Zinsverbot (ban on usury; ban on interest)
Die durch Gesetz oder Religion ausgesprochene Untersagung, für ein Darlehn einen Zins zu verlangen. Entsprechende Regelungen übersehen allemal die ökonomische Wirklichkeit. – Verleihe ich Geld, so entstehen für mich Opportunitätskosten: ich begebe mich der Möglichkeit, mit dem verliehenen Geld jetzt eine günstige (opportune; passende, geldbringende) ökonomische Transaktion wahrzunehmen. Es ist dies, anders ausgedrückt, ein entgangener Gewinn. In der älteren Literatur nennt man das häufig LUCRUM CESSANS. Allein das rechtfertigt schon grundsätzlich einen Preis für die Überlassung des Geldes. Obendrein kann ich heute den entgangenen Gewinn, die Opportunitätskosten, ziemlich genau am Ertrag von Staatsanleihen (PRAEMIUM LEGALE) in Bruchteilen von Prozenten bemessen. – Weiterhin gilt es zu bedenken, dass ich mit dem verliehenen Geld gegenwärtige, sofort anwendbare und genau berechenbare Kaufkraft (purchasing power: Anspruch auf Güter) gegen einen zukünftigen, mit vielen Unsicherheiten behafteten Anspruch eintausche (principle of positive time preference; Minderschätzung künftiger Bedürfnisse). Die alten Schriftsteller nannten das DAMNUM EMERGENS. – Wenn ich Geld verleihe, dann entsteht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlungswilligkeit (willingness of repayment) und Tilgungsfähigkeit (ability of repayment) des Schuldners. Diese Gefahr, im älteren Schrifttum PERICULUM SORTIS, muss ich als Prämie kalkulatorisch in Rechnung stellen. – Aus alledem ist einsichtig, dass Zins als Prämie nicht nur gerechtfertigt, sondern zum Funktionieren einer Kreditwirtschaft auch unerlässlich ist. – Ohne Zins wäre wohl kaum jemand bereit, freiwillig Kaufkraft in Form von Geld einem anderen zur Verfügung zu stellen. Ganz abgesehen davon gäbe es dann auch keine Möglichkeit, über die Marktkräfte (market process: Angebot und Nachfrage nach Darlehn und den sich bildenden Preis) das Geld und damit die knappen Produktionsfaktoren an den Ort der produktivsten Verwendung, zum “besten Wirt” (to the most effective allocation of scarce resources) zu lenken. – Siehe Danismus, Demonetisierung, Geldabschaffung, Ijara, Istisna, Konsumentenkredit, Mudaraba, Murabaha, Musharaka, Mutualismus, Paradoxomanie, Rebbes, Risikoignoranz, Salam, Schwundgeld, Sündengeld, Strukturumbruch, Unfruchtbarkeits-Theorie, Verzinsung, Übersatz, Wucher, Wucher-Herausforderung, Zins(satz).
Achtung: Das Finanzlexikon ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne die ausdrückliche Einwilligung lediglich zum privaten Gebrauch benutzt werden!
Universitätsprofessor Dr. Gerhard Merk, Dipl.rer.pol., Dipl.rer.oec.
Professor Dr. Eckehard Krah, Dipl.rer.pol.
E-Mail-Anschrift: info@jung-stilling-gesellschaft.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Ernst_Merk
https://www.jung-stilling-gesellschaft.de/merk/
https://www.gerhardmerk.de/