Zweckgesellschaft (special purpose vehicle, SPV, securitisation special-purpose entity, SSPE; oft auch Conduit [conduit] und daneben manchmal [unschön] Anlagevehikel und finanzielle Mantelkapitalgesellschaft genannt)
Gesetzlich definiert in Artikel 4 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) als: “eine Treuhandgesellschaft oder ein sonstiges Unternehmen, die kein Kreditinstitut ist und zur Durchführung einer oder mehrerer Verbriefungen errichtet wurde, deren Tätigkeit auf das zu diesem Zweck Notwendige beschränkt ist, deren Struktur darauf ausgelegt ist, die eigenen Verpflichtungen von denen des originierenden Kreditinstituts zu trennen, und deren wirtschaftliche Eigentümer die damit verbundenen Rechte uneingeschränkt verpfänden oder veräussern können.” – Strenggenommen muss man zwischen Zweckgesellschaft und Conduit unterscheiden. Während die Zweckgesellschaft dazu eingerichtet wird, um einen ganz bestimmten Pool einer originierenden Bank oder mehrerer Originatoren zu tranchieren und in Verbriefungspapiere umzuwandeln, ist eine Conduit-Gesellschaft darauf ausgelegt, dauerhaft Verbriefungen zu gestalten. – Im Jahr 2005 unterhielt die Deutsche Bank AG weltweit 195 Zweckgesellschaften; die wesentlich kleinere Commerzbank AG besass 57 dieser Anlagevehikel. Viele bestanden aus zahlreichen Untergesellschaften, die in verschiedenartige Wertpapiere investiert hatten. Das erschwerte erheblich die Bestimmung des Risikogehaltes der einzelnen Papiere. – Von deutschen Originatoren gegründete Conduits werden regelmässig im Ausland gehalten, um der deutschen Gewerbesteuer zu entgehen. – Im Frühjahr 2011 beliefen sich die Vermögen der im Eurogebiet gegründeten Zweckgesellschaften auf 2’300 Mia EUR, das entspricht etwa einem Zehntel der Vermögenswerte aller Institute, die keine Banken sind. – Siehe Absenzkapitalismus, Asset-
Backed Securities, Back-to-Originator-Postulat, Bonitäts-Verbesserung, Claw-backKlausel, Credit Default Swap im Quadrat, Credit Linked Notes, Einzel-OriginatorVerbriefung, Embedded-Value Verbriefung, Erstverlust-Tranche, International Business Company, Katastrophen-Anleihen, Kreditderivat, Kreditlinie, Kreditrisiko, Kreditverbriefung, Kreditzusage, unwiderrufliche, Liquiditätsfazilität, Objektgesellschaft, Originate-todistribute-Strategie, Pool, Reintermediation, Rückschlag-Effekt, Schachtelgesellschaft, Single Master Liquidity Conduit, Service-Agent, Sponsor, Terminverwalter, Tranche, Unterstützung, stillschweigende, Variabel Interest Entity, Verbriefung, VerbriefungspapiereSelbstbehalt, Verbriefungsstruktur, Verlusttarnung, Zombie-Bank, ZweckgesellschaftKonsolidierung, Zweckgesellschaft-Mitarbeiter. – Vgl. Jahresbericht 2001 der EZB, S. 78, Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom April 2004, S. 31 (Übersicht der Beziehungen), Monatsbericht der EZB vom September 2005, S. 21 (Übersicht; Definitionen; Literaturhinweise in den Fussnoten), Jahresbericht 2009 der BaFin, S. 80 (Meldepflicht von Verbriefungen bei Versicherungen; S. 120 (Zweckgesellschaft in Zusammenhang einer Bad Bank nach dem im Juli 2009 in Kraft getretenen “Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung), Monatsbericht der EZB vom Januar 2012, S. 66 f. (Definition finanzielle Mantelkapitalgesellschaft und Verbriefungszweckgesellschaft [Financial Vehicle Corporation]), Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 71 (Aktiva der Verbriefungszweckgesellschaften gehen tendentiell zurück), Jahresbericht 2012 der BaFin, S. 67 f. (umfassende Überarbeitung der Finanzkonglomerate-Richtlinie der EU-Kommission: SPVs sollen einbezogen werden) sowie den jeweiligen Jahresbericht der BaFin, Kapitel “Internationales”, Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 2014, S. 18 (Zweckgesellschaften als Teil des Schattenbanksystems).
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Universitätsprofessor Dr. Gerhard Merk, Dipl.rer.pol., Dipl.rer.oec.
Professor Dr. Eckehard Krah, Dipl.rer.pol.
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