landes NRW: Die Heimkaus, 4,7 Kilometer lang) und von Westen durch den Limbach (2,1 Kilometer lang) gespeist.

Der Name Littfeld leitet sich ab aus dem keltischen Wort “Let” für “Lehm”. Die in vielen Gewässernamen der Gegend vorzufindende Endsilbe “-phe” ist die sprachlich abgeschliffene Form von “apha“ = der Bach.

Aus Littfeld kam die Mutter Johanna Dorothea Fischer (1717-1742) von Jung-Stilling; dort wirkte auch sein Patenonkel Johann Heinrich Jung. – Siehe zu dieser herausragenden Persönlichkeit Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711-1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989.

Im wirtschaftsgeschichtlich in vieler Hinsicht bemerkenswerten Siegerland ist der hochintelligente und vielseitig begabte Jung-Stilling (siehe Anmerkung 5) geboren, herangewachsen und dort hat auch seine ersten beruflichen Erfahrungen als Köhlergehilfe, Schneider, Knopfmacher, Vermessungs-Assistent, Landarbeiter, Dorfschulmeister und Privatlehrer gesammelt.

1 Müsen = Ort im ehemaligen Fürstentum Nassau-Siegen am Wintersbach. Seit Jahresbeginn 1969 ist der Ort Teil der Stadt Hilchenbach, Kreis Siegen-Wittgenstein im Bundesland Nordrhein-Westfalen der Bundesrepublik Deutschland.

Siehe Wilhelm Müller: Ich gab dir mein Eisen wohl tausend Jahr. Beiträge zur Geschichte speziell zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte des Bergbezirks Müsen und des nördlichen Siegerlandes. Ergänzte Neuauflage. Müsen (Kulturverein Müsen) 2004 sowie mit vielen Karten und graphischen Darstellungen Mathias Döring: Eisen und Silber – Wasser und Wald. Gruben, Hütten und Hammerwerke im Bergbaurevier Müsen. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1999.

2 Das Silber- und Bleibergwerk Wildermann (auch: Wildemann geschrieben) befindet sich westlich der Ortsmitte von Müsen auf etwa 500 Meter Höhe im Gebirgszug Martinshardt; siehe Wilhelm Müller: Ich gab dir mein Eisen wohl tausend Jahr (Anm. 1), S. 34 ff. sowie Johann Philipp Becher: Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten- und Hammerwesens, 2. Aufl. Dillenburg (Seel-Weidenbach) 1902, S. 228 f und S. 238 ff. – 1 Lachter (dort so gerechnet) = 2,0924 Meter.

3 Kindelsberg = an der höchsten Stelle 717 Meter hohe Erhebung (heute mit Aussichtsturm) im Stadtgebiet von Kreuztal, Kreis Siegen-Wittgenstein im Bundesland Nordrhein-Westfalen. – Zum Kindelsberg-Massiv (das eine zusammenhängende Gesteinsmasse bildet) gehören neben dem Kindelsberg die Kuppen Hoher Wald (655 Meter) und Martinshardt (616 Meter, siehe Anm. 2).

Spuren des um 1950 endgültig erloschenen Bergbaus sind noch heute überall deutlich sichtbar. – Siehe die Festschrift des Sauerländischen Gebirgsvereins, Bezirk Siegerland: Der Kindelsberg. Sage und Wirklichkeit. Kreuztal (Selbstverlag des SGV) 1982, S. 7 ff. sowie Werner Wied: Kreuztal, junge Stadt am Kindelsberg. Kreuztal (Zimmermann) 1969, S. 9 ff.

4 Latènezeit = jüngere Eisenzeit, 5. Jht. v. Chr. bis 200 n. Chr. – Die Latènezeitkultur zählt zum keltischer Kulturkreis. Sie zeichnet sich aus durch stadtartige Siedlungen auf Berghöhen, Kenntnis der Töpferscheibe, Münzprägung und hoch entwickelte ornamentale Kunst.

Siehe zur Geschichte der Eisenverhüttung um den Kindelsberg in der Latènezeit Friedrich Wilhelm Busch: Von der Wielandschmiede zur Eisenindustrie. Zweieinhalb Jahrtausende Eisenerzeugung und Eisenverarbeitung im Siegerland. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1997, S. 17 ff. und die dort (S. 109 f.) angegebene Literatur.

5 Hofrat Professor Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817), der Weltweisheit (= Philosophie) und Arzneikunde (= Medizin) Doktor. Dieser wurde in letzte Zeit wiederholt auf Erden gesehen. Siehe die entsprechenden Erscheinungsberichte aufgezählt bei Gotthold Untermschloß: Vom Handeln im Diesseits und von Wesen im Jenseits. Johann Heinrich Jung-Stilling gibt Antwort. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1995, S. 97 f., als Download-File kostenlos unter der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling> abrufbar.

Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992. – Die “Lebensgeschichte” erschien in vielen Ausgaben. Jedoch genügt nur die von Gustav Adolf Benrath besorgte Version den Anforderungen sowohl des Lesers (grosser Druck, erklärende Noten, Register) als auch des Wissenschaftlers (bereinigter Original-Text; wichtige Dokumente zur Lebensgeschichte).

In kürzerer Form orientiert über das Leben von Jung-Stilling auch Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989. – Mehr die innere Entwicklung von Jung-Stilling schildert Otto W. Hahn: “Selig sind, die das Heimweh haben.” Johann Heinrich Jung-Stilling: Patriarch der Erweckung. Giessen, Basel (Brunnen) 1999 (Geistliche Klassiker, Bd. 4).

6 Jung-Stilling erhielt als Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Heidelberg durch Erlass des Kurfürsten Karl Theodor von Pfalz-Bayern (1724/1742-1799) vom 31. März 1785 die Ernennung zum “Kurpfälzischen Hofrat”. Ihm hatte er seine an der Universität Strassburg angefertigte medizinische Doktorarbeit gewidmet und auch persönlich im März 1772 bei Hofe in Mannheim überreicht.

Das mit dem Hofrats-Titel verbundene gesellschaftliche Ansehen war zu jener Zeit beträchtlich. Es gewährte dem Träger manche Bevorzugungen, so auch (was Jung-Stilling als reisenden Augenarzt ausserordentlich zum Vorteil gereichte) an Posten, Schildwachen, Schlagbäumen, Stadttoren, Überfuhren, Fähren, Brücken sowie an den damals auch innerlands zahlreichen Post-, Maut- und Grenzstationen.

Der Friedensvertrag von Campo Formio (7 km südwestlich von Udine in Venetien) vom 17. Oktober 1797 zwischen Napoléon und Kaiser Franz II., bestimmte in Artikel 20 den Rhein als die Staatsgrenze zwischen Frankreich und Deutschland. Dies wurde im Frieden von Lunéville (südöstlich von Nanzig [französisch: Nancy] gelegen; vormalige Residenz der Herzöge von Lothringen) am 9. Februar 1801 bestätigt.

In Artikel 6 heisst es genauer: “S. M. l’Empereur et Roi, tant en Son nom qu’en celui de l’Empire Germanique, consent à ce que la République française possède désormais (= von nun an) en toute souveraineté et propriété, les pays et domaines situés à la rive gauche du Rhin, … le Thalweg (= die Fahr-Rinne für die Schiffahrt) du Rhin soit désormais la limite entre la République française et l’Empire Germa-nique, savoir (= und zwar) depuis l’endroit (= von der Stelle an) où le Rhin quitte le territoire helvétique, jusqu’à celui où il entre dans le territoire batave.”

Eine ausserordentliche Reichsdeputation, eingesetzt am 7. November 1801, beriet daraufhin zu Regensburg (seit 1663 der Tagungsort des Immerwährenden Reichstags) über die Entschädigung an deutsche Fürsten, die ihre (links der neuen Staatsgrenze zu Frankreich gelegene) Gebiete an Frankreich abtreten mussten.

Durch besondere günstige Umstände (später traten auch noch verwandtschaftliche Beziehungen mit Frankreich hinzu: sein Enkel und Thronfolger Karl [1786/1811–1818] heiratete zu Paris am 7./8. April 1806 Stéphanie Louise Adrienne de Beauharnais [1789–1860], die knapp 17jährige Adoptivtochter von Napoléon Bonaparte, dem Kaiser der Franzosen) vergrösserte Karl Friedrich von Baden (1728/1746–1811) bei dieser Gelegenheit sein Gebiet um mehr das Vierfache; die Bevölkerung stieg von 175 000 auf fast 1 Million Bewohner. Die pfälzische Kurwürde ging auf ihn über; Karl Friedrich wurde damit 1803 vom Markgrafen zum Kurfürsten erhoben. – Wenig später rückte er durch den Rheinbundvertrag vom 12. Juli 1806 nach Artikel 5 gar zum Grossherzog mit dem Titel “Königliche Hoheit” auf (die 1818 zur Witwe gewordene Grossherzogin Stéphanie nahm übrigens später wieder den Titel “Kaiserliche Hoheit“ an).

Mit dem in Verfolg dessen geschehenen Übergang der rechtsrheinischen Gebiete der Kurpfalz (so auch der alten Residenz- und Universitätsstadt Heidelberg, der neuen [seit 1720] Residenzstadt Mannheim [mit dem grössten Barockschloss in Deutschland] und der Sommerresidenz Schwetzingen [mit dem kurfürstlichen Lustschloss samt 76 Hektar grossen Schlossgarten, Moschee, Badehaus und Theater]) an das Haus Baden durch den Regensburger Reichsdeputationsschluss vom 25. Februar 1803 wurde gemäss § 59, Abs. 1 (“Unabgekürzter lebenslänglicher Fortgenuß des bisherigen Rangs”) der “kurpfälzische” DE JURE PUBLICO nunmehr automatisch zum “badischen” Hofrat.

Im April des Jahres 1808 wird Jung-Stilling dann als Berater des Grossherzogs Karl Friedrich in Karlsruhe (“ohne mein Suchen”, wie er selbst hervorhebt) zum “Geheimen Hofrat in Geistlichen Sachen” ernannt; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe. Ausgewählt und hrsg. von Gerhard Schwinge. Giessen, Basel (Brunnen Verlag) 2002, S. 404 (Anm. 10).

Beim Eintritt von Jung-Stilling in den Himmel kommt ihm Karl Friedrich von Baden freudig entgegen und heisst ihn in der Seligkeit als Bruder herzlich willkommen. – Siehe hierzu und überhaupt zum Übergang von Jung-Stilling in das Jenseits des näheren (unbekannte Verfasserin: [wahrscheinlich die Sankt Galler Autorin und Laientheologin Anna Schlatter, geborene Bernet {1773-1826}, mit der Jung-Stilling befreundet war]): Sieg des Getreuen. Eine Blüthe hingeweht auf das ferne Grab meines unvergesslichen väterlichen Freundes Jung=Stilling. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1820, S. 27.

Im Vorwort heisst es: “Euch, ohne Ausnahme Allen, ihr geliebten, bekannten und unbekannten Stillingsfreunden, [so!] die ihr ja auch Christus=Freunde seyd! sind diese Blätter gewidmet. Ihr werdet es nicht lächerlich, nicht unschicklich finden, dass sie so spät erst nach dem Hinscheid [so!] des Unvergesslichen erscheinen, wenn ich euch zum Voraus sage: dass ich, als Weib vorerst Männer ausreden lassen – abwarten wollte mit weiblicher Bescheidenheit, was solche zum Denkmal des Allgeliebten aufstellen würden” (Orthographie wie im Original).

Jung-Stilling stand nach seinem, aus eigener Initiative gewählten Abschied von der Universität Marburg ab 1803 im Dienst des Hauses Baden. – Siehe hierzu Gerhard Schwinge: Jung-Stilling am Hofe Karl Friedrichs in Karlsruhe, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Bd. 135 (1987), S. 183 ff., Gerhard Schwinge: Jung-Stilling als Erbauungsschriftsteller der Erweckung. Eine literatur- und frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchung seiner periodischen Schriften 1795-1816 und ihres Umfelds. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1994, S. 219 ff. (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Bd. 32) sowie zum Verhältnis zwischen beiden Persönlichkeiten auch Max Geiger: Aufklärung und Erweckung. Beiträge zur Erforschung Johann Heinrich Jung-Stillings und der Erweckungstheologie. Zürich (EVZ-Verlag) 1963, S. 237 ff. (Basler Studien zur Historischen und Systematischen Theologie, Bd. 1).

Bei nachtodlichen Erscheinungen von Jung-Stilling wird dieser gewöhnlich mit “Herr Hofrat” (seltener mit “Herr Geheimrat”) angesprochen, auch von seinem Engel Siona.

Der Titel “Hofrat” ist gleichsam fester Bestandteil des Namens (ADJUNCTIO NOMINIS), wie etwa “Apostel Paulus”, “Kaiser Karl” oder “Prinz Eugen” zu verstehen, und nicht als ehrenvolle Benennung (TITULUS HONORIS).

“Stilling” ist ein individueller Beiname (APPELLATIO PROPRIA) und klingt zu vertraulich. – “Professor Jung” und “Doktor Jung” greift eine Stufe niedriger als “Hofrat Jung”; das heisst: der Titel “Hofrat” steht über der Amtsbezeichnung “Professor” oder dem akademischen Grad bzw. volkstümlich der Berufsbezeichnung (= Arzt) “Doktor”. – “Ohephiah” (= der GOtt liebt) ist der Name von Jung-Stilling in der Seligkeit; siehe [Christian Gottlob Barth:] Stillings Siegesfeyer. Eine Scene aus der Geisterwelt. Seinen Freunden und Verehrern. Stuttgart (Steinkopf) 1817.

7 Stillings-Freund meint –  Gönner, Förderer, später –  Verehrer und Anhänger (“Fan”: vom lateinischen FANATICUS = begeistert, entzückt) von Jung-Stilling oder –  auch nur geneigter Leser seiner Schriften. Der Ausdruck stammt von Jung-Stilling selbst. Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte (Anm. 5), S. 213, S. 441, S. 513, S. 536, S. 566. – Auf der anderen Seite gibt es aber auch  “Stillings-Feinde”, siehe ebendort, S. 316.

8 Siehe hierzu 2. Petrusbrief, Kapitel 3, Vers 8 (“Dies eine aber sei euch unverhalten, Geliebteste: dass e i n Tag bei dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre gleich wie e i n Tag sind”).

9 Frist = Spanne während einer Zahl von Erdumdrehungen; begrenzter Ausschnitt aus der Zeit mit genau bestimmtem Anfang und Ende.

Siehe zur Zeittheorie COLLEGII COMPLUTENSIS DISCALCEATORUM FRATRUM ORDINIS B. MARIAE DE MONTE CARMELI: DISPUTATIONES IN OCTO LIBROS PHYSICORUM ARISTOTELIS. IUXTA MIRAM ANGELICI DOCTORIS D. THOMAE, ET SCHOLAE EIUS DOCTRINAM. EIDEM COMMUNI MAGISTERIO, ET FLORENTISSIMAE SCHOLAE DICATAE. Lyon (Candy) 1651, DISPUTATIO 21, S. 221 f. (ein auch heute noch beachtenswerter, in mehreren Auflagen erschienener und sehr tief greifender Kommentar zu den aristotelischen Hauptschriften). Hier findet sich die Zeittheorie nach allen Seiten hin ausführlich dargestellt.

Knapper findet sich dies dargestellt bei Friedrich Beemelmans: Zeit und Ewigkeit nach Thomas von Aquino. Münster (Aschendorff) 1914 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Bd. 17, Heft 1).

10 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister=Kunde, in einer Natur= Vernunft= und Bibelmäsigen (so!) Beantwortung der Frage: Was von Ahnungen, Gesichten und Geistererscheinungen geglaubt und nicht geglaubt werden müße (so: also mit Eszett). Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1808 (Reprint Leipzig [Zentralantiquariat der DDR] 1987), § 43 ff., S. 29 ff.

Das Werk erschien bis heute in zahlreichen Nachdrucken und Neuausgaben. Es wurde auch ins Schwedische, Englische, Französische und Niederländische übersetzt. Siehe die Nachweise bei Klaus Pfeifer: Jung-Stilling-Bibliographie. Siegen (J. G. Herder-Bibliothek) 1993, S. 104 (Register, Stichwort “Theorie”).

11 Jung-Stilling wurde im Dorf Grund, Fürstentum Nassau-Siegen am 12. September 1740 geboren. Der Ort ist heute Teil der Stadt Hilchenbach, Kreis Siegen-Wittgenstein im Regierungsbezirk Arnsberg des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen der Bundesrepublik Deutschland.

Jung-Stilling kannte das Kindelsberg-Massiv zu Lebzeiten sehr gut. Sein in Littfeld (in seiner Lebensgeschichte “Lichthausen” genannt, heute Teil der Stadt Kreuztal, Kreis Siegen-Wittgenstein; siehe die einleitende Anmerkung) lebender Patenonkel war fürstlich oranien-nassauischer Oberbergmeister für dieses Gebiet; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung. Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989.

Jung-Stilling selbst verfasste auch ein vielbeachtetes Gedicht über den Kindelsberg, siehe dieses bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte (Anm. 5), S. 96 f. sowie Hans Kruse: Jung-Stillings Lieder, in: Siegerland, Bd. 22 (1940), S. 48 ff.12 Glückauf = alter bergmännischer Gruss; ursprünglich der Wunsch um eine unbeschwerte Auffahrt aus dem Bergwerk. Im Siegerland (der Heimat von Jung-Stilling) bis um 1960 die verbreitete (gesprochene und geschriebene) Begrüssung. Mit dem Verschwinden des Bergbaus in dieser Region verlor sich das “Glückauf”; es gilt heute bereits als absonderlich und wird belächelt.

Time is what we want most, but what – alas! we use worst.

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