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Prof. Dr. Gerhard Merk, Dipl.rer.pol., Dipl.rer.oec.

Abhandlungen über Johann Heinrich Jung-Stilling

Nachtodliche Belehrungen zur Ökonomik

Nachtodliche Belehrungen zu Persönlichkeiten

Nachtodliche Belehrungen zur Philosophie

Nachtodliche Belehrungen zur Theologie

Nachtodliche Belehrungen zu verschiedenen Themen

 

Mehr Wohlstand durch besseres Wirtschaften

Mehr Wohlstand durch besseres Wirtschaften

Fünf Aufsätze zur Landesökonomie

Herausgegeben und eingeleitet

von

Dr. Gerhard Merk,
Universitätsprofessor in Siegen,
Präsident der Jung-Stilling-Gesellschaft.

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Jung-Stilling-Gesellschaft e. V.
Siegen

Leicht veränderte Online-Fassung der Druckausgabe (ISBN 3–928984–08–X), erschienen 1994 im Verlag der Jung-Stilling-Gesellschaft. Copyright 1994, 2005 by Jung-Stilling-Gesellschaft e.V., Siegen (Deutschland). Die gewerbliche Nutzung des nachstehenden Textes bedarf der Einwilligung des Copyright-Inhabers.

In der Druckausgabe folgt ein Personenregister und ein Sachregister. Auch sind dem (im Handel noch erhältlichen) Buch 14 Abbildungen beigegeben.

 


Vorwort


Das ökonomische Denken von Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817) beginnt nicht erst bei den wirtschaftlichen Handlungen. Es verliert sich auch nicht darin, wie leider Gottes heutzutage bei der Mehrheit der Volks- und Betriebswirte. Vielmehr gehen sämtliche Überlegungen von Jung-Stilling vom Menschen aus und kehren zu ihm wieder zurück.1

(1) Ziel eines jeden Menschen ist bei Jung-Stilling seine Glückseligkeit (Vervollkommnung). Es handelt sich dabei um einen Zustand, bei welchem man von jedem Übel frei und zugleich im Besitze alles Guten ist. Fügt man dieser Begriffsbestimmung noch das Merkmal auf immerwährende Dauer“ bei, so hat man das letzte, ewige Ziel des Menschen (die BEATITUDO SUPERNATURALIS) angesprochen. Indessen kann der Mensch dieses (End)Ziel erst im Himmel erreichen. Denn sobald man fürchten muß, aus dem Zustand der Glückseligkeit wieder herauszufallen, ist es mit dem Glücke aus. Erweist sich doch diese Furcht selbst als ein großes Übel. Sie peilt mither ein großes Ungemach an, nämlich Existenzsorgen aller Art und die Angst vor dem Sterben und dem Tod.

(2) Nieden, solange die Seele an den Leib gebunden ist, kann der Mensch höchstens einen Zustand der bedingten Glückseligkeit (die BEATITUDO NATURALIS) erreichen. Er tritt ein, wenn sich der einzelne im Besitze von Gesundheit, Freiheit, Ehre und dem ungestörten Gebrauch seiner Nahrungsquelle befindet.

(a) Freiheit besteht nach Jung-Stilling darin, daß man tun darf, was man will, solange man zum einzelnen und allgemeinen Besten wirkt.2 Jung-Stilling bezeichnet die Freiheit als ein von Gott verliehenes Menschenrecht. Keinerlei Herrschaftsmacht darf es hindern.

(b) Ehre ist bei Jung-Stilling der Wert eines Menschen, den ihm die bürgerliche Gesellschaft beilegt. Der richtig eingeschätzte Wert verhält sich wie der Nutzen, welcher der einzelne der Gesellschaft leistet.3 Wird jemand die schuldige Ehre verweigert, so fühlt er sich unglücklich. (c) Ungestörter Gebrauch der Nahrungsquelle heißt bei Jung-Stilling, daß jedermann im Besitze von Mitteln sein muß, die ihm die Befriedigung seiner leiblichen und geistigen Bedürfnisse gewährleisten.4

(3) Jung-Stilling weiß sehr wohl um den Lebenskampf der Menschen. Als Köhlergehilfe beim Großvater, als Schneider und Knopfmacher beim Vater, als Vermessungs-Assistent beim Patenonkel, als Dorfschullehrer im Siegerland, als Landarbeiter auf dem kleinen Gut zu Hause und bei seiner Stiefmutter, als Wandergeselle im Bergischen Land sowie in den sieben Jahren als Kaufmann und dann abermals sieben Jahre als (Armen)Arzt lernte er die Arbeitsbürde und Plackerei gerade der „kleinen Leute“ von Grund auf kennen. Hierob stellt er die Frage, wie man diesen Kampf ums Dasein erleichtern könne?

(4) Die Antwort bei Jung-Stilling lautet: durch besseren Gebrauch der Nahrungsquelle; anders ausgedrückt: durch erfolgreicheres, ergiebigeres Wirtschaften. Das setzt zweierlei voraus.

(a) Erstens: es muß der technisch-ökonomische Bildungsstand in allen Bereichen erhöht werden (bei Jung-Stilling oft auch kurz Aufklärung“ genannt). Mehr Ertrag aus einer Nahrungsquelle (Betrieb jeder Art) setzt fürerst die Einsicht darin voraus, wie man es besser machen könnte. Folgerichtig beginnen bei Jung-Stilling wirtschaftliche Verbesserungsvorschläge stets mit Fragen einer Hebung der (Fach)Bildung – vom Bauer über den Handwerker und Unternehmer bis hin zum Beamten und Fürstensohn. Dieser Nachdruck auf den Bildungsfortschritt (die Aufklärung“) hat an sich nichts mit der frühen beruflichen Tätigkeit von Jung-Stilling als Lehrer zu tun, wie mißverständlich behauptet wurde.

(b) Zweitens: der planvolle Einsatz von Arbeit, Betriebsmitteln und Werkstoffen muß so gestaltet werden, daß ein Höchstmaß an Leistung (Ertrag) erzielt wird. Dies im einzelnen darzulegen, ist Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft. Dementsprechend zeigt Jung-Stilling als Lehrer der Ökonomik5 auf, wie sowohl in einzelnen Branchen (Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirtschaft, Staatsverwaltung) als auch innert einzelner betrieblicher Abläufe (Einkauf, Rechnungswesen, Verkauf, Betriebsführung) Verbesserungen eingeführt werden können. Seine elf bezüglichen Lehrbücher sind – ebenso wie seine zahlreichen Fachaufsätze – diesem Anliegen gewidmet.

(c) Beide Mittel zur ersprießlicheren Daseinsgestaltung (einmal die Verbesserung des Bildungsstandes, zum andern die fachgemäßere Nutzung der ökonomischen Gegebenheiten) hängen eng voneinander ab. Jung-Stilling schätzt grundsätzlich die Förderung der Bildung als den vorgängigen Schritt ein. Er führt aber auch Beispiele an, bei denen beides zeitlich Hand in Hand geht, wie etwa in Arbeitsschulen.6 In einem engeren Wirkungskreis kann der Fortschritt in der Produktionsweise unter Umständen durch Übung erreicht werden.7 Gesamthaft gesehen steht Jung-Stilling jedoch dem bloßen „learning by doing“ (wie man heute zu sagen beliebt) sehr mißtrauisch gegenüber. Er bezweifelt, ob so „Schlendrian“ und „Tätelei“ (zwei von ihm häufig benutzte Ausdrücke) abgestellt werden können.

(5) Mit erhöhtem Bildungsstand (vom Bauern bis zum Fürsten) läutert, verfeinert und vervollkommnet sich nach Jung-Stilling auch das menschliche Zusammenleben.8 Die Gesellschaft gesteht dann auch dem einzelnen eher sein Recht auf Freiheit und Ehre zu. Damit ist der erste Schritt zur Erreichung der irdischen Glückseligkeit (der BEATITUDO NATURALIS) getan.9

(6) Mit verbessertem Wirtschaften entlastet sich der Kampf um das Dasein. Der einzelne vermag nunmehr neben den leiblichen Grundbedürfnissen auch höre, geistige Bedürfnisse zu befriedigen. Er kann über den Gebrauch der Güter dem Wahren (was dem Zweck der vorhin definierten zeitlichen und ewigen Glückseligkeit entspricht), dem Schönen (was dem Menschen eine ihn veredelnde Freude bereitet)10 und dem Guten (was die Kräfte des Leibes und der Seele vollkommener macht) näherkommen. Ziel (Endpunkt) und Zweck (Absicht) des Wirtschaftens ist also immer, die Glückseligkeit des Menschen zu befördern.11

(7) Wie als Arzt, so möchte Jung-Stilling auch als Ökonom die Menschen be=glücken, nämlich ihnen auf dem Weg zur Glückseligkeit ein helfender Begleiter sein. Unter dieser Absicht hatte er früh sein Wirken gestellt, und diese Lebensbestimmung (als an ihn ergangene Berufung) hatte er später (zu seiner Zeit in Solingen 1762) feierlich erneuert.12

(8) Aus diesem Hintergrund gilt es auch die nachfolgenden fünf Abhandlungen von Jung-Stilling zu sehen. Sie sind allzumal auf die beiden Ziele „bessere Kenntnisse“ und (dadurch) „rationelleres Ausschöpfen der Produktions-Möglichkeiten“ bezogen. Im einzelnen enthalten sie eine Menge wichtiger Informationen zur Wirtschaft und Gesellschaft um 1780 aus der Sicht eines hochbegabten, breit gebildeten und lebenserfahrenen Mannes. Dabei ist immer auch zu bedenken, daß bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltweit die Mangelwirtschaft vorherrschte: die Grund-Bedürfnisse der damals lebenden Menschen konnten schlecht und recht befriedigt werden.

(9) Über das Schlagwortverzeichnis findet der Leser rasch zu einzelnen der im folgenden erörterten Probleme. In den Anmerkungen ist mancher Hinweis auf vertiefende Literatur sowie auf Quellenschriften gegeben. Wer sich weiter mit diesen Fragen beschäftigen möchte, dem seien die (ökonomischen) Nachschlagewerke jener Zeit ganz besonders ans Herz gelegt. In ihnen wird auch der damals gedachte Begriffsinhalt mancher Fachausdrücke erklärt. Denn viele der heutigs benutzten Begriffe (etwa: Aufwand) hatten um 1780 eine andere Bedeutung (im Beispiel: Konsum und Investition).

(10) Wer sich über die Person und das Wirken von Jung-Stilling ausführlich unterrichten möchte, dem sei die von Jung-Stilling selbst verfaßte „Lebensgeschichte“ in der oben genannten Ausgabe von Gustav Adolf Benrath empfohlen. Tief einfühlend in die innere Entwicklung von Jung-Stilling zeigt sich Otto W. Hahn: Johann Heinrich Jung-Stilling. Wuppertal, Zürich (R. Brockhaus) 1990 (R. Brockhaus Taschenbuch, Bd. 1108). Mehr den äußeren Lebensweg schildert Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989. Einen Kurzabriß des Weges von Jung-Stilling bietet Gustav Adolf Benrath: Jung-Stillings Leben, Denken, Wirken. Ein Überblick, in: Michael Frost (Hrg.): Blicke auf Jung-Stilling. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1991. Noch gedrängter faßt Gustav Adolf Benrath dies in dem Artikel: Jung-Stilling, Johann Heinrich (1740–1817), in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 17. Berlin, New York (de Gruyter) 1991, S. 467–470. — Knapp, gleichwohl aber umfassend, schildert schließlich den Lebensgang von Jung-Stilling kritisch (mit Betonung sowohl der inneren Entwicklung als auch mit Bedacht auf die zeitgenössische Geistesgeschichte) Rainer Vinke: Artikel: Jung, Johann Heinrich, in: Friedrich W. Bautz (Hrsg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon. Ein theologisches Nachschlagewerk, Bd. 3. Herzberg (Bautz) 1992, S. 843–867 mit einer lückenlosen Liste der neueren Literatur zu Jung-Stilling auf S. 864–867.

Alte Orthographie stört viele beim Erfassen der Gedanken; noch mehr Zeitgenossen hindert sie geradezu daran. Deshalb wurden die folgenden Aufsätze von Jung-Stilling in die heutige Rechtschreibung gebracht. Jung-Stilling hat die Gewohnheit, in sehr langen, harzigen Satzreihen zu schreiben. Diese werden von ihm durch Verbindungswörter (in der Regel durch mehrere “und”) verkettet. Nachfolgend finden sich diese weitläufigen Satzgebilde zerlegt. Eine solche Trennung kommt bestimmt der bequemeren Lesbarkeit der Texte zugute. Heutigs weniger bekannte Wörter, Fachbegriffe sowie alte Maß- und Gewichtseinheiten13 finden sich in Fußnoten erklärt. Dort wird teilweise auch auf weitere, ergänzende Aussagen von Jung-Stilling hingewiesen.

Die allermaßen auf preußische Wörterbücher eingeschworenen Leser bitte ich (AB ALAMANNORUM STIRPE ORIUNDUS) einläßlich um ihre zutuliche Nachsicht ob einiger dorten nicht verzeichneter Ausdrücke, sonderlich hier im Vorwort sowie im Anmerkungsteil.

Herr Augenarzt Dr.med. Gerhard Berneaud-Kötz in Wuppertal, mein hochgeschätzter Stillings-Freund, hat sich der Mühe unterzogen, diesen Text kritisch durchzusehen. Ihm sei dafür herzlich gedankt.

Siegen, am Fest der Darstellung des Herrn 1994 Der Herausgeber.

 


Nachbemerkung


Nicht jeder Leser der Druckausgabe dürfte von vornherein sein Interesse allen fünf der hier wiedergegebenen Aufsätze von Jung-Stilling zuwenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass thematisch die eine oder andere Abhandlung ausgewählt wird. Auch muß daran gedacht werden, daß manche Leser über das Sachregister lediglich auf einzelne Begriffe zugehen.

Ein solcher (an sich durchaus üblicher) Gebrauch dieser Sammlung lässt es geraten erscheinen, im Anmerkungsteil bereits bei früheren Aufsätzen gemachte Erklärungen und Erläuterungen (kurz) zu wiederholen, um ein lästiges Blättern unnötig zu machen. Auch hierin liegt nichts Besonderes; gleichartige Ausgaben gehen in der Regel den selben Weg.

Der Rezensent in einer Lokalzeitung (aus der Zunft der Siegerländer Theologen) scheint das freilich nicht zu wissen und teilt darob harsche Rügen aus. Sie fallen auf ihn zurück!

 


Mittel und Wege zur rationelleren Bodennutzung14


Bei meinem langen Aufenthalte und Reisen in dem Siegerlande und seinen benachbarten Ländern15 habe ich vieles von der in den dortigen Gegenden üblichen Landwirtschaft beobachtet. Meine Erfahrungen wären reichhaltiger, wenn es mir nur dunkel geahnt hätte, daß ich jemals Lehrer dieser edlen und vorzüglichsten aller Wissenschaften werden würde.16 Alsdann hätte ich mit mehrerer Absicht zu einem gewissen Zwecke beobachtet, welches auf diese Weise rein nur aus Wißbegierde geschah.17

Da ich aber endlich neben der Verwaltung einer großen Fabrik und Handlung auch viele Grundstücke landwirtschaftlich zu besorgen hatte,18 so erlangte ich einen vollständigen Begriff von der empirischen Landwirtschaft.19 Dadurch also werde ich nun in den Stand gesetzt, dasjenige dem Leser mitzuteilen, was ich beobachtet und erfahren habe.

Freilich werde ich hier wenig Lehrreiches, wenig Nachahmungswürdiges auftischen. Allein, ich hoffe doch, bei dieser Veranlassung das eine und andere Fruchtbare zu sagen. Dazu soll mir die Geschichte bloß die Gelegenheit und die Quellen an die Hand geben.


A. Siegerland


Die ökonomische Verfassung des Siegerlandes20 steht auf hohem Fuße. Meine Leser werden aus meiner Abhandlung von der Nassau-Siegenschen Holzzucht21 sich noch erinnern, daß sogar alle hohen Gebirge mit Roggen besät werden, und zwar alle Jahre der sechzehnte Teil; ausgenommen das fürstliche Hochgewäld, welches zum Verkohlen aufgespart wird.22 Solchergestalt bleibt fast kein Fuß breit Erde unbenutzt. Alle Felder werden mit Roggen, Gerste und Haber besät, und alle Wiesen sind zweischürig.23


I. Gegenwärtige Schwierigkeiten


Ob nun gleich das Land nach einer ziemlich guten landwirtschaftlichen Ordnung mit höchstem Fleiß und mit Mühe bearbeitet wird, so trägt es doch bei weitem nicht so viel Brotfrucht als nötig ist. Zwischen Ostern und Pfingsten haben fast alle Hausväter ihr eigenes Brot verzehrt, und sie müssen fremde Früchte kaufen. Die benachbarte Wetterau24 versorgt dieses und mehrere Länder mit ihrem Überflusse. Kein einziger von den Bewohnern des Landes erzieht25 andere Erderzeugungen, die er verkaufen und sich dafür Brotfrucht anschaffen könnte.

Daher lernt jeder Bauer ein Handwerk, das entweder unmittelbar oder doch mittelbar von der Seite her auf das Eisen- und Stahlgewerbe des Landes Beziehung hat. Ein jeder Vernünftige sieht also leicht ein, daß das Land entweder zu viel Einwohner haben, oder nicht fruchtbar genug sein, oder nicht nach den besten Regeln der Landwirtschaft gebaut werden müsse.

Es wäre ein trauriger Gedanke, wenn man eingestehen müßte, ein Land sei zu stark bevölkert. Menschen, denen Gott das Leben gibt, sollte die Natur nicht nähren können? Das wäre ein wichtiger Einwurf gegen den weisheitsvollen Plan Gottes!26 Die Schuld liegt doch gewiß an den Menschen, wenn sie Mangel und Kummer drückt. Aus diesem Grunde darf man der Mutter Erde die Schuld nicht geben. Sie ist unerschöpflich an Reichtümern, wenn sie recht und wohl gebaut wird.


II. Ausschöpfung landwirtschaftlicher Möglichkeiten


Die Siegerländer Erde ist fruchtbar.27 Sie trägt die besten Früchte, und zwar auf ihrer ganzen Oberfläche. Die Einwohner sind durchgehends wahre Muster der Emsigkeit und des Fleißes. Der Mangel entsteht bloß daher, weil die Güter zu klein geteilt und die Felder, Wiesen sowie Bergstücke mehrenteils so schmal sind, daß man sich kaum darauf mit dem Pfluge wenden kann. Es ist also wahr: das Verhältnis der Bauern ist bei der jetzigen Landesverfassung sehr stark.


1. Lage, Boden, Klima


Ich habe vorhin schon gemeldet, daß kein Fuß breit Landes sozusagen unbenutzt liegen bleibt. Jetzt kommt es nur auf die Frage an, ob auch alles recht benutzt werde. Um dieses ans Licht zu setzen, muß ich erst die Lage der Sachen beschreiben.


Das Land hat mäßig hohe Berge und tiefe, breite Täler.28 Der Boden ist gemischt. Er ist weder sandig noch lehmig, sondern aus beiden Erdarten und einer großen Menge Faulerde (so nenne ich die aus einer langen Kultur und Verfaulung vieler Gewächse, Animalien und Dünger entstandene Dammerde) zusammengesetzt, mithin also zur Landwirtschaft recht geschickt. Die Luft ist ziemlich gemäßigt. Das Land ist jedoch nicht warm genug, um mit Vorteil Weizen zu erziehen. Der Roggen aber gerät recht wohl, und auf diese Brotfrucht schränkt sich auch jeder ein.


2. Landwirtschaftliche Verfassung


Die landwirtschaftliche Einrichtung ist folgende. Jedes Dorf hat seine Gemeinheiten.29 Diese bestehen aus sehr fruchtbarem Buschwerk. Eine solche Gemeinheit oder Bemarkung ist in sechzehn gleiche Teile geteilt. Ein solcher sechzehnte Teil (Hauberg, Hagen) wird jährlich gehauen, gehackt und mit Roggen besät (siehe meine Abhandlung von der Holzzucht, „Bemerkungen“ 1775, S. 146). Eine Gemeinheit wird also in sechzehn Jahren einmal mit Roggen besät, und das siebzehnte Jahr fängt man wieder von vorn an. Die übrigen fünfzehn Sechzehnteile der Bemarkung bleiben zur Viehhut liegen. Sie tragen auch recht gutes Futter, weil der Boden zuweilen mit Asche bestreut und gebaut wird.30

In Ansehung der Felder beobachtet man das Brachen, jedoch so sparsam, als nur möglich ist. Gemeiniglich hat der Bauer nicht mehr als ein kleines Läppchen brach liegen. Dies geschieht aus dem Vorurteil, daß das Land zuweilen Ruhe nötig habe. Alle Äcker werden bloß zu Getreide und Grundbirne gebraucht, niemals aber zu Futterkräutern. Seit kurzem erst wird unter Herrn von Preuschen31 auch dort der Kleebau eingeführt. Was brachliegt, mäht man oder hütet es mit dem Ochsen ab. Pferde werden seltener zum Ackerbau gebraucht.


3. Viehwirtschaft


Die Größe des Viehstandes wird durch die Menge der natürlichen Wiesen bestimmt. Dies geschieht so, daß der Bauer so viel Vieh hält, als er mit seinem Futter von Martini32 bis Mai eben kümmerlich durchbringen kann. Den Sommer über wird es durch einen gemeinschaftlichen Hirten durch die Bemarkung gehütet und findet genugsame Nahrung.

Das Vieh ist dort weder mager noch fett und von ziemlicher Größe. An Milch und Butter gibt es so viel, als der Bauer in der Haushaltung braucht. Selten aber gibt es Hausmütter, die Butter oder Käse verkaufen können; und wo dies geschieht, da ist es gar nicht in Betracht zu ziehen. Der Dung reicht gemeiniglich zu, um alles Feldwerk (bis auf die Brache) ordentlich zu düngen. Die Wiesen werden durch Wässern und Bearbeitung gut im Stand gehalten.


Bei diesen Umständen glaubt dort kein Mensch, daß im Ackerbau noch etwas zu verbessern sei. Man urteilt folgendergestalt: Wir benutzen unsere Berge auf die beste Weise; wir bessern unsere Wiesen so viel als möglich ist; wir halten so viel Vieh, als wir können; wir machen so viel Dung, als man nur vermag; wir halten ihn auf das beste zu Rate und düngen alles, was wir haben. Wer kann es besser machen?

Allein, ich will hier einen Vorschlag an die Hand geben, der, vermutlich dem übel abhelfen und nach und nach der Sache eine ganz andere Gestalt geben könnte.


III. Umwandlung der Gemeinweiden

Die Gemeinheiten sehe ich als eine Brache an, die nur alle sechzehn Jahre einmal besät wird. Diese großen Striche Landes müßten stärker genutzt werden. Dazu gehört aber Dung, mithin mehr Vieh, folglich mehr Futter. Es ist also ausgemacht, daß die Sache allmählich eingerichtet werden müßte. überdem sollte die herrliche Holzzucht und Ordnung der Hauberge ja keineswegs aufgehoben, sondern nur etwa bis auf die Hälfte oder zwei Drittel heruntergesetzt werden.


1. Neuäcker aus Haubergen

Die ganze Sache ließe sich etwa folgendergestalt bequem einrichten. Ein jedes Dorf müßte an einem Hauberge anfangen. So, wie er am bequemsten zum Ackerbau wäre, müßte man etwa ein Drittel oder die Hälfte davon roden, hacken, den Rasen verbrennen und den Platz mit einer geeigneten Kleeart besäen. Der Klee wird dann getrocknet und eingeerntet. Das wiederholt man mehrere Male. Jeder nimmt von diesem neuen Acker gemäß seiner Schatzmatrikel33 seinen Anteil auf erb und ewig34 und setzt ihn auch in Malsteine.35

Nun aber vermehrt der Bauer seinen Viehstand nicht. Man einigt sich vielmehr darin, das Vieh im Frühling nicht eher aus dem Stall zu treiben, bis alles Futter verzehrt ist. Bei genauer Sparsamkeit würde man also bei diesem mit dem Kleebau vermehrten Futter das Vieh im Frühling ein paar Wochen länger im Stalle halten können, und mithin so viel mehr Dung machen.

Das Ausroden eines Stück Hauberges müßte da geschehen, wo vor ein oder zwei Jahren Roggen gebaut wurde. Dann empfindet man diese Verminderung des Holzes und überhaupt die Veränderung nicht so bald, ehe man durch die ganze Verbesserung allenthalben Rat geschafft hätte. Das folgende Jahr verfährt man mit dem zweiten Hauberg ebenso.

Weil man nun noch vom vorigen Jahre den Klee genießt nebst dem, den man neu angebaut hat, so kann das Vieh das kommende Frühjahr noch einmal so lange, etwa vier Wochen (bis Pfingsten), im Stalle bleiben. Folglich wird abermal der Dung beträchtlich vermehrt. Das dritte Jahr erhielte man so eine dreifache Klee-Ernte, und das Futter langte schon bis Mitte Sommer aus.


2. Zusätzlicher Getreideanbau

Bis dahin hätte man aber noch nichts an Getreide gewonnen, freilich auch nichts verspielt. Der übrige Dung würde von Jahr zu Jahr auf den Notfall verspart.

Das vierte Jahr aber pflüge man die Äcker um. Sie werden jetzt ohne Dung mit Roggen besät. Dadurch gewänne man im vierten Jahr so viel an Brotfrucht mehr, daß man vielleicht nichts mehr zu kaufen nötig hätte.

Da nun sechzehn Jahre umgingen, bis man diesen Vorschlag ganz befolgt hätte, so würde man eine Menge an Äckern gewinnen. Neben den natürlichen Wiesen könnte man auf diese Weise Kleefelder genug haben, um so viel Vieh zu halten und auf dem Stalle zu füttern, als zum Düngen nötig wäre.


3. Ziel der Umwandlung


Neben der zusätzlichen Brotfrucht würde man auch mehr Milch, Butter und Käse haben. Der Bauer brauchte kein Handwerk mehr, um Brot zu verdienen. Er könnte es aus seinem Gut erwirtschaften; aus der Viehzucht würde er Geld genug lösen, um seine Ausgaben bestreiten zu können. Die Handwerksleute36 würden rar werden. Mit Freuden würden die Bauernsöhne lernen und sich von einem der Geschwister mit Geld abkaufen lassen. Dadurch würde mit einem auch dem übertriebenen Zerteilen der ohnehin kleinen Grundstücke gesteuert. über das alles blieben doch noch große Flächen zu Haubergen übrig, aus denen bei guter Wirtschaft Holz genug zu gewinnen ist.

Ich bekenne freimütig, daß ich diesen Rat zur Vermehrung der nassau-siegenschen Getreidezucht als ein fruchtbares Projekt37 ansehe. Es bleibt aber immer noch ein Projekt. Die nassauische hohe Landesregierung wird mir diesen Vorschlag zugute halten, wenn sie mir unbekannte Schwierigkeiten sieht, welche die Ausführung schwer oder unmöglich machen.38

In diesem Falle halte ich denn doch dafür, daß mein Gedanke vielleicht an vielen anderen Orten fruchtbar und nützlich sein könnte.


[Der folgende Einschub in die Ausführungen von Jung-Stilling stammt von dem Herausgeber der „Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft“, Regierungsrat Friedrich Casimir Medicus39 in Mannheim.]

Der Gedanke des Herrn Jung, diese Hauberge als eine Gemeinheit anzusehen, ist vollkommen richtig. Daher ist auch die Folgerung begründet, daß diese Hauberge – so wie alle Gemeinheiten – schädlich seien.40 In der Kurpfalz haben wir auch Gegenden, wo das Feld so benutzt wird (siehe „Bemerkungen“ 1771, S. 178); aber der Kleebau hat schon in mehreren Orten diese ehemals gute Bauart jetzt gänzlich aufgehoben. Um aber dem Versticklen41 der Felder vorzubeugen, wäre es ratsam, dem Beispiele zu folgen, nach welchem vor einigen Jahren in der Kurpfalz die gemeinen Weiden in verschiedenen Gegenden an die Untertan verteilt worden sind. Anstatt daß alle Jahre nur der sechzehnte Teil eines Haubergs urbar gemacht wird, nehme man jetzt zwei solcher Sechzehntel vor. Der eine wird auf die gewöhnliche, bisherige Art gebaut. Der andere aber wird (ebenfalls nach der in den „Bemerkungen“ 1776, S. 174 bekannt gemachten Art) in Jahne42 verteilt. Diese werden jedoch nach der Art der Odenwälder42a früher geräumt (siehe „Bemerkungen“ 1771, S. 178) und mit Heidekorn43 und Klee besamt werden. Das folgende Frühjahr wird auch der erste Hauberg mit Klee unter die Winterfrucht bestellt. Den zweiten schon mit Klee überwachsenen Hauberg besät man früh mit reichlich Gips.

Weil nun bei allen ersten Versuchen sich Mängel in der Art der Ausführung einschleichen, die oft das Fortrücken erschweren, so wäre es am besten, die folgenden Jahre nach der gewöhnlichen, alten, herkömmlichen Art mit einem Sechzehntel eines Haubergs fortzufahren. Dies sollte jedoch so geschehen, daß die zwei ersten Hauberge niemals mehr zu Waldungen liegen bleiben, sondern nun auf immer als Acker benutzt werden. Die Jahne dürften aber nicht auf erb und ewig ausgeteilt, sondern wie jetzt dem Untertane verbleiben.44

Im zweiten und dritten Jahre werden die Bebauer der ersten beiden Hauberge gewiß den Nutzen lebhaft empfinden, der ihnen durch den Kleebau zufließt. Sie werden selbst wünschen, daß mit den übrigen Haubergen so fortgefahren würde. Auf diese Weise wäre die anfängliche Widersetzlichkeit nicht mehr zu spüren.

Jedoch glaube ich nicht, daß es ratsam wäre, alle Teile so nutzbar zu machen. Der Bauer würde diesfalls in den entgegengesetzten Fehler verfallen, nämlich in den Überfluß des urbaren Landes. Dies ist ein Unglück, das leider nur wenige fühlen, und doch meist die Quelle eines schlechten Ackerbaus ist. Nach meiner Meinung sollte man also hernach nur so lange mit der Urbarmachung fortfahren, bis man acht Sechzehntel oder die Halbscheid45 unter den Pflug gebracht hat. Die übrigen acht Sechzehntel würden noch immer nach der gewöhnlichen Art benutzt; nur, daß man jetzt bloß alle zwei Jahre einen Hauberg umrottete,46 um dem Holze Zeit zum Wachstum zu lassen.

So lange nun, bis der halbe Wald urbar gemacht wäre, müßten die ausgeteilten Jahne ihrem ersten Besitzer bleiben. Dazu sollte in jedem Dorfe ein Aufseher bestellt werden. Er hätte für die gute Bauart Sorge zu tragen, damit nicht ein Besitzer das Feld ausmergelte, während der andere seinen Teil in gutem Bau erhielte. Nun aber wird der ganze halbe Berg im großen und nach dem bisherigen Verteilungsplan an die Untertanen auf erb und ewig ausgeteilt. Dadurch wird das Verstickeln der Felder, das gewiß schädlich ist, verhindert.

[Ende des Einschubs von Regierungsrat Friedrich Casimir Medicus, dem Herausgeber der Zeitschrift „Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft“, in welcher dieser Beitrag von Jung-Stilling 1781 im Druck erschien.]

 


B. Herzogtum Westfalen

 


I. Unerfreulicher Istzustand


Das benachbarte Herzogtum Westfalen,47 besonders die südliche Hälfte, ist nun wahrlich nicht zu stark bevölkert. Ungeheure unbenutzte Gemeinheiten, Brüche und Heiden sowie bemooste oder mit Ginster bewachsene ewige Brachäcker sieht man da genug. Die Bauern, welche einzeln hier und da in ärmlichen Hütten herumjammern, können kaum ihr Elend48 übersehen. Freilich: hie und dort liegt ein einzelnes Dörfchen oder Städtchen, in welchem wohl noch der eine oder andere Bauer sitzt, der seinen Branntwein mit Friede und Freude schlurft.49 Aber diese sind rar, und dazu entweder Krämer, oder Wirte, oder Landfuhrleute, oder Blutegel.50

Wo liegt hier wohl der Fehler? Fragt man den vernünftigen Mann daselbst nach der Ursache, so heißt es: das Land ist unfruchtbar; es ist nicht möglich, daß man es verbessere. Dem ersten Augenschein nach sollte man glauben, diese Bemerkung sei wahr. Hohe Berge, enge Täler, dazwischen Sümpfe, überall sparrigte51 Gebüsche, traurige, mosige, heidige Hügel, lehmiger und steiniger Boden, kalte Nebel, späte Sommer- und frühe Herbstwitterung: das scheinen alles unüberwindliche Hindernisse zu sein und jede Mühe fruchtlos zu machen.


1. Gangbare Wege zur Verbesserung


Aber wahrlich: sie scheinen nur so! Es gibt dort Gegenden, die gerade diese Fehler hatten und nun nicht mehr haben. Die gute Landwirtschaft ist sogar fähig, das Klima zu verbessern. Trocknet eure Sümpfe aus, rottet die duftenden Gebüsche52 aus, löst eure lehmigen Gründe mit Tiermist auf, macht sie locker: dann werden sie nicht mehr den Regen enthalten und beständig neblig in die Höhe duften.

Woher kommt es, daß man zu Winterszeiten, wenn es kalt ist, die wärmere Luft spürt, sobald man in die Gegend einer Stadt kommt? Vielleicht von den vielen Öfen, die dort geheizt werden? Das kann etwas beitragen. Aber vornehmlich wärmen wohlgebaute Äcker, die mit Dung angefüllt sind. Lehmiger Boden kältet im Winter wegen des vielen Wassers, das er einsaugt. Im Sommer brennt er stark: er wird dann fast zum Ziegelstein.

Die Frage ist also, wie könnte diesem armen Lande geholfen werden, das wegen seines schlechten Rufes seit Jahrhunderten „Sauerland“ heißt?53 Wenn eine richtige Antwort hierauf abgefaßt werden soll, so muß man erst die Quelle näher aufdecken, welche an diesem Elende schuld ist.


2. Mangel an Fleiß und Kultur


Bloß der Mangel an Kultur und Industrie ist die Ursache!54 Keiner weiß und versteht es besser zu machen, als er es wirklich macht. Keiner wünscht es auch viel besser. Denn er ist zufrieden, wenn er es so gut hat wie seine Väter. Freilich vegetieren diese Leute so ziemlich glücklich hin. Allein, es ist doch traurig, daß ein ganzes Herzogtum, fast sechsmal so groß wie das Siegerland, kaum so viel einträgt als dieses.

Und weh tut es einem Menschenfreund, dort öde Plätze zu sehen, wo es doch möglich wäre, daß sich Braut und Bräutigam küssen; daß Greise die Enkel segnen; daß scheckige55 Kühe und wollige Schafe fette Weiden finden; daß blühende Knaben und Mädchen im Reigen singen! Ja, weh tut es, hier und da einzelne Menschen im zerlumpten leinenen Kittel träg einhergehen zu sehen: Menschen, die weder ihren Schöpfer und Erlöser genug kennen, noch heitere und edle Freuden des Lebens zu schätzen wissen.56 Dieser Gedanke durchbohrt mir das Herz. Und gewiß, wenn mir Gott Leben und Gesundheit fristet, so will ich bald einen Versuch wagen, wie überhaupt dem armen Bauernstande der Weg zu mehr Glück zu bahnen sei.57


II. Nutzen gelehrter Abhandlungen


Tissot schrieb einen Unterricht für das Landvolk in Absicht auf die Arzneikunde.58 Aber er hat seinen Zweck kaum halb erreicht. Viele Bürger lesen das Buch kaum, und unter tausend Bauern nicht einer. Die Ursache liegt darin, daß die Schreibart noch immer zu gelehrt ist. Der Bauer muß das, was er liest, ebenso gut verstehen, als wenn wir Gelehrte etwas lesen. Dazu gehört aber eine ungemeine Herablassung59 Alle Kalender braucht der Bauer nur, um Tage und Zeiten zu unterscheiden. Unter Hunderten ist kaum einer, der die landwirtschaftlichen Ratschläge darin liest; keiner aber, der ihnen nachlebt. Die Schuld liegt bloß in der mangelnden Deutlichkeit der Begriffe und in dem für den Bauern wenig reizenden Vortrag.60 Wer daher nicht solche Lehrschriften verfertigen kann, die dem Bauern eben das sind, was ihm in Absicht auf die belustigende Lektüre Bücher wie Kaiser Oktavianus, Reineke Fuchs, Eulenspiegel, Herzog Ernst61 und seine Volkslieder sind, der setze die Feder schon gar nicht an. Ihm wird nichts gelingen. Wer es aber vermag, der schreibe nur ein Buch, das gut ist: er kann sich dann ruhig schlafen legen.


III. Anreize durch Beispiele


Für die Westfälinger wäre kein besserer Rat als Aufmunterung durch Beispiele.62 Aber wer soll diese geben? Daher bleibt nichts andres übrig als Vorlesungen von Geistlichen und Schulbedienten.63 Ein gutes deutliches Lehrbuch, aus welchem sonntags und feiertags am Nachmittag den Landleuten ein Stück vorgelesen würde, müßte die beste Wirkung haben.

Vorerst suche man einen Reiz zu höherer Glückseligkeit durch sinnliche Bilder und Vorstellungen zu erwecken. Man mache den Bauern begreiflich, welches Glückes sie fähig sein könnten, wenn sie ohne so schwere Arbeit anstatt des Haberbrotes gutes Roggenbrot essen und dazu statt des Wassers Bier trinken könnten. Auch stelle man ihnen vor Augen, wie ihnen der Überfluß des Stalles Fleisch gewähren und ihre weitschichtigen Weiden gesegnete Getreidefluren werden könnten. Ihre Söhne und Töchter sind dann auch in der Lage, zur rechten Zeit und ohne Sorge zu heiraten: könnten sie doch nun sich selber und ihre Kinder reichlich ernähren.

Zu diesem allem mache man den Landleuten gewisse Hoffnung. Sie werden mit mehr Eifer gutem Rat folgen, als man ihnen je zugetraut hat. Aber man hüte sich auch, daß man ihnen nichts weismache! Alles, was man sie lehrt, muß in der Ausführung die Probe halten. Fehlt das, so ist alles verloren. Wann werden sich doch die Landgeistlichen allgemeiner mit dieser edlen Beschäftigung abgeben?64


IV. Bedeutung der Preisanreize


Dieser Rat würde für Westfalen der einzige sein, solange die Beispiele anderer wirksamer Landwirte mangelten. Wahrscheinlich gilt ein solcher Rat für viele, vielleicht gar für alle Länder. Wie aber Westfalen zu blühenden Landgütern umgeschaffen werden müßte, das würde allein ein Alphabet gedruckter Bogen füllen und daher für diesen Raum zu viel sein.

Nun will ich noch hinzufügen: die wissenschaftliche Kultur65 des Landmanns, welche ich hier vorschlage, führt die Landwirtschaft noch nicht zur hohen Stufe. Solange die Produkte daselbst noch keinen Wert66 haben, so lange sinkt sie immer wieder ohnmächtig zurück. Aber würde nicht auch der Handelsgeist durch diese verbesserte Aufklärung67 erweckt und dadurch mehr Leben und Tätigkeit


D. Grafschaft Mark


Wo die Grafschaft Mark68 an das Herzogtum Westfalen stößt, da ist sie eben so rauh, eben so unfruchtbar und eben so schlecht gebaut. Hier fehlt es nun gewiß an der Weisheit des Fürsten nicht. Der König von Preußen69 kennt allzu gut das Wohl des Staates, als daß man ihm hier die Schuld beimessen sollte. Doch geht der Wunsch dieses Monarchen in seinen niederländischen70 Staaten mehr auf Manufakturen und Handlung als auf Landwirtschaft. Die Ursache davon wird er selbst wohl am besten einsehen.


I. Auszehrung infolge Abwanderung


Doch es sei mir die eine oder andere Anmerkung dabei erlaubt. Der Gang der Landwirtschaft ist mit dem Bergischen einerlei. Auch vermag die Landwirtschaft einen großen Teil der Einwohner zu ernähren. Freilich könnte sie noch sehr viel verbessert werden, würde nur das Land nicht so sehr seiner Einwohner beraubt. Die Soldaten,71 welche das Land hergeben muß, würden an sich betrachtet die Anzahl der Untertanen nicht so beträchtlich vermindern. Der König könnte alle Soldaten haben, die er jetzt hat – und doch könnte die Mark vollkommen bevölkert sein, wenn nur nicht die Furcht vor dem Soldatenleben alles, was männlich ist, sozusagen verjagte. Dreimal mehr Jünglinge, als wirklich Soldaten werden, gehen aus Furcht vor der Werbung aus dem Lande.

Der Beweis davon ist überführend. Die angrenzenden bergischen Kirchspiele72 sind dadurch bevölkert worden. Der größte Teil der märkischen Untertanen ist lutherisch, die angrenzenden bergischen Kirchspiele waren reformiert. Vor fünfzig Jahren73 waren in diesen Kirchspielen noch keine Lutheraner. Nun sind überall große, blühende Gemeinden; und zwar lauter märkische Untertanen, die aus ihrem Vaterlande ausgezogen sind, um sich unter dem sanften Schutz und Szepter unseres Landesvaters anzubauen. Ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, daß durch diese Ursache Kurfürst Karl Theodor während höchstdero gesegneten Regierung74 über dreitausend Familien, bloß märkische Untertanen, in dero niederländischen75 Staaten gewonnen haben.

Der Schaden, den die Landwirtschaft darunter leidet, ist beträchtlich. Die alten großen Bauernhöfe werden nicht zerteilt, viel weniger ordnungsgemäß gebaut. Denn es fehlt dem Bauern an Arbeitsleuten. Was er mit seiner Frau und den Kindern tun kann, das tut er. Alles andere bleibt ungetan.


II. Fehlerhafte Viehwirtschaft


Dabei herrscht aber eine große Torheit. Glaubt doch ein solcher Bauer, daß er notwendig sein ganzes Gut bearbeiten müsse. Er hat viele und große Strecken Gebüsch sowie viele und große Äcker, die mehrenteils mit unförmigen, alten, verwachsenen Hecken eingefaßt und also befriedigt76 sind. Die Wiesen sind groß, und – weil sie nicht gepflegt werden – moosig und verwüstet.

Ein märkischer Bauer hält nun auf seinem Gut folgendergestalt Haus. Fürs erste hält er eine große Menge an Vieh. Denn er glaubt, daß die Menge der Milch und der Butter sich wie die Menge des Viehes verhalte. Das viele schlechte Heu, das er auf seinen einschürigen77 Wiesen zusammenschrappt,78 reicht nebst dem Haberstroh79 kaum den Winter zu, damit das Vieh nicht Hungers sterbe.

Man sieht also bereits im Hornung80 und März , wenn es nur keinen Schnee hat, die toten Gerippe81 durch die Büsche kriechen und zum unersetzlichen Schaden der Holzwirtschaft Knospen nagen. Den Sommer über spazieren diese armen Tiere auf den weiten Feldern einzeln umher und beißen an den mageren, spitzen Gräschen, die sie oft noch mit den Schafen und Ziegen teilen müssen. Solchergestalt wird der größte Teil des Mistes verschleudert. Die Milch aber, die durch die Ruhe des Viehs noch allenfalls gewonnen werden könnte, geht durch die Bewegung verloren.


III. Bereitung von Grasdünger


Noch ein Schatten der ehemaligen guten Landwirtschaft zeigt sich im Düngermachen. Sie hacken auf ihren weitläufigen Heiden eine Menge Rasen. Ist dieser trocken, so wird er nach Hause gefahren. Damit belegen sie ihren großen und breiten Stall. Sobald dieser Heid (wie sie sich ausdrücken) bemistet ist, streut man wieder eine Lage reinen Heid darüber. So verfährt man, bis der Stall so hoch voll Mist ist, daß das Vieh fast oben unter steht. Dieser Dung wird der beste, den man sich denken kann. Denn er wird durch das beständige Treten des Viehs zermalmt und vermischt. Die Gärung und der gehörige Grad der Fäulung, welcher dem Dunge so nötig ist, befördert sich so.

Weil nun das Vieh immer höher zu stehen kommt, so hängen die Tröge in Ketten. Sie werden immer in dem Verhältnis hochgezogen, wie das Vieh höher steht. Diese Methode geht bei ihnen an. Denn des Winters wärmt ein solcher Stall. Die faulen Ausdünstungen können dann weniger schaden. Im Sommer aber ist das Vieh den ganzen Tag auf dem Felde und nur des Nachts im Stalle.


IV. Mangelnde Nutzung des Bodens


So weit nun auf dem weitläufigen Gute der Dünger reicht, so weit wird Haber gesät und Grundbirne gepflanzt,82 allenfalls auch ein Stück Rüben. Das Haberstück trägt dann noch einmal Haber, das Grundbirnenstück auch, und das Rübenstück trägt danach Korn. Nun ist die Sache zu Ende.

Der Bauer düngt das folgende Jahr ein neues Stück. Ehe er abermals an das erste kommt, ist es von allerhand wilden Gewächsen wieder ausgesogen und mager geworden. Solchergestalt düngt und bearbeitet der Bauer große Strecken. Er macht sich viel Mühe ohne Vorteil.

Hier und dort wird wohl auch ein wildes Stück mit Kalk bestreut. Dies hat sicher auf den alten Brachfeldern seinen großen Nutzen. Denn der Kalk wirkt als Fäulungsmittel. Er löst daher bald die dicken, wurzeligen Rasenstücke in Dünger und gute Pflanzennahrung auf. Allein, was hilft es? Die Besserung der Äcker wird nicht gehörig benutzt.

Da nun diese Bauerngüter in großen, umzäunten und also wohlbefriedigten Stücken beisammen liegen, da keine Gemeinheiten83 und gemeinschaftliche Viehtriften da sind, mithin also die Polizeiverfassung84 nach Wunsche ist: was würde da ausgerichtet werden, wenn einmal ein tüchtiger und geschickter Landwirt daselbst zu wirken anfinge? Oder wenn nur ein solches Gut mit Leuten gehörig besetzt wäre und gut bearbeitet würde?


E. Herzogtum Berg

 


I. Landwirtschaftliche Verfassung


Das benachbarte Bergische Land85 hat ganz genau dieselben Einrichtungen. Die Bauerngüter bestehen aus großen, befriedigten Stücken Wiesen und Äcker. Sie liegen mehrenteils beisammen um das Haus herum. Das alles umgibt auch noch ein Gebüsche, das ebenso dem Bauern unzerteilt gehört. Weil dieses Land nun ziemlich stark, doch noch lange nicht genug bevölkert ist, so sind die Güter schon kleiner, und der Leute sind mehr, um selbige zu bearbeiten.


1. Getreideanbau


Dieses Land bringt kaum so viel Roggen hervor, als zum Strohdache des Bauernhauses zulangt. Ich verstehe aber hierunter nur den bergigen Strich Landes an der märkischen Grenze.86 Denn die große Ebene am Rhein gibt Korn und Weizen im Überflusse und versorgt fast das ganze Land damit.

Der Bauer glaubt fest, daß der Roggen auf seinem Gute nicht gedeihe. Ich aber glaube eben so gewiß, daß er selbst Schuld daran sei. Der Haber ist sein vornehmstes Produkt. Bei den vielen Pferdefuhrwerken, welche die ansehnlichen Fabriken und Manufakturen erfordern, bringt ihm der Haber ein ziemliches Geld, und er steht nicht übel dabei. Aber es ist keine Frage, daß er noch viel besser stehen würde, wenn er auch Roggen verkaufen
könnte. Denn die Verzehrung87


2. Viehzucht


Nächst dem Haberbau macht die Viehzucht das eigentliche Augenmerk des bergischen Bauern aus. Dies liegt daran, weil der Bauer Butter, Käse und fettes Vieh in die Städte teuer verkaufen kann. Um nun einen Begriff von einer guten bergischen Landwirtschaft mitzuteilen, will ich erzählen, wie ein vernünftiger, rechtschaffener88 Landwirt dort zu Werke geht.

Die Viehzucht kann in doppelter Absicht betrieben werden. Entweder man macht, so viel man kann, seine Äcker zu Weiden und treibt im Frühling mageres Vieh auf, oder man legt sich auf das Butter- und Käsemachen. Das erstere ist gemeiniglich die Methode der Kaufleute und Fabrikanten,89 um ihre Güter ohne viel Arbeitsleute rentbar90 zu machen. Das andere aber ist dem Bauern nützlicher.


II. Besonderheiten der Zäunung


Wenn ein Gut auf die erste Weise betrieben wird, so teilt man es in große Stücke. Ein jedes Stück wird entweder mit Zäunen oder lebendige Hecken befriedigt. Man wirft jeweils einen Graben um ein solches Stück Landes auf. Die Erde schüttet man einwärts auf das Land und macht einen Wall. Auf diesen Wall setzt man nun entweder einen Zaun, oder man pflanzt eine Hecke. Besonders aber sind daselbst Zäune in Gebrauch, die man leicht verrücken kann.

Man nimmt dazu einen Haufen Bretter. Gemeiniglich sind dies solche, die nicht anders verbraucht werden können. Entweder fallen sie seitwärts von den Hölzern ab und heißen dann Schwarten, oder sie haben Ast- und Faullöcher. Um diese Bretter zu befestigen, nimmt man viereckige Pfosten. Sie haben unten ein Loch sowie eines am oberen Ende. Diese Pfosten werden so weit voneinander in die Erde befestigt, als die Bretter lang sind. Man steckt alsdann die Bretter von einem Pfosten zum anderen der Länge nach in die Löcher, und zwar eines nah an der Erde ins untere Loch und eines nach oben.

Diese Befriedigung wird vornehmlich gebraucht, wenn man auf einer Weide ein Stück zu Grundbirne, Rüben oder Getreide abzäunen will. Die Zäune sind zwar anfänglich kostbar.91 Dafür jedoch sind sie rasch aufgeschlagen und lange dauernd. Lebendige Hecken können in diesem Falle nicht gebraucht werden, und Plankenzäune92 erfordern mehr Mühe und mehr Holz.


III. Nutzung der Flächen


Sobald man nun so viel Dung besorgt hat, um ein solches großes, befriedigtes Stück Landes zu überdüngen, so pflügt man es im Herbst zum ersten Mal. Bis zur Brachfahre93 läßt man es liegen.


1. Feldbearbeitung


Hernach im Frühling wird das Stück abermals gestürzt und geeggt. Daraufhin fährt man den Dung über. Das Stück wird dann zur Saat gepflügt, geeggt und gewalzt. Dies geschieht im März oder zu Anfang April, je nachdem es Wetter ist.

Öfters wird aber auch der Dung im Herbst übergefahren und alsdann sofort untergepflügt. Auf diese Weise bleibt er den Winter unter der Brachfahre liegen. Beim zweiten Pflügen kommt der Dung dann in die Höhe und bei dem dritten wieder unter. Doch ist ersteres besser. Die Feuchtigkeit des Winters schwemmt die fetten und salzigen Teile fort oder versenkt sie zu tief in die Erde.

Die Saat ist niemals etwas anderes als Haber. Der Pflug hat einen geraden Grindel,94 ein bewegliches Sech95 und eine pyramidenförmige, dreieckige Schar.96


2. Weideland


Sobald der Haber im Herbst geerntet ist, bleibt das Land liegen. Das folgende Frühjahr wird mageres Vieh aufgetrieben: Kühe, Ochsen oder beides zusammen. Da kann man nun niemals die Zahl des Viehs nach dem Morgen97 bestimmen. Denn es kommt bloß darauf an, wie das Gras wächst. Bald kann man zwei Ochsen oder vier Kühe auf einen Morgen treiben, bald auch nur einen Ochsen auf zwei Morgen.

Weil nun ein solches wohlgedüngtes Land nur einmal Frucht getragen hat, so bleibt ein großer Teil der Besserung in der Erde. Dieser treibt eine Menge Gras hervor, so daß das Vieh sehr fett wird.


3. Wechsel von Weide und Acker


Das folgende Jahr baut man auf dieselbe Weise ein anderes Stück mit Haber. Das geschieht so alle Jahre fort, bis man herum ist. Allemal bleibt aber jedes Stück nach einer Saat zur Weide liegen.

Entweder muß nun der Eigentümer so lange Dung kaufen, bis er einmal alles überdüngt hat, oder er muß für die entsprechende Zeit sein Vieh im Stall halten und Dung machen. Ist das geschehen, so ist er fertig. Denn nun fängt er am ersten Stück wieder an. Es ist inzwischen einige Jahre beweidet worden und mithin (weil das Vieh den Sommer über Tag und Nacht darauf geblieben ist) sehr stark gedüngt. Jetzt sät man wieder Haber. Damit zieht der Landwirt Frucht für die Pferde, oder er erlangt dadurch frische Graswurzeln (wie der Ausdruck lautet). Solchergestalt geht nun die Wirtschaft im Zirkel herum.


4. Ertragsverhältnisse


Es ist wahr: auf diese Weise macht ein Landgut dem Eigentümer wenig Mühe. Und doch erhält er gemeiniglich, wenn es halb gut geht, vom Morgen Landes etwa 20 Reichtsthaler Nutzen.98 Dazu bleibt das Gut nicht bloß in gutem Stande, sondern es wird sogar immer besser.

 


5. Anlage der Viehweiden


Die Wiesen werden eben so benutzt, nur daß man sie nicht mit Haber besät. Im Herbst und im Frühjahr wässert man sie. Auf einer solchen Weide sind immer an der Hecke oder in einem Winkel ein paar Bäume, die Schatten geben. Darunter verbirgt sich das Vieh vor der Sonne. Auch gräbt man ein paar starke Pfosten ein, damit es sich daran reiben könne.

Zur Tränke muß auch Rat geschafft werden. Wenn kein Wasser nahe ist, so gräbt man an einer Ecke eine tiefe Grube mit flachem Eingang. Darinnen sammelt sich vom Regen und aus der Erde Wasser genug zum Trinken. Weiter erfordert das Vieh keine sonderliche Aufsicht. Es genügt, wenn man dann und wann danach sieht.

Diese Wirtschaft ist für Kaufleute, die auf dem Lande wohnen, sehr bequem. Sie können wegen ihrer Handlung den Gütern nicht genug abwarten.99 Ein guter Bauer aber muß sich anders einrichten. Daher ist auch bewiesen, daß das Weiden nicht den höchsten Ertrag bringe, der auf einem Gute möglich ist.


IV. Bewirtschaftung der rein bäuerlichen Betriebe


Wenn also ein Gut von einem ordentlichen Bauer betrieben wird, so legt er sich vorzüglich auf die Milcherwerbung. Denn Butter und Käse können ihn reich machen.

Die Grundstücke werden in diesem Falle abermals mit Graben und Hecken befriedigt. Die Wiesen sind zweischürig, wohl auch dreischürig. Das Heu und Grummet100 werden eingescheuert und des Winters zusammen mit Haberstroh gefüttert. Zuweilen wird alles zusammen zu Hexel 101 geschnitten. Man hält nicht mehr Vieh, als man füttern kann und gar kein Geldvieh.102

So viel man Dung macht, so weit düngt man. Einen Teil besät man mit Rüben, einen anderen mit Grundbirne, einen dritten mit Korn; unbedüngtes Brachland aber mit Haber, so viel man nur bezwingen und bearbeiten kann. Das andere bleibt alles zur Viehweide übrig.

Was nun dieses Jahr Haber getragen hat, das gebraucht man im folgenden Jahr wieder zu Rüben, Korn und Grundbirne, so weit man kann. Dann trägt es noch einmal Haber und hernach bleibt es zur Weide liegen. Die Habersaat macht also den Anfang und den Beschluß. Das Land trägt andrerseits mit einer Düngung nacheinander drei Jahre lang. Dieses geht nun wieder so im Zirkel herum, bis man endlich erneut dahin kommt, wo man angefangen hat.

Gemeiniglich wird ein Brachland auch drei Jahre beweidet. Das erste Jahr ist das Gras in den Stoppeln noch nicht sehr groß. Das zweite Jahr wird es besser, das dritte Jahr aber am allerbesten. Denn das Weiden des Viehs düngt zugleich das Land.

Das ist aber etwas Außerordentliches, daß dieses Vieh so viele und fette Milch gibt. Ungeachtet es den ganzen Tag auf dem Felde herumweidet, so gibt doch eine gute Kuh in den höheren Gegenden zehn bis zwölf Maß kölnisch,103 in den niedrigeren Gegenden aber sogar fünfzehn bis zwanzig Maß edler und fetter Milch an einem Tag! Das ist unglaublich, aber dennoch gewiß wahr. Dieses Vieh schlägt auch wenig ab,104 bis es bald wieder kalben will.


V. Ungleichgewicht zwischen Viehhaltung und Getreideanbau


Sieht man diese Viehzucht so obenhin an, so scheint es, daß sie keiner Verbesserung fähig sei. Ich glaube gar gern, daß die Benutzung einer zu melkenden Kuh nicht höher zu treiben ist.

Allein, der Getreidebau wird sehr dabei vernachlässigt. Wollte man sagen, das Geld für die Brotfrucht bliebe doch immer im Lande, weil der Roggen von den bergischen Untertanen am Rheine gezogen wird, so muß ich darauf antworten: Wenn jeder Bauer seine Brotfrucht selber baute, so könnte der Überfluß an Roggen außer Landes und vorzüglich nach Holland gehen. Dort nämlich muß alles Getreide von den Ausländern gekauft und mehrenteils von Danzig abgeholt werden. Auf diese Weise wären ungeheure Summen ins Land zu bringen.

Die herrliche Viehzucht des bergischen Landwirts blüht also auf Unkosten seines Getreidebaues. Große, weitläufige Strecken liegen da zur Weide für das Vieh. Und nun, da ich bewiesen habe, daß der Getreidebau dem Lande einen beträchtlichen Nutzen bringen würde, so will ich untersuchen, ob dieser nicht bei einer anderen Einrichtung – der Viehzucht unbeschadet – in Gang und Flor105 gebracht werden könnte.

 


VI. Vorschläge zur Verbesserung


Man sagt, der Boden sei für den Roggen zu schlecht. Ja, das ist wahr! So wie der Boden von Natur aus ist, gerät der Roggen nicht wohl, der Haber jedoch recht gut.


1. Steigerung des Roggenanbaus


Der Boden ist lehmig und steinig, mithin kalt und roh. Der Bauer düngt sein Feld recht gut. Er sät Roggen, und dieser gedeiht mittelmäßig. Nun glaubt er, es sei nicht möglich, mit Nutzen dieses Getreide zu ziehen.

Der Roggen erfordert einen Boden, welcher aus feinem Sande und Faulerde oder guter Dammerde106 gemischt ist. In einen solchen muß der lehmige, kalte Acker nach und nach verwandelt werden. Diesen Zweck würde man erreichen, wenn man den Schlamm auf den Böden der Fischteiche sorgfältig zu Rate hielte107 und damit die Felder dick überführte. Fast jeder Bauer hat einen oder mehrere Fischteiche. Das überstreuen mit Kalk würde auf dem Brachland oder der Weide gleichfalls gute Wirkung tun. Auch daran ist dort kein Mangel.


2. Anbauverhältnis der Früchte zueinander


Dieses alles würde mir der bergische Bauer noch zugestehen. Aber eines wird er mir einwenden und triumphierend auf mich herabsehen: Wie geht das mit der Viehzucht? Verliere ich nicht daran? Werde ich nicht weniger Vieh halten müssen, wenn ich mehr Getreide baue und mithin weniger Weiden habe? Dieses ist nun eben der Knoten, den ich aufzulösen gedenke.

Die Menge der Milch und der Butter und überhaupt der Wohlstand des Viehs liegt nicht an vielem Graswuchse, sondern an der Güte der Futterkräuter. Der Klee, das feine süße Gras und andere Pflanzen sind die Ursachen dieses Segens.

Die Wiesen sind wegen der Feuchtigkeit zu sehr der Säuerung unterworfen. Das Gras wird zu wässrig, zu holzig oder grobsplintig.108 Hingegen ist das Feldgras lauter feine Nahrung, die süß ist und gedeiht. Man sorge also dafür, daß auf einer Rute Landes109 dieses Futters so viel wachse, als jetzt auf dreien gedeiht. Auf diese Weise hat man zwei Drittel Landes gewonnen.

Nun säe man bloß ein Drittel mit Korn, ein Sechstel mit Haber und das andere Sechstel mit Rüben und Grundbirne: dann hat man die vollkommenste Getreidezucht erreicht. Die Haberernte wird nichts dabei verlieren, weil doch heutzutage kein Bauer den sechsten Teil seiner Güter (oder doch sehr selten) mit Haber besät.


3. Bessere Düngernutzung


Hier wird man mir einwenden, das sei nicht möglich: hierzu fehle der Dung. Aber selbst durch das beste Düngen könnte es nicht zustande gebracht werden.

Letzteres ist bald widerlegt. Die Gegend um Elberfeld und Solingen ist eben so wie die eurige. Dort aber hält der Bauer oder Bürger auf dem Sechstel seines Ackers noch besseres Vieh und eben so viel, wie der Landmann auf sechs Sechsteln. Folglich käme es bloß auf die Vermehrung des Dunges an. Diese aber ist gar leicht möglich.

Man nährt jetzt das Vieh den Winter über mit dem Wiesenheu, mit Haberstroh, mit Grundbirne und mit dem Abfalle von den Rüben. Dieses mag so bleiben: ich finde nichts daran zu bessern. Aber den Sommer über könnte man besser haushalten! Obgleich der Dung auf ein befriedigtes Stück Weide kommt, so wird er doch gar unordentlich verstreut.

Der mehrste Dung kommt auf den mittäglichen Ruheplätzen häufig beisammen,110 die übrigen Geilhaufen111 liegen hier und dort zerstreut. Wo sie liegen, fault alles. Dazwischen aber bleibt es doch mager.

Zudem wird der Mist durch keine Streue vermehrt. Weil endlich der Dung auf der Oberfläche der Erde liegen bleibt, so verwittert er. Die flüchtigen Teile gehen in die Luft, und die Sonne dorrt ihn aus. Folglich kommt dem Bauern der Dung kaum zum dritten Teile zu Nutzen.


4. Stallfütterung statt Ausweiden


Wenn man nun dagegen das Vieh den Sommer wie den Winter über im Stalle hielte, ihm das Weidegras rein abmähte und auf den Trog schüttete, so würde man davon ungemeinen Vorteil haben.


Erstlich würde der Dung durch das Unterstreuen gewiß um zwei Drittel vermehrt. Der Bauer könnte also ein Drittel mehr düngen. Zweitens zertritt das Vieh auf der Weide sehr viel Gras, welches es nicht frißt. Um die Geilhaufen weidet es das Gras nie ab. Daher kommt es, daß die Viehweiden so viele Grasstruppen112 haben. Ich darf kühn behaupten, daß durch das Weiden die Hälfte des Grases verdorben wird. Wenn es nun gemäht würde, so käme alles Gras zu Nutzen. Man könnte zweimal mähen und die Hälfte für den Winter trocknen.

Auf diese Weise könnte man den Viehstand sogar um ein Viertel vermehren. Denn die eine Hälfte des gewonnenen Grases oder ein Viertel des Ganzen bliebe für den Sommer zu frischem Futter, das andere Viertel des Winters zum Dürren. Folglich würde also auch der Dung um ein Viertel vermehrt werden.

Endlich würde, drittens, das Vieh des Sommers im Stalle weder durch die Sonnenhitze noch durch die Fliegen so viel leiden.113 Es gäbe also auch mehr Milch und Butter.


5. Abhilfe des Streumangels


Nichts liegt dem bergischen Bauern mehr im Wege als der Mangel an Streu und seine angeborene träge Bequemlichkeit.

Die Streue bekommt er jetzt aus seinem elenden,114 großen, strauchigen Büschen. Diese hackt er beständig von einem Ende bis zum andern und schält sie zu Streurasen ab – zum unsäglichen Schaden der Holzzucht. Denn Stroh hat er nicht. Das Haberstroh wird alles verfüttert. Mit dem bißchen Roggenstroh deckt er sein Haus. An Laub zum Streuen ist gar nicht zu denken. Wo soll es denn herkommen?115 Hier liegt also ein Hauptfehler. Wie wäre dieser zu verbessern?

Wenn der Landwirt einen dritten Teil seiner Äcker mit Roggen besäte, so würde er schon dadurch beinahe Stroh genug zum Streuen bekommen. Und wollte er den Viehstand nicht um ein Viertel vermehren (wie ich oben gezeigt habe, daß er wohl tun könnte), so würde er alles Haberstroh zum Streuen übrig behalten. Er hätte mithin also Streu im Überfluß. Alsdann könnte er sicher auch den Viehstand vermehren.

Welcher Nutzen würde daraus entstehen? Die Gebüsche würden solchergestalt befriedigt116 und mit wenig Mühe zu herrlichem Hochgewälde gezogen werden. Der Bauer würde seine eigene Brotfrucht ganz ziehen. Die Viehzucht würde nichts verlieren, sondern im Gegenteil noch gewinnen, usw. Was die angeborene träge Bequemlichkeit betrifft: da ist ihm nun nicht anders zu helfen, als daß man sie ihm läßt!


VII. Erreichbare Idealverhältnisse


Mir ist übrigens keine Einrichtung in der Welt bekannt, wo eine idealistisch-vollkommene Landwirtschaft so leicht einzuführen wäre, als eben im Bergischen Land. Man denke sich einzelne, rundum zusammenliegende Bauerngüter sowie herrliche, große, wohlbefriedigte, beisammen liegende Äcker, dazu noch mit Quellwasser reichlich versehene Wiesen und schließlich große Strecken Buschwerk. Was fehlt hier noch?

Nichts anderes, als daß man das Vieh den Sommer im Stalle halte und ihm das Gras des Feldes auf den Trog schütte. Ferner, daß man, so oft ein Fischteich abgelassen wird, den Schlamm rein ausfege und diesen auf das Land fahre. Dort muß er dick und eben ausgebreitet werden. Dann pflüge man um, dünge, pflüge wieder um und tue dies viermal. Der Schlamm kommt so wieder nach oben und der Mist nach unten. Daraufhin säe man Roggen.

Wenn man aber auf diese Weise nicht den dritten Teil der Äcker bedüngen kann (wie zum ersten Male nie geschehen wird), so kalke man das übrige. Der Kalk ist ja im Überfluß vorhanden. Wird dies getan, so weiß ich gewiß: man wird bald und in wenigen Jahren den Gipfel der Landwirtschaft erreicht haben.

Ich glaube doch wegen alledem: wenn sich einmal ein Mann fände, der auf diese Weise wirtschaftete, der würde Nachahmer genug finden!117


VIII. Vorteile der Stallfütterung


Schließlich darf ich behaupten, daß auch die erste Art der Gutsnutzung, nämlich Vieh fett zu weiden, durch die Stallfütterung weit einträglicher werden könnte.

Ich setze abermal fest, daß die Hälfte des Grases auf der Weide unbenutzt bleibt. Dieses kann man aber ganz benutzen, wenn das Vieh im Stalle bleibt. Man mäht das Gras ab, sobald es groß genug gewachsen ist. Noch einmal so viel Vieh könnte man also fett machen und folglich auch noch einmal so viel Dung bekommen. Mit diesem düngte man nun im Herbst die Weiden ganz gleichförmig. So würde man gewiß sehr am Grase und an der Fettigkeit des Bodens gewinnen, mithin auch das Mastvieh noch vermehren können.

 

E. Erfolgsbezogene Landwirtschaftslehre


Für diesmal schließe ich diese Abhandlung. Von Herzen wünsche ich, daß wir alle, die wir dem Landwirt die Mittel zur Glückseligkeit lehren wollen, bloß die Erfahrung118 zu Rate ziehen möchten. Wie vieles wird noch gesagt und geschrieben, das in der Ausführung hinkt! Ich gestehe gern, daß ich selbst diesen Fehler noch habe und vielleicht in dieser Abhandlung äußere. Aber meine tägliche Bemühung ist, ihn abzulegen.

Fehler sollen uns auf unseren Pfaden Wegweiser sein, auf denen geschrieben steht: „Diesen Abweg meide!“. Auf diese Weise werden wir endlich gewiß den rechten Weg finden. Geschichten119 sind die Lehrer der Menschen und seiner Taten Sprache. Wir ziehen überall das Edelste, das Beste heraus und machen ein herrliches Ganzes daraus. Auch das höchste Ideal der Landwirtschaft liegt unter den Bauern aller Länder zerstreut. Man beobachte alle, lese aus und baue zusammen: dann wird endlich das herrlichste landwirtschaftliche Lehrgebäude darstehen.


Abhängigkeiten des Wirtschaftens von der Siedlungsform120

 


A. Gestaltungsmuster von Siedlungsformen


Die Nahrungsart gesitteter Völker, welche das herumschweifende Leben abgelegt haben und sich fester stehender Gewerbe befleißigen,121 ist in Rücksicht des gesellschaftlichen Zusammenwohnens dreifach. Man hat Städte, Dörfer und Bauernhöfe. Im Grunde unterscheiden sich diese drei Arten nur in Ansehung der kleineren oder größeren Menge zusammenwohnender Glieder der Gesellschaft und in der Art ihrer bürgerlichen Verfassung. So bald der Bauernhof über sechs bis sieben Häuser hat, so fängt man schon an, ihn als Dörfchen zu betrachten.

Allein, der Unterschied zwischen Städten und Dörfern ist schon wesentlicher. Ein Dorf von dreihundert Häusern, mit Kirchen und Schulen versehen, ist darum noch keine Stadt. Dahingegen kann ein Ort von hundert Wohnungen122 und noch weniger eine Stadt sein. Was die Stadt vom Dorfe unterscheidet, ist bekannt. Jene ist mehr oder weniger Republik, Volksherrschaft, dahingegen der Dorfbewohner gewöhnlich unter seinem Beamten123 steht, ohne den mindesten Anteil an der Gesetzgebung zu haben.


I. Staatliche Einwirkung auf die Siedlungsform


Ich lasse mich hier auf die Frage nicht ein, welche bürgerliche Verfassung unter den dreien die angenehmste, die beste sei.124 Ich will nur untersuchen, inwiefern das Zusammenwohnen in einer Stadt oder in einem Dorf bzw. das einsame Leben auf einem Bauernhofe den sämtlichen Gewerben vorteilhaft oder schädlich sei.

Ist aber eine solche Untersuchung wichtig oder nützlich? Gesetzt, ich hätte bewiesen, die Städte seien dem Flore125 der Gewerbe und die Dörfer der Landwirtschaft schädlich. Würde man die Städte und Dörfer zertrennen, überhaupt die Sache ändern können? Ich antworte: hier und dort allerdings, aber nur nach und nach. Wo jedoch neue Landgüter oder neue Wohnungen angelegt werden sollen, da sind durchaus richtige Grundsätze nötig. Sie müssen bestimmen, in welche Art der Zusammenwohnung der neue Staatsbürger, Bauer, Handwerksmann oder Handelsmann zu setzen sei.

Der Ort, wo und wie jemand wohnt, hat einen mächtigen Einfluß nicht nur auf ein Menschenalter, sondern auf Jahrhunderte. Ferner ist ja nicht bloß die Glückseligkeit einer Familie126 auf eine so lange Zeit ins Auge zu fassen. Berücksichtigt werden muß auch der mehr oder weniger glückliche Einfluß dieser Familie auf die Haushaltungen, welche um sie herum sind. Denn je nach dem Verhältnisse der Kräfte wirkt ein solcher Einfluß merklich. Daraus folgt, daß von Seiten der Polizei127 auf diesen wichtigen Umstand genaue Rücksicht zu nehmen ist.

Indessen muß ich gestehen, daß mir sehr wenige oder seltene Fälle bekannt sind, wo die Obrigkeit den Wohnort einer neu angehenden Haushaltung bestimmen hilft. Es bleibt dem Bürger gewöhnlich anheim gestellt, dort zu wohnen, wo er es für gut findet. Das deucht mir aus vorhin angeregten Ursachen nicht staatswirtschaftlich gehandelt zu sein.


II. Frage nach dem Einfluß auf das Wirtschaften


Aus diesen Betrachtungen erhellet also der Zweck meiner gegenwärtigen Abhandlung. Ich will aus vielfältigen Beobachtungen untersuchen und bestimmen, unter welchen Umständen die Wohnung in Städten, Dörfern und Bauernhöfen nützlich oder schädlich sei. Daraus gedenke ich Schlüsse zu folgern, welche der Polizei zur Anleitung dienen können bei der Frage, wie sie sich bei der Gründung neuer oder der Versetzung alter Haushaltungen verhalten müsse.


B. Vorteile und Nachteile von Siedlungsformen


Der Bauernstand bewohnt und benutzt die Erdoberfläche des Staates. Sie ist unter seine Glieder ausgeteilt. Der eine besitzt einen größeren, der andere einen kleineren Teil derselben, je nachdem er ihn erworben oder ererbt hat.


I. Arten und Entstehung von Höfen und Dörfern


Dieses Besitzen und Benutzen geschieht auf eine dreifache Art. Entweder liegt ein solches Landgut rundum beisammen oder an einem Stück, so daß die Wohnung des Besitzers mitten inne ganz allein liegt – und das ist ein eigentlicher Bauernhof. Oder der Vater verteilt dieses Gut unter seine Kinder und erlaubt ihnen, neben der väterlichen Wohnung Häuser zu bauen. So entsteht der erste Begriff128 eines Dorfes.

Viele sind auch wohl so entstanden, wenngleich es auch andere Ursachen zur Entstehung der Dörfer geben konnte. Bei Bevölkerung129 wüster Landstrecken z. B. können die Kolonisten gleich anfangs zusammen bauen und Dörfer anlegen oder das Land in Landgüter abteilen. Ein jeder läßt sich dann auf dem Seinigen häuslich nieder. Einer der ehemaligen nassau-siegenschen Fürsten, unter dessen Regierungsantritt das Land noch in einzelne Bauernhöfe zerteilt war, verordnete, daß sich die Bauern allmählich in Dörfer zusammenziehen sollten – wie es denn auch wirklich geschehen ist.130 Solchergestalt entstehen also Dörfer und Bauernhöfe.


II. Herausbildung verschiedener Hof-Formen


Allein, in beiderlei Wohnungsart gibt es – wie bereits oben gesagt – eine dreifache Verschiedenheit. Im ersten Fall besitzt der Bauer rund um sein Haus her sein Gut in einem Stück beisammen. Im zweiten Fall liegt es in einzelnen Lappen zwischen anderen zerstreut. Das heißt, der Dorfbauer hat es außerhalb des Dorfes an zwei, drei bis vier großen Stücken liegen. Dies ist durchgehends so im Herzogtum Berg131 und in Westfalen.132 Im dritten Fall sind die Dorfmarken in unzählbare kleine, schmale Streifen mit Gärten, Äcker, Wiesen und Gebüsche zerschnitten.

Woher mag wohl diese dreifache Art, ein Landgut zu besitzen, entstanden sein? Mir scheint die Beantwortung dieser Frage ganz leicht zu sein. Der erste Eigentümer eines Landguts, der es urbar macht, trachtet natürlicher Weise danach, dasselbe so nahe beisammen zu haben, als dies möglich ist. So denkt sowohl der einsame Hofbauer als auch der Kolonist, der ein Dorf anlegen hilft. Jeder sucht so viel als möglich das Seinige in einem Stücke zu besitzen.


1. Folge der Erbteilungen


Nun aber komme ich auf den Entscheidungspunkt. Wenn der Bauer Kinder hat, und wenn noch kein Gesetz wegen der Art des Besitzes der Bauerngüter133 vorhanden ist: was geschieht dann? In Ermangelung blühender Manufakturen und Handwerker, welche die übrigen Söhne (wenn mehr als einer da ist) erlernen und sich damit nähren können, sind alle Kinder gleich nahe zum väterlichem Erbe, dem Landgut. Jeder muß eine Nahrungsquelle134 haben. Sie teilen also das Landgut in so viele Teile, als Erben vorhanden sind. Jeder baut sich ein Haus nahe dem väterlichen.

Auf diese Weise entstehen Dörfer und mit ihnen die Zersplitterung der Güter. Denn man bedenke nur: wenn dieses Häuserbauen und Zerteilen der Güter ein paar Jahrhunderte durch von Geschlecht zu Geschlecht fortdauert, so müssen am Ende schmale Streifen Landes entstehen, die nicht mehr nützlich teilbar sind.

 


2. Folgen der Unteilbarkeits-Vorschriften

Im Falle aber, daß landesherrliche Verordnungen Geltung haben, wonach der Besitzer seine Güter nicht unter seine Kinder verteilen darf (wie solches hin und wieder in Westfalen eingeführt ist), so bleibt die landwirtschaftliche Verfassung eines Landes im Zustand einzelner Bauernhöfe. Die Landgüter haben noch ihre alte Größe. Der Erstgeborene oder Erbe besitzt den Hof. Seinen Geschwistern gibt er ihren Anteil in Geld heraus.

Dieser Anteil ist nun aber in aller Regel nicht groß genug, daß sich davon ein Mensch nähren könne. Wo es daher an Fabriken und Handlung fehlt, da müssen solche Kinder notwendig auswandern. Ausgenommen sind die wenigen, die entweder Schmiede, oder Schuster, oder Schneider, oder Schreiner und dergleichen werden. Sie verfertigen jenen Gutsbesitzern ihre wenigen Notwendigkeiten.135

Diese wenigen armseligen Handwerksleute ziehen sich allmählich zur Kirche.136 Sie bauen sich daselbst nebst ein paar Bauern, Bier- und Branntweinwirten an. Also nähren sie sich ärmlich vom sonn- und feiertäglichen Zusammenfluß der zerstreuten Bauernfamilien.


III. Absatz als Kernpunkt auch der Landwirtschaft

Aber diese Bauern sind auf ihren großen Gütern nichts weniger als glücklich! Zwar besitzen sie eine große Weitläufigkeit137 und freuen sich auch über ihr großes Gut. Das geschieht aber ganz ohne Grund.

Man stelle sich nur einen solchen Bauern vor in einem Lande, wo wegen Mangel an Abnehmern alles äußerst wohlfeil ist. Der Bauer kann jetzt seinen Überfluß zum Teil gar nicht oder doch nur um den halben Preis verkaufen. Mir sind Siegerländer bekannt, die in die Grafschaft Mark138 zogen. Dort kauften sie sich sehr wohlfeil große Güter. Mit welcher Hoffnung zogen sie dahin! Wie selig wurden sie von ihren zurückbleibenden Nachbarn gepriesen und beneidet! Denn der Siegerländer nährt sich auf seinem kleinen Plätzchen und ist der beste Landwirt. Daher schlossen die Leute: können wir uns hier auf einem kleinen Gütchen nähren, wie reich müssen wir dann auf jenem großen werden, wenn wir den nämlichen Fleiß verwenden.

Aber weit gefehlt! Die guten Leute zogen dahin, fingen siegerländisch an und endeten märkisch. Denn das erste Jahr säten und pflanzten sie, so viel sie konnten. Wie freuten sie sich über ihren Vorrat!139 Aber nun: verzehren konnten und wollten sie nicht alles, sondern verkaufen und Geld lösen. Da aber fehlte es! Was verderblich war, verdarb. Das andere blieb liegen, und das Wenigste wurde verkauft. Folglich war viele Mühe ohne Nutzen angewandt.

Das nächste Jahr produzierte man weniger, hernach noch weniger. Endlich kam man auf märkischen Fuß.140 Nun sah man bei ihnen ebenfalls auf weiten Strecken hier einen schmalen Streifen Rüben, da ein Stück Haber und dort ein Stück Kartoffeln.141 Wenigstens drei Viertel des Gutes lagen an einem dürren Rasen brach, worauf vierzehn bis fünfzehn magere Kühe herumnagten.

Es ist eine unüberwindliche Wahrheit: alle Bemühungen zur Aufnahme142 der Landwirtschaft sind von sehr wenigem Nutzen, wenn es an Abnehmern des landwirtschaftlichen Überflusses fehlt, nämlich an Handwerksleuten.143 Da helfen Prämien auf Kleebau und Stallfütterung144 unaussprechlich wenig!


IV. Kleinstgüter als Wohlstandszellen?

 

 

„Ja, das glaube ich!“, höre ich dort einen würdigen gelehrten Ökonomen145 sagen. „Man sollte da die Güter verteilen. Dadurch würde das Land bevölkert und besser bebaut. Jeder könnte nun seine kleineren Stücke gründlicher bearbeiten. Dann noch Prämien auf Kleebau und Stallfütterung gesetzt sowie alle Freiheit im Handel und Wandel gegeben: bald wird das Land blühend werden.“ Diesen Vorschlag wollen wir mit dem Lichte der Erfahrung beleuchten.

 


1. Muster einer kleingeteilten Landwirtschaft


Wir haben Länder, wo die Güter teilbar sind. Dies ist die zweite Art der Dorfentstehung, wie ich schon oben gesagt habe. Aber der Erfolg dieser Methode ist am Ende noch lange nicht der vorteilhafteste.

Gesetzt, der erste Eigentümer hat ein Gut von hundert Morgen.146 Nun will ich den geringsten Grad der Teilung annehmen: Es soll bei jeder Vererbung nur zur Hälfte geteilt werden. Dies soll nun alle vierzig Jahre geschehen. Es wird also nach 40 Jahren ein Besitzer fünfzig Morgen haben, nach 80 Jahren einer nur noch fünfundzwanzig Morgen und nach 120 Jahren zwölfeinhalb Morgen. Ich will es noch einmal teilen. Der Bauer hat so nur sechseinviertel Morgen.

Diese Zersplitterung ist ungemein beträchtlich. Freilich hat das Land nun sechzehnmal mehr Bauern als vorher. Da möchte man wohl meinen, das sei ja der höchste Grad an Bevölkerung, der nur möglich wäre?

Oh, bei weitem nicht! Denn bei dieser Zersplitterung sieht man noch lange nicht die Berge bis an die Spitzen in Terrassen blühen, wie in China und Japan. Das verhindern die Gemeinweiden und das Forstregal.147

Gesetzt auch, man schaffe beides ab. Man trachte auch noch die Berghöhen zum Ackerbau zu verwenden. Das aber bleibt ein leeres Projekt. Denn diese Gegenden sind von den Dörfern zum Bauen und Pflanzen zu weit entlegen. Sie erfordern zu viel Ackeraufwand148 und werfen daher keinen Nutzen ab. Dies geschieht erst dann, wenn Handlung und Fabriken den Wert der Nahrungsmittel so erhöht haben, daß man Erde auch auf Felsen schleppt und dorthin den Dünger auf dem Rücken trägt. Kann man sich nun doch vom Verkauf des Gemüses gut ernähren. Fabriken und Handlung aber entstehen auch nicht allein dadurch, daß man sie freigibt.149 Es gehört weit mehr dazu.

Hieraus ist klar, daß zwar die Zerteilung der Güter die Bevölkerung um etliche male vervielfältigen kann. Aber sie vermag noch lange nicht auf den gehörigen Standpunkt der Staatsglückseligkeit150 zu führen, bei dem es dem Fürsten und dem Untertan auch wohl ist. Wenn ich nicht gelehrte Neckereien befürchtete, so könnte ich das alles mit den treffendsten Erfahrungen beweisen.

 

 


2. Mühsal auf kleingeteilten Gütern

Ist nun aber der Bauer bei dieser Zersplitterung auch wohlhabend? Ist er glücklich?151 Keineswegs! Mit Mühe und Kummer baut er sein kleines Gütchen, das noch dazu in kleinen Läppchen durch die ganze Gemarkung zerstreut liegt. Das Ausfahren des Düngers (manchmal noch über weite Umwege), das Ackern und Eggen in der Ferne umher, das Gehen hin und wieder, das Einfahren des Getreides, Heues und Grummets152 usw. raubt ihm den dritten Teil der Zeit. Geschweige, daß er nichts zu Geld machen kann und daher auch aller Vorteile des Verkaufs entbehren muß.

Wenn er dann auch endlich sein Brot erwirbt und so viel aus seinem Blute herausschwitzt, daß er (wie er sagt) die Obrigkeit vom Leibe halten kann:153 Woher nimmt er dann am Ende Kleider, Schuhe und andere Notwendigkeiten, die er nicht produziert?

Ich schließe daher mit Grund, daß weder zu große noch zu kleine Güter nützlich sind. Man kann diesen Satz lächerlich finden, weil ihn jedes Kind weiß. Aber was unmittelbar daraus folgt, das weiß das Kind nicht. Dies nämlich ist die Frage nach dem Maßstab der Größe der Güter. Wie groß sollen die Gesetze die Güter bestimmen? Wir wollen es unten finden.


V. Kleine Dörfer mit großen Bauernhöfen

Da nun die ganz einzelnen Bauernhöfe daher entstanden sind, weil die Güter nach den Landesgesetzen unteilbar waren, dieser Zustand aber der landwirtschaftlichen Bevölkerung ganz und gar im Wege steht, so sind jene Gesetze durchaus schädlich. Aber man übereile sich hier nicht! Ich werde an seinem Ort auch der Zersplitterung ihre Grenzen setzen.

Dieser Erkenntnis scheint aber eine andere zu widersprechen. Im Bergischen finden wir durchgehends einzelne Bauernhöfe von einem bis sechs Häuser. Jeder dieser Bauern hat seine großen Grundstücke an Äckern, Wiesen und Gärten mehrenteils mit Hecken und Gräben befriedigt.154 Er benutzt sie, wie er will. Er ist durch keinen Zwang, keine Bracheinrichtungen,155 keine Triften156 und keine Hutgerechtigkeiten157 eingeschränkt. Er schaltet auf seinen Gütern in größter Freiheit, allein von seinem Belieben bestimmt.

Dort läßt sich also die Landwirtschaft ohne Schwierigkeiten zum höchsten Flore bringen. Hieraus ist auch klar, daß doch die Einrichtung der landwirtschaftlichen Wohnungen158 in Bauernhöfen die beste sei. Denn in großen Dörfern und bei sehr zersplitterten Gütern ist eine gründliche Verbesserung sehr schwer.

Man wende mir die großen reichen Dörfer der Pfalz und anderer benachbarter Länder nicht ein. Denn hier ersetzt die übermäßige Fruchtbarkeit jene Fehler.159 Weit glücklicher wären aber doch diese paradiesischen Gegenden, wenn die Landwirte mehr über die Güter zerstreut wohnten.

Da also die ganz einzelnen Bauernhöfe eben so wenig nützen als die allzu zersplitterten Landgüter oder große Dörfer, so folgt daraus, daß weder diese noch jene landwirtschaftliche Wohnungsart die glücklichste sei. Das ist nur das Mittel zwischen beiden, nämlich wenn die Landwirte in einzelnen Gruppen von einer bis höchstens zehn Wohnungen durch das Land verteilt sind.

Man stelle sich eine Dorfmark vor, die oft eine ganze Stunde160 und noch mehr im Durchschnitt hat, und wo fünfzig Bauern in der Mitte beisammen wohnen, die alle nur möglichen Unbequemlichkeiten bei ihrem Ackerbau finden müssen. Dazu kommt dann noch die Gemeinweide, die in diesem Falle äußerst schwer abzuschaffen ist aus Ursachen, die hier nicht erörtert werden können.161

Würden aber diese fünfzig Bauern auf der Gemarkung in zehn Gruppen zerstreut liegen, deren jede ihr Gut rund um sich her liegen hätte, so wäre jede Verbesserung der Landwirtschaft leicht. Jeder würde sich ungemein bequem ernähren können. Von dem Nutzen, den diese Wohnungsart in Ansehung der Feuersbrünste, des Nachbarfriedens und anderer Glücksumstände hat, will ich nichts sagen. Dies also wäre die vollkommenste Wohnungsart des Landwirts.

In einem Lande, wo noch lauter einzelne große Bauernhöfe sind, da hebe man nur das Gesetz gegen das Güterteilen auf. Es wird dann nach einem halben Jahrhundert um die Bevölkerung und um den Flor der Landwirtschaft schon weit besser aussehen. Man durchreise die Grafschaft Mark, so findet man das Erste und im angrenzenden Bergischen das Zweite.

 


VI. Kirchen als Anreiz neuer Siedlungen

Sollten es dann ordentliche Dörfer in keinem Falle mehr geben? Allerdings!

Dörfer sind Pflanzschulen neuer Städte. Beide Arten mit Weisheit und Nachdenken angelegt, sind dem Staate sehr nützlich. Gesetzt, es wird eine neue Gemeinde errichtet und eine neue Kirche gebaut. Hier sieht man gemeiniglich auf die Mitte des Kirchsprengels.162 Daselbst legt man die Kirche an, damit die entfernteren Glieder der Gemeinde gleichweit zu gehen haben mögen. Allein, damit soll sich die Polizei163 ja nicht begnügen. Sie muß mehrere Rücksicht auf das zukünftige Dorf nehmen, welches sich bei der Kirche anbauen wird. Bloß die unwirtschaftliche Anlage der Kirche ist schuld, wenn bei derselben kein Dorf entsteht.


1. Kirche läßt Siedlung entstehen

Mir fällt hier ein Beispiel ein, welches die Sache hinlänglich erörtert. Das Tal, in welchem die berühmte Handelsstadt Elberfeld im Herzogtum Berg164 liegt, heißt Barmen.165 Dieses Tal ist zwei Stunden lang, sehr anmutig und fruchtbar. Es wird von dem kleinen Wupperflusse166 durchströmt. Nordöstlich stößt es an das königlich preußische Goamt Schwelm, welches von einem Gografen verwaltet wird.167 Unten am Ende liegt südwestlich Elberfeld.

Von da an ist das ganze Tal bis an die märkische Grenze an beiden Seiten bis an die Berge hinauf mit Gruppen von Bauernhöfen bewohnt. Mitten durch das Tal geht eine Land- und Heerstraße,168 welche aus dem Inneren von Westfalen, aus dem Nassauischen und Hessischen sowie von Leipzig und Braunschweig herkommt. Sie wird wegen dem starken Handel und der Nähe von Düsseldorf sehr stark bereist und befahren.

Oberhalb Elberfelds, das Tal hinauf, liegen außer obgedachten Gruppen von Bauernhöfen einzeln zerstreut viele abgeschiedene Kaufmanns- und Bleicherhäuser.169 Dreiviertel Stunden hinauf, also in der Mitte des Tales, hat sich ein unvergleichlich regelmäßiges, sehr schönes Dorf gebildet. Es heißt zur Gemark.170 Bewohnt wird es von reichen Kaufleuten, Handwerksleuten und Krämern. Hier steht die reformierte Kirche an der Straße. Durch diese Kirche ist nun das Dorf entstanden.

Die Gemark ist also das junge Elberfeld. Hätte man keine Kirche da gebaut, so hätten sich die Kaufleute gewiß nach Elberfeld gezogen, dort wo die alte Pfarrkirche war. Dann hätten sie zuverlässig nicht alle jene Bequemlichkeiten und Vorteile gehabt, die sie jetzt genießen.


2. Neue Kirche bewirkt keinen Zuwachs

Ein gegenteiliges Beispiel ist folgendes. Nach und nach vermehrten sich auch die Lutherischen.171 Nun verlangten sie eine Kirche. Ein Zufall hinderte sie, die selbe nach der Gemarke zu bauen. Es war in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.172 Ein Korps Schweden173 lag in der Gegend in den Winterquartieren. Der Stab desselben quartierte auf einem aus etlichen Wohnungen bestehenden Bauerhofe namens Wichlinghausen.174 Dieser liegt am oberen Ende des Tales, nordwärts von der Straße ab hinter einem Hügel. Daselbst predigte der schwedische Feldprediger. Die lutherischen Einwohner, welche sonst außer Landes zu Schwelm175 eingepfarrt waren, gingen nun nach Wichlinghausen mit den Soldaten in eine Scheuer zum Gottesdienste.

Als nun die Schweden fort waren, so empfanden die Lutheraner die Entfernung der Schwelmer Kirche noch schwerer. Sie supplizierten176 also um den Bau einer neuen Kirche zu Wichlinghausen. Ihre Bitte wurde ihnen gewährt, und dort steht die Kirche noch. Dem ungeachtet hat das Dorf seit der Zeit nicht zugenommen, was das Wachstum der Bevölkerung betrifft. Noch immer ist es ein einsames Bauerndörfchen.


3. Neue Kirche zieht Bevölkerung an

Endlich entschlossen sich die lutherischen Kaufleute in Oberbarmen, eine Kirche mitten zwischen der märkischen Grenze und dem Dorf Gemarke an die Straße auf ein Feld zu bauen. Dort stand nur ein einzelnes Wirtshaus am Wege. Sie fanden vielen Widerstand von Seiten des Dorfes Wichlinghausen, setzten aber ihre Sache durch.

Unser gnädiger Kurfürst177 erteilte ihnen im Jahre 1776 oder 1777 die Erlaubnis dazu. Im Herbst 1778, ehe ich nach Lautern zog,178 waren schon regelmäßige Straßen um den Kirchplatz ausgezeichnet. Die Kirche stieg empor; fünf bis sechs Häuser waren schon aufgeschlagen und zu mehr als dreißig der Hausplatz bestimmt. Dies macht die Straße, der Wupperfluß und mit ihm die Bequemlichkeit zum Bleichen.


4. Grundsätze zum Standort neuer Kirchen

Dieser Beispiele könnte ich noch mehrere anführen, wenn die Sache nicht an und für sich selbst einleuchtend wäre. Die Anlage der neuen Kirchen soll daher an den Landstraßen und wo möglich auch zugleich an starken Bächen geschehen, weil diese zu mancherlei Manufakturanstalten behilflich und brauchbar sind. Bei solchen Kirchen ziehen sich Wirte, Handwerksleute und Krämer zusammen, welche dort ihre Nahrung suchen. Mit einzurechnen sind ferner die Kirchen- und Schulbedienten, die auch ein paar brave Haushaltungen ausmachen.

Kommt nun die unterstützende Hand der Obrigkeit dazu: werden Manufakturen und Fabriken dahin gelockt, besonders solche, welche sich nicht wohl in Städte schicken, so werden diese Dörfer blühend. Ihr Flor treibt die ganze Landwirtschaft des Kirchspiels empor. Denn die vielen Handwerksleute brauchen Brot, Milch, Butter, Käse und Obst, selbst wenn sie sich auch Gemüse in eigenen Gärten erziehen.


VII. Bedingungen für den Aufstieg von Dörfern

Dies ist die wahre, eigentliche Bestimmung der Dörfer: Je mehr die Gewerbe steigen, desto stärker und blühender werden sie. So können nach und nach herrliche Landstädte daraus werden. Man kann die treffendsten Muster davon im Bergischen sehen an Elberfeld, Gemarke, Barmen, Ronsdorf, Remscheid, Solingen, Cronenberg, Lennep und Hückeswagen.179

Ich schließe also, wie mir deucht mit vollem Recht, daß zum landwirtschaftlichen Gewerbe zerstreute Gruppen von Bauernwohnungen am bequemsten sind. Zu Landmanufakturen aber, die sich in große Städte nicht schicken, sind Dörfer oder kleine Landstädte am geeignetsten. Gleichwohl findet man im Bergischen auch die fabrizierenden Kaufleute zerstreut auf dem Lande umher. Dennoch ist dabei ihre Handlung die blühendste; davon aber weiter unten.


VIII. Vorzüge der Dörfer mit zerstreuten großen Höfen

Oben sprach ich von Landmanufakturen. Darunter verstehe ich Kunstgewerbe,180 die entweder große Wassermaschinen181 oder geraume Gebäude und Plätze oder einen schweren Transport der Zufuhr bzw. Abfuhr oder endlich das beständige aufmerksame Auge des fabrizierenden Kaufmanns erfordern. Solche Gewerbe schicken sich am besten auf das Land im Freien. Dort aber, so glaube ich, sei es abermals am vorteilhaftesten, wenn man in solchen Dörfern beim Bau der Häuser nicht so sehr auf die Regelmäßigkeit der Straßen sieht, als vielmehr auf die Bequemlichkeit des Kommerziums.182

Schiffbare Flüsse sind ebenfalls gute Gelegenheiten zur Anlage kommerzierender Dörfer. Dies gilt insbesondere da, wo Landstraßen nahe ans Ufer kommen oder gar darauf anstoßen.

Auf diese Weise wird also die Erdoberfläche überall urbar und fruchtbar gemacht. Denn da sich die Bauern durch die Gemarkung verteilt haben, so wirkt jeder Hofbauer um sich her. Er kann seinen Bauernhof, seine Gärten, seine Miststätte usw. so groß anlegen, wie er will. Im Dorfe kann er das nicht.

Die von den Dörfern fern gelegenen Ackerstücke können nicht gehörig benutzt werden. Sie liegen die mehrste Zeit brach oder fallen endlich der Gemeinweide anheim. Bei zerstreuten Bauernhöfen aber ist dies nie der Fall. Endlich ist auch bei den Dörfern die Aufhebung der Gemeinweiden, die Einführung des Kleebaus und der Stallfütterung sehr schwer, hingegen bei den Höfen sehr leicht.


IX. Maßnahmen zur Lenkung großer landwirtschaftlicher Betriebe

Hier komme ich nun auf jenen Hauptpunkt, dessen ich gleich im Anfange Erwähnung tat. Wenn der Regent das Gesetz von der Unteilbarkeit der Güter aufhebt, hernach aber diese Freiheit eine allzu große Zersplitterung der Bauerngüter nach sich zieht: was soll er da machen? Oder noch besser: Welches ist der Maßstab, nach welchem man die Größe der Bauerngüter bemessen kann?


1. Einklang von Produktion und Absatz

Der Wohlstand eines Bauern hängt nicht so sehr von der Größe seines Gutes ab, sondern vielmehr von der Fruchtbarkeit desselben. Denn ich getraue mir zu behaupten, daß ein mageres, ödes, unfruchtbares Bauerngut von fünfzig Morgen183 eine Familie nicht um ein Haar besser nährt als ein Gütchen von fünf Morgen, das aber den höchsten Grad der Fruchtbarkeit durch die beste Kultur184 erreicht hat und nach den besten Regeln der Landwirtschaft behandelt werden muß. Ich unterstelle hierbei aber, daß jenes erste große Gut nach dem Bauern-Schlendrian – das ist: heimlich schlecht, obgleich nicht nachlässig – verwaltet wird.185

Aber auch die höchste Kultur der Güter und die größte Bemühung der Landesregierung, die besten Regeln der Landwirtschaft zu lehren, ja selbst Prämien sind nicht im Stande, dieses Gewerbe in Aufnahme zu bringen.186 Erst müssen die Manufakturen Abnehmer genug verschaffen: danach helfen jene landesväterlichen Anstalten.187 Ja, ich getraue mir zu beweisen, daß sich der Grad der Fruchtbarkeit der Landgüter oder der Flor der Landwirtschaft gerade so verhalte, wie die Zahl der Abnehmer oder wie der Flor der Manufakturen.188

Man muß hier aber immer meinen Gesichtspunkt im Auge behalten! Dieser bezieht sich bloß auf mittelmäßig fruchtbare Länder, wie die mehrsten sind. Nicht gemeint sind eigentliche Fruchtländer, wo die Erde allen Überfluß gibt.189 Hier handelt der Landwirt selbst mit überflüssigen Produkten außer Landes und im Lande. Er kann dadurch reich und glücklich werden. Es sind darum die Manufakturen zur Aufnahme der Landwirtschaft weniger nötig. Abermal gefehlt ist, wenn die Regierung in solchen Fällen enthusiastisch auf Manufakturen drängt, ehe die Bevölkerung über die Grenzen der Landwirtschaft gestiegen ist.


2. Errichtung eines verarbeitenden Gewerbes

In diesen Wahrheiten liegt die Auflösung obiger wichtiger Fragen nach dem Maßstab für die Größe von Bauerngütern. Sobald ein Regent merkt, daß die Bauerngüter anfangen zu klein zu werden, so untersucht er, woher das komme. Da wird er allezeit finden, daß es an anderen Beschäftigungen fehle. Denn würde der Bauer für seinen zweiten Sohn ein einträglicheres Gewerbe wissen als die Hälfte seines Gutes, so teilte er es nicht. Vielmehr verhülfe er ihm zu einem solchen Gewerbe. Das ist sonnenklar.

An einem Ort blüht zum Beispiel eine Wollmanufaktur. Alle Leute, die sich damit beschäftigen, nähren sich recht gut und bequem. Die Löhne sind hoch. Nun ist in der Nachbarschaft ein Bauer mit einem Gut von zwölf Morgen, der zwei Söhne hat. Er denkt nach, was er mit seinen zwei Söhnen anfangen will. Nichts ist gewisser, als daß sein erster Gedanke ist: der älteste Sohn soll das Gut haben, der zweite aber das Wollenhandwerk lernen. So können sie beide leben.

Mithin folgt aus dieser richtigen Bemerkung, daß der Fürst wohlhabende Untertanen durch allerhand Mittel nur aufmuntern und anführen müsse, Fabriken und Manufakturen anzulegen. Dies sollte so geschehen, wie bei Colbert in Frankreich190 und bei Elisabeth in England.191 Anzulegen sind danach solche Gewerbe, die sich auf inländische rohe Landprodukte gründen, sie mögen nun wirklich erzogen werden oder aber noch erzogen werden können.


3. Ende der Güterzersplitterung

Sobald die Gewerbe in Aufnahme geraten sind, ziehen sie auch Menschen an. Wo sollen diese aber anders herkommen als aus der Stammquelle, der Landbevölkerung,192 das ist: aus dem Bauernstande? Denn Ausländer kommen hier nicht in Anschlag. Solchergestalt hört das Verteilen der Bauerngüter nach und nach auf. Dies ist das wahre Mittel, um die Zersplitterung zu verhindern!

Würde man aber statt dessen wiederum das Gesetz der Erstgeburt und der Unteilbarkeit der Güter einführen wollen, so wäre die traurige Folge, daß nunmehr die fernere Bevölkerung ganz aufhört. Wenn die Güter nicht mehr geteilt werden können, geht man forthin außer Landes.


X. Übervölkerung und Kleingüter

Ein gewisser scharfsinniger Freund193 sagte mir einmal, ein Land sei ja übermäßig bevölkert, wenn die Güter zu klein geteilt wären. Dann sei eine fernere Vermehrung der Bevölkerung mit Nutzen nicht mehr möglich. Diesen Einwurf könnten mir mehrere machen. Ich will mich näher darüber erklären.

In einem Fruchtland, welches eben ist, da würde freilich die Volksmenge ungemein stark sein, wenn alle Güter so klein geteilt wären, als möglich ist, um sich eben noch nähren zu können. Allein, noch immer könnte auch da die Bevölkerung noch einmal so groß werden. Es müßten nur Manufakturen dazu kommen, die den Überfluß der Bauern im Lande selbst verzehrten, der sonst außer Landes ginge.

Hier muß ich also einen wichtigen Folgesatz einrücken, der ganz gewiß ist. Niemalen gedeihen Manufakturen in den Fruchtländern recht zum Segen des Staates, bis die Bauerngüter so klein geteilt sind, daß der Bauernstand müßige Leute genug an jene Manufakturen abgeben kann. In solchen Ländern geht also der Weg der Bevölkerung erst durch die Zerteilung der Bauerngüter und dann zu den Manufakturen über.

In mittelmäßig fruchtbaren oder unfruchtbaren Ländern aber, wo der Ackeraufwand194 stärker ist, da muß der Bauer erst Geld haben, um sein Gut in Flor zu setzen. Hier sind also von Anfang Manufakturen nötig, um es ihm zu verschaffen – oder das Land bleibt in allen Ständen arm.


XI. Maßstab für die landwirtschaftliche Betriebsgröße

Wo aber ist denn nun der Maßstab, der die Größe der Bauerngüter bestimmt? Ich antworte: der kann in keinem Fall durch Gesetz bestimmt werden. Denn bei dieser Sache treffen gar viele Umstände zusammen, die eine solche Bestimmung ganz unmöglich machen.

Gesetzt, es würde befohlen, kein Gut dürfe unter zehn Morgen groß sein. Würden da nicht hundert Bauern arm werden, die entweder faul sind, oder die gewohnt sind, etwas mehr Aufwand zu machen,195 oder die sehr schlechte Güter haben? Anderen aber, deren Land sehr fruchtbar ist oder die fleißig und wirtschaftlich arbeiten, wäre es noch groß genug, um es noch einmal zu zerteilen.


1. Vielzahl von verarbeitenden Betrieben

Jener Maßstab findet sich unter einer weisen und aufmerksamen Regierung so genau von selber, daß gar keine gesetzliche Bestimmung nötig ist.

Sobald aber der Manufakturen zu viele werden, so werden die Löhne geringer.196 Die Menschen verdienen also weniger. Dazu machen sie aber auch die Abnehmer aus, die den Bauern ihre Produkte abkaufen. Je mehr also Manufakturanten sind, je geringer sind die Löhne und desto teurer die Nahrungsmittel.197 Steigen nun letztere so hoch oder fallen jene Löhne so, daß nun der Manufakturant nicht mehr bestehen kann,198 so läßt der Bauer von selbst seine Söhne wieder Landwirte werden. Auf diese Weise werden also nach und nach der Bauern mehr und der Abnehmer weniger.


2. Gleichgewichtskräfte

Ist hernach bei den Manufakturen wieder mehr zu verdienen, so zieht sich auch die Bevölkerung wieder dahin. Mit einem Worte: die Landwirtschaft und Stadtwirtschaft199 sind zwei Kräfte, deren Wirkungen sich immer von selbst in dem glücklichen Gleichgewichte halten, wenn nur der Fürst vernünftig das Ruder zu führen weiß, damit keiner ausschweife.


C. Gewerbepolitische Maßnahmen

 


I. Gesetzes-Minimum als leitender Grundsatz

Es ist eine himmlische Wahrheit und – wolle Gott! – man kennte ihre Vortrefflichkeit ganz:

Selig und herrlich ist der Regent, der mit den wenigsten Gesetzen sein Land so glücklich macht, als es werden kann!

Wo die wenigsten Gesetze sind, da ist die größte Freiheit.200 Wo aber die größte Freiheit ist, da leben und gedeihen die Menschen am liebsten.

Leiten nun einige wenige Gesetze, oder leiten die weiten Schranken dieser Freiheit den Menschen und Staatsbürger zu seiner wahren Glückseligkeit,201 so ist keine glücklichere Regierung zu denken. Hieraus folgt, daß die weisesten Gesetze diejenigen sind, welche den ersten Schritten des menschlichen Geschlechtes gleich anfangs jene Richtung geben, die es von Natur gern geht, und die es doch zugleich zu seiner wahren Glückseligkeit führt.


II. Regelung des Verhältnisses von Landwirtschaft zu Industrie

Nun wird jeder leicht begreifen, daß beim besten Verhältnis beider Hauptgewerbe zueinander, erstens, die einzelnen wüsten Bauernhöfe sich nach und nach in kleine Siedlungen, das ist: in Gruppen verwandeln und, zweitens, eigentliche große Dörfer zugleich mehr stadtwirtschaftlich als landwirtschaftlich werden müssen. Obiges beste Verhältnis beider Hauptgewerbe aber zu bewerkstelligen, das ist die größte Kunst der Regierung.


1. Gewerbeförderung im Falle zersplitterter Güter

Im Falle aber, wo ein Land aus großen landwirtschaftlichen Dörfern wirklich besteht, und wo die Güter bereits so zersplittert sind, daß die fernere wohltätige und beschäftigte Bevölkerung aufhören muß: was ist da zu machen?

Auch diese Frage kann ich aus der Erfahrung beantworten. Aus meinen vorhergehenden Abhandlungen202 erhellt, daß dieser Zustand im Fürstentum Nassau-Siegen einigermaßen obwaltet. Die Güter sind sehr zersplittert. Die Fabriken sind aber noch nicht so sehr vervielfältigt, daß sich ein beträchtlicher Teil des Bauernstandes damit nähren könne.

In diesem Falle ist der beste Rat, wenn sich hin und wieder reiche Männer finden, welche die Handlung203 verstehen, daß sie überall Fabriken anlegen. Da soll sie nun die Regierung aufmuntern, daß sie nicht in oder nahe bei den Dörfern bauen, sondern an die von den Dörfern entfernteren Örter. Dies ist auch zum eigenen Nutzen der Fabrikanten. Denn bei den Dörfern sind die Grundstücke sehr teuer. Die Anlage einer Mühle, eines Hammers, eines Bleichplatzes usw. ist da am kostbarsten.204 Dort jedoch sind die Gründe wohlfeil. Allerdings müssen solche Plätze zum Transport und zum Bau der Fabrik günstig gelegen sein.


2. Ballungskräfte an neuen Fabrikhöfen

Der Erfolg davon ist dieser. Wenn dort in der Einsamkeit oder Wüstenei die Fabrik angelegt ist und der Fabrikant sein Haus dabei setzt205 (denn dieses ist wesentlich nötig, um immerfort die Arbeiter im Auge zu haben), so ziehen sich dann nach und nach mehrere Leute dahin. Die Fabrikarbeiter bauen sich dort auch an, oder der Fabrikant baut jetzt ein Häuschen – übers Jahr wieder – und gibt es den Arbeitsleuten in Pachtung. Er selbst führt zum Teil eine landwirtschaftliche Haushaltung.206 Denn um ihn her sind die Grundstücke sehr wohlfeil, weil vom Dorfe entfernt. Er kauft sie zusammen, und mit seinem Gelde macht er sie blühend.207

Seine Arbeiter legen Gärten, Rüben- und Grundbirnstücke an, usw. Nach und nach ziehen sich Leute nach solchen Fabriken hin. Die Dörfer nehmen ab und solche Fabrikhöfe zu. Auf diese Weise kommt man, wenn es recht und gut geht, in hundert Jahren der Vollkommenheit schon beträchtlich näher.


3. Beispiel von Solingen, Cronenberg und Remscheid

Das, was ich da der Länge nach gesagt habe, ist nichts weniger als ein leeres Projekt! Es ist reine, klare Wahrheit, die von der Natur selbst kopiert ist. Im Bergischen sind die drei Kirchspiele208 Solingen, Cronenberg und Remscheid. Diese will ich beschreiben; dann wird die Wahrheit jedem in die Augen leuchten.

a. Solingen

Wie bekannt, hat Solingen eine sehr berühmte Schwert- und Waffenfabrik.209 Die Stadt liegt auf einer Höhe. Das ganze Kirchspiel besteht aus lauter Bauernhöfen oder – wie ich mich oben ausdrückte – aus landwirtschaftlichen Gruppen von einem bis höchstens zehn Häusern. Die Stadt war vor Alters größer als jetzt; nicht in Ansehung ihres Umfangs: aber es waren innerhalb der Mauer mehr Häuser. Das sieht man an den leeren Bauplätzen und zerfallenen Häusern.

Dies ist aber keineswegs die Folge der gesunkenen Handlung! Vielmehr begannen die Kaufleute einzusehen, daß das Landleben gesünder, bequemer und in allem Betracht wohlfeiler sei. Auch schien es ihnen weit angenehmer und vorteilhafter, zumal auch die Arbeitsleute mehrenteils auf den Gütern zerstreut wohnen. So fingen die neuangehenden Kaufleute an, sich überall im Kirchspiele anzubauen.

Nun blühte die Landwirtschaft allenthalben. Das ganze Kirchspiel, vorzüglich gegen den Rhein zu, wurde ein Garten voller Paläste. Die Handlung gewann in allem Betrachte, und so blühte alles. Freilich nahm die Stadt ab. Aber sie verlor dennoch nichts. Der Flor des Kirchspiels erleichterte den Bürgern alles. Und es ist gar leicht einzusehen, daß sie viel besser dabei stehen, als wenn die ganze Gewerbschaft binnen ihrer Mauern wäre.

Dies ist also ein klarer Beweis, daß die Verteilung der Landmanufakturen auf das Land die Größe der Städte und Dörfer vermindere.

b. Cronenberg

Cronenberg ist ein Dorf, eine Stunde ostwärts von Solingen auf einem Berge gelegen.210 Hier werden vorzüglich eiserne Nägel gemacht. Die Kaufleute211 wohnen auf den Höfen herum. Das Kirchdorf ist daher nicht groß.

Es kann auch nicht zur schädlichen Größe anwachsen; denn das Gewerbe ist im Kirchspiel verteilt. Etliche Kaufleute, Handwerksleute, einige Wirte, der Pfarrer, Küster und Schulmeister machen die Dorfschaft aus. Daher sind die Grundstücke groß, befriedigt und hofartig. Mithin ist auch die Landwirtschaft nach Landesart höchst blühend.

d. Remscheid

Remscheid gibt noch den stärksten Beweis.212 Dieses Kirchspiel ist mit lauter Kaufleuten213 angefüllt. Sie wohnen alle auf Höfen, sind also zugleich auch Landwirte. Bauern und Handwerksleute wohnen in einzelnen Gruppen um sie her.

Daher wächst das Dorf Remscheid nicht zur schädlichen Größe an. Die Landwirtschaft ist ganz hofartig. Sie besteht aus großen, befriedigten Grundstücken.


4. Bauern, Kaufleute und Handwerker

Man könnte mir folgenden Einwurf machen. Wenn dort der Kaufmann selber Bauer ist, und wenn der Handwerksmann auf dem Hofe lebt, so erwirbt sich ja der Bürgerstand seine Produkte selbst. Dadurch kann der eigentliche Bauer nicht gut stehen: hat er doch so viel weniger Abnehmer.

Das ist ein Trugschluß! Solange der Kaufmann wohlfeiler kauft, als er selbst produziert, so produziert er nie. Dann sind die Bauern noch in starkem Verhältnis.214 Sobald aber die Kaufmannschaft und der Bürgerstand in ein zu großes Verhältnis gerät, so müssen die Kaufleute und die Handwerksleute zugleich mitproduzieren.215 Der geringere Bauernstand hat doch noch immer Abnehmer genug in den Städten und auf dem Lande. Das Gleichgewicht der Produktion und Konsumtion erhält sich von selbst.

Das verstreute Wohnen der Fabrikanten auf dem Lande verhindert allzu großen Anwuchs der Städte und Dörfer. Es hat seinen großen Nutzen bei hohen Preisen der Lebensmittel. Hingegen können doch deswegen die Städte und Dörfer nicht öde werden. Denn sie wachsen wieder bei zunehmender Produktion oder wohlfeilen Preisen an.

Ferner produziert weder der Kaufmann noch der Handwerksmann alles, was er braucht. Und dann: so viel Bauern Kaufleute werden, so weniger eigentliche Bauern gibt es. Diese letztere Klasse ist im Bergischen, im Verhältnis zu dem mageren Boden, sehr wohlhabend.

 


III. Wege zur Anlage von Fabriken

Das alles läßt sich nun gut erzählen. Man lehrt, man schreit den Fürsten zu: „Nur Fabriken und Manufakturen angelegt, nebenher auch die Landwirtschaft brav unterstützt!“ Auch Pläne werden entworfen, wie man es machen müsse. Allein, die Ausführung ist ein hartes Stück Arbeit!


1. Ermunterung der Privatinitiative

Die schönsten Fabriken und Manufakturen entstanden durch Privatleute. Hier und da stand ein Kaufmann auf, welcher mit unermüdlichem Eifer wirkte: der dadurch Glück und Segen ausbreitete. Man lese meine Abhandlung vom Handlungsgenie.216 Solche Männer sind alten Eichbäumen gleich, die rund um sich her einen jungen Eichenwald anpflanzen. Dies ist im Bergischen wirklich der Fall.

Wenn also der Fürst Manufakturen errichten und emporbringen will, so ist der schicklichste Weg, daß man hin und wieder kraftvolle Söhne reicher Kapitalisten aussuche und sie dazu bestimme, die Kaufmannschaft zu erlernen. Denn man zeigt, daß man von der Sache nichts verstehe, wenn man glaubt, zum Kaufmann sei nur Geld und Mutterwitz217 nötig.


2. Schulung junger Unternehmer

Die Kaufmannschaft ist eine sehr schwere Wissenschaft. Sie zu kennen, ist aber noch lange nicht genug! Sie muß auch durch Handelsgeist belebt werden.

Solche auserlesenen Jünglinge schicke man daher nach Hamburg, nach Holland oder in die berühmten Comptoire Frankreichs. Dort werden sie nicht nur Wissenschaft, sondern auch Handelsgeist bekommen. Der Fürst ermuntert solche Jünglinge selbst, ehrt sie, hat ein Auge auf sie und behandelt sie als zukünftige Stützen seines Staates.


3. Förderung des Handwerks und der Neubetriebe

Zugleich bemerkt er218 die Manufakturen, welche für sein Land die nützlichsten sind. Dazu sucht er nun wieder Handwerksleute aus, welche er nach solchen Plätzen wandern läßt, wo die Manufaktur am besten blüht. So reisen dann Tuchmacher nach England, Frankreich, Lüttich, Verviers usw., Leineweber nach Brabant, Seidenweber nach Lyon und in die Schweiz, usw.

Kommt nun der junge Kaufmann wieder, so weist man ihnen einen bequemen Platz an, gibt ihm die gewanderten Handwerksleute zu und läßt ihn anfangen. Dabei unterstützt man ihn mit Geld oder kauft ihm anfänglich seine Waren ab (so wie Colbert), bis sich nach und nach der Absatz findet, usw. Diese Mittel sind die wirksamsten.


D. Wirtschaftliche Verhältnisse der Städte

Aus diesem allen erhellet nun, daß zum Flore der Landwirtschaft die Bauernhöfe oder sehr kleine Dörfer an bequemsten seien. Für Landmanufakturen aber sind dies Höfe, nicht zu große Dörfer und Landstädte.

Nun ist also noch übrig, daß ich ein paar Worte von dem Nutzen und Schaden großer Städte sage. Sonnenfels erspart mir hier viele Mühe.219 Denn dieser große Mann hat hinlänglich bewiesen, daß große Städte den Gewerben schädlich seien.


I. Fabrikgroßstädte als Ausnahme

An Orten, wo die Schiffahrt sehr beträchtlich werden kann, da finden große Städte Platz. Messen, Stapel220 und dergleichen Vorteile heften sich an diesen Ort. Manchmal macht auch eine solche Stadt eine freie Republik mit einen kleinen Territorium aus.

Aber die Haupt- und Residenzstädte sollen (außer jenen Ausnahmen) nie sehr groß werden. Man untersuche nur einmal in großen Städten das Verhältnis der Armen gegen die wohlhabenden und sich ordentlich nährenden Bürger. übersteigt es nicht ungeheuer das Verhältnis der Armen auf dem Lande bei eben derselben Familien- oder Menschenzahl? Von der Gesundheit, der Wohlfeile der Lebensmittel, Brandschäden221 und anderen Folgen großer Städte will ich nicht einmal reden.


II. Residenzstädte

Die Residenz- oder die Hauptstadt eines Landes ist (falls sie nicht besondere Vorteile zum Großhandel hat) am glücklichsten, wenn sie wenige oder keine Bürger hat außer den Herren des Hofes, den Gliedern der Landes-Kollegien222 und allen, die dazu gehören, ferner den Handwerksleuten, die zu den Bedürfnissen des Lebens und zur Pracht223 nötig sind sowie den Gasthöfen, Krämern, Lieferanten, Gelehrten usw. Stadtmanufakturen (das sind solche, die sehr fein ins Kleine, Feine und Kostbare arbeiten und daher keiner großen Gebäude und Anstalten bedürfen) können auch noch in solchen Städten geduldet werden. Alle übrigen Wirtschaften aber sind hier am unrechten Orte.

Wenn der Hof eine Schule der Weisheit und der Mäßigkeit wäre, so befänden sich die Hohen Schulen wahrlich nirgends besser als in den Residenzen.

Man durchreise nur Deutschland und andere Reiche und Staaten und beobachte allenthalben die ökonomische Verfassung. Dann wird man das, was ich in dieser Abhandlung gesagt habe, größtenteils bewahrheitet finden.


III. Stadtmauern

 

 

Zum Beschlusse muß ich noch erinnern, daß bei dem Anwachsen der Dörfer zu Landstädten das Umfassen mit einer Mauer schädlich sei. Denn da es sehr bequem und nützlich ist, wenn der fabrizierende Kaufmann (und so auch der Handwerksmann) Raum und Luft um sich her hat, so wird diese große Bequemlichkeit durch die Stadtmauer gehindert. Ein jeder wünscht, innerhalb der Stadtmauern zu wohnen, besonders dann, wenn dazu das Bürgerrecht auf den eingemauerten Platz eingeschränkt ist. Dadurch wird endlich der Platz voller Gebäude. Jedem wird es zu eng. Man türmt die Stockwerke der Häuser aufeinander: tausend Unbequemlichkeiten entstehen. Man siehe die Judengasse zu Frankfurt!

Bleibt aber die Mauer weg, so kann sich der Ort vergrößern, wie er will. Jeder behält so Raum genug. Die Zeit ist ohnehin vorbei, wo eine solche Mauer Schutzwehr gegen Überfälle sein könnte. Denn die vortrefflichsten Befestigungen richten fast nichts weiter mehr aus, als den Weg der belagernden Soldaten in die Stadt hinein um ein paar Wochen aufzuhalten.


Wege zur Reichtumsvermehrung im Herzogtum Berg224


Das Herzogtum Berg steht wegen seiner blühenden Manufakturen und Fabriken in einem hohen Grade des Wohlstands. Dies gilt vorzüglich für die Ämter Hückeswagen, Bornefeld, Beyenburg, Elberfeld, Barmen und Solingen.225 Dies habe ich schon zum Teil in meinen vorigen Abhandlungen angemerkt. Der wohltätige Einfluß, den die Gewerbe auf die Landwirtschaft haben, zeigt sich dort unwidersprechlich. Denn weil der Bauer wegen der vielen Handwerksleute226 Abnehmer genug hat, so kann er seine Viktualien227 teuer verkaufen. Daher wird er wohlhabend. Er kann den häuslichen und den Ackeraufwand228
bequem bestreiten. Sein Geld macht ihn mutig und emsig.

Zugleich wird er dadurch in den Stand gesetzt, seine Kinder etwas lernen zu lassen und sie also zu gesitteten Bürgern zu erziehen. Wie viel an Glückseligkeit229 in diesen Worten liege, brauche ich hier nicht zu entwickeln. Es gehört nämlich nicht zu meinem jetzigen Zweck.

 


A. Abhängigkeiten der bergischen Wirtschaft

Bei dem allem aber findet sich in der ökonomischen Verfassung dieser Gegenden ein Fehler. Dessen Verbesserung könnte der kurfürstlichen Hofkammer zu Düsseldorf230 und dem ganzen Lande eine vorzügliche Quelle des Gewinnes werden. Die Betrachtung dieses Umstandes und seine Verbesserung sollen den Inhalt meiner jetzigen Abhandlung ausmachen.


I. Landwirtschaftliche Gegebenheiten

Um deutlich in meinem Vortrag zu sein, muß ich das eine oder andere wiederholen, das ich schon in meiner vorigen Abhandlung gesagt habe.

Die Ämter, welche für jetzt den Gegenstand meiner Betrachtungen ausmachen, sind voller mäßig hoher und nicht steiler Berge. Folglich sind sie des Anbaus fähig. Zwischen denselben sind die Täler eng, und alles ist bewohnt. Städte, Dörfer und Bauernhöfe findet man auf den Höhen und in den Gründen.


1. Höfe, Gewächse und Viehwirtschaft

Die landwirtschaftliche Verfassung231 hat ihr Gutes. Sie besteht durchgehends aus einzelnen Landgütern. Selten wohnen mehr als zwei bis drei Bauern zusammen. Wo hie und da ein ziemlich großes Kirchdorf oder Städtchen liegt, da haben die Einwohner ihre Ländereien und Wiesen in großen Grundstücken beisammen liegen. Jeder kann seine Güter nach eigenem Gutdünken benutzen: ganz so, wie er will. Man weiß also von Gemeinweiden232 nichts.

Der Bauer sät jährlich einen kleinen Teil mit Getreide. Der ganze übrige Teil bleibt zur Weide liegen. Seine Grundstücke sind befriedigt.233 Ein kleines Kind kann auf denselben das Vieh hüten, was also jeder Landwirt allein tut. Das Vieh wird mithin nie gemeinschaftlich auf eine Weide getrieben.

Bei dieser Art hauszuhalten234 erzielt der Bauer eine Menge Milch, Butter und Käse. Diese machen seine Handelsprodukte aus. Er führt sie häufig nach Elberfeld, Solingen, Düsseldorf, Köln, Mülheim235 usw. auf die Märkte. Dadurch gewinnt er einen Ertrag, der ihn in den Stand setzt, alle seine Bedürfnisse zu befriedigen.


2. Getreideanbau

Bei dem allem steckt jedoch ein eingewurzeltes Vorurteil in allen Bauern. Sie säen hauptsächlich Haber, welcher vorzüglich wohl gerät. Korn236 wird nur so viel gesät, als sie nötig haben, um Stroh genug zum Decken ihrer Gebäude zu bekommen. Sie glauben, Korn und Gerste geraten auf ihrem Boden nicht. Dieser ist ziemlich kalt, lehmig und steinig.

Wegen des vielen Pferde-Fuhrwerkes, das bei den dortigen Fabriken notwendig ist, können sie ihren Haber teuer verkaufen und also dadurch ihren Ertrag beträchtlich vermehren. Daher bemühen sie sich desto weniger, eine Verbesserung im Getreidebau vorzunehmen. Auch fehlt es ihnen niemals an Geld, um Korn und Weizen aus den Rheingegenden ihres Landes zum Brote zu kaufen.


3. Gartenfrüchte

Eben so schlecht steht es auch mit dem Anbau von Gemüse und anderer Gartenfrüchte. Der Bauer erzieht deren kaum so viel, als er selbst braucht. Seine Gärten sind ausnehmend schlecht und werden sehr nachlässig bearbeitet. Er glaubt abermal, gute Gartenfrüchte seien nicht zu erziehen. Dadurch beraubt er sich eines großen Gewinnes. Die Weiber aus den Rheingegenden kommen fünf bis sechs Stunden weit zu den Städten und Dörfern. Dort versehen sie die Kauf- und Handwerksleute mit Gemüse. Dieses ist daher zum Nachteil der Manufakturen teuer.237

Mit etwas mehr Fleiß könnten die umliegenden Bauern alle diese Viktualien wohlfeiler erziehen238 und ihren landwirtschaftlichen Ertrag dennoch beträchtlich vermehren. Das alles habe ich zum Teil schon in meiner „Landwirthschaftlichen Geschichte einiger niederländischen Provinzen“ gesagt, welche in den „Bemerkungen“ 1779, S. 287 ff. eingerückt worden ist.239 Ich mußte aber hier so viel aus dieser Geschichte wiederholen, als zu meinem Zwecke dient. Wollte ich doch die schlechte Verfassung des dortigen Forstwesens deutlich vor Augen legen. Indessen wird es doch dienlich sein, wenn man jene Vorlesung zuerst noch einmal aufmerksam durchliest.


B. Vernachlässigung vorhandener Möglichkeiten

Ich will nun aus dieser allgemeinen landwirtschaftlichen Verfassung der Gegenden des Bergischen Landes (wovon hier die Rede ist) einige Erfahrungssätze ziehen. Sie enthalten die Ursachen der schlechten Forstwirtschaft. Daraus können die Mittel gefolgert werden, wodurch der Fehler nach und nach verbessert werden muß.


I. Mangel an Viehfutter, Heu und Streu

Die Bauerngüter sind ziemlich groß und weitläufig. Weil das Vieh auf den eigenen Grundstücken gehütet wird, keine Gemeindeweiden da sind und durchgehends das Verhältnis der natürlichen Wiesen zu den übrigen Grundstücken zu klein ist, so bleibt trotz der blühenden Viehzucht doch der Viehstand auf jedem Gute im Verhältnis zu den Ackergrundstücken viel zu klein. Daher erhält der Bauer viel zu wenig Dung. Will er dasjenige, was er besät, gut düngen und wohl bearbeiten, so wird jährlich nur ein sehr kleiner Teil gebaut. Ehe er mit dem Pfluge über das ganze Gut herum und wieder an das erste Stück kommt, so ist dieses verangert240 und wieder wild geworden.

Will der Bauer aber jährlich große Stücke einsäen, so muß er den wenigen Dung weit auseinander verspreiten.241 Der Boden bekommt so gar keine Kraft, und die magere Erde belohnt die Mühe nicht. Da er nur wenig Wiesen hat, die noch dazu gar nicht verbessert werden, so ist sein Heuernte sehr gering. Er muß nun zum großen Habervorrat seine Zuflucht nehmen.

Der Bauer füttert also den ganzen Winter durch Haberstroh. Dieses reicht oft kaum so lange zu, bis er das Vieh wiederum auf seine Grundstücke treiben kann. Da er nun sein Roggenstroh zum Dachdecken nötig hat, das Haberstroh aber ganz verfüttert, so hat er nichts zu streuen.

Der Hauptfehler bei der bergischen Landwirtschaft besteht also darin, daß der Ackerbau gar keine Streu abwirft. Der Bauer muß sie daher aus seinen Büschen holen.


II. Raubbau am Holzwuchs

Jedes Landgut hat beträchtliche Stücke Gebüsch, welche eigentümlich242 dazu gehören. Diese sind gemeiniglich noch größer und weitläufiger als der übrige Teil des Gutes. Hier und dort findet man auch wohl ein herrschaftliches Stück Waldes; überall aber wenig Hochgewäld. Alles ist mit kleinem, verkropptem Unterholz von allerhand Gattung dünn bewachsen. Dieses wird auf keinerlei Weise forstpfleglich behandelt.

Der Bauer geht bei mäßigen Tagen mit der Hacke in seinen Busch. Dieser ist, wie alle verödeten Wälder, mit Heide und Moos überwachsen. Dort hackt er sich seine Streu. Dabei beobachtet er aber die Ordnung, daß er an einer Stelle anfängt und so von Jahr zu Jahr fortfährt, bis alles überhackt ist. Während dieser Zeit wächst die Heide und das Moos wiederum auf den ersten Plätzen. Folglich werden alle Büsche dieser Gegenden auf Heideschlägen bloß zur Streu benutzt.

Über das alles treibt der Bauer auch noch spät im Herbst, ja sogar des Winters, wenn kein Schnee liegt, und wieder im Frühling sein Vieh in den Busch. Dieses beißt so den jungen Holzwuchs völlig ab. Hier liegt also die eigentliche Ursache des völlig verkroppten Gehölzes. Das Heidehacken benimmt zugleich dem Gehölze die gehörigen Düngemittel.243 Es ist also gar kein Wunder, wenn der Holzwuchs elend aussieht.


III. Abschaffung des Streuhackens

Wenn man die landwirtschaftliche Verfassung der oben genannten Ämter genau betrachtet (so, wie ich sie hier kurz entworfen habe), dann ist die gänzliche Veränderung der alten und die Gründung einer neuen Landwirtschaft ohne Abschaffung des Streu- oder Heidehackens schlechterdings unmöglich. Daher kommt es auch, daß alle Versuche der Regierung in Düsseldorf, den Holzbestand des Landes zu verbessern, nicht die erwünschte Wirkung getan haben.

Wer nur ein wenig mit Regierungsgeschäften bekannt ist, der weiß auch, wie unendlich schwer es fällt, tief in die ganze Landesverfassung einverwebte Fehler zu heben. Um etwas Merkliches auszurichten, gehört wenigstens mehr dazu als eines Mannes Alter!244

Das Verbot des Streuhackens ist schlechterdings vergeblich, weil der Bauer sonst keine Streu hat und sich auch keine verschaffen kann. Mehr Stroh kann er nicht erziehen, denn es fehlt ihm am Dunge. Selbst wenn er auch mehr säen könnte, so würden ihm die übrigen Grundstücke zur Weide für das Vieh nicht zulangen. Folglich ist bei der jetzigen Verfassung der Landwirtschaft diese Benutzung der Büsche auf Heideschläge zur Streu unumgänglich notwendig.

Vielleicht ist aber auch der Schaden, der aus dem Heidehacken entsteht, nicht so beträchtlich? Das Land blüht ja ohnehin an allerhand Gewerben, und überall ist Wohlstand. Dieses wollen wir nun näher untersuchen.

 


IV. Nutzung des Bodens für Holzwuchs

Er ist wahr: das Bergische Land (und vorzüglich die Ämter, von denen ich hier rede) ist das treffendste Beispiel dafür, was eine gesegnete Regierung zur Glückseligkeit eines Volkes vermag. Und dennoch: dieser Wohlstand könnte noch größer sein!

Der arme und mittelmäßige Bauer brennt Holz in seiner Haushaltung. Soviel liefern ihm jährlich seine verödeten, weiten Strecken Gebüsch, daß er das zur Not noch kann. Wer schon etwas reicher ist, der verbrennt viele Steinkohlen mit dazwischen und läßt das kroppige Gehölze seine guten Wege haben. In Städten und Dörfern aber weiß man von keinem Brennmaterial in der Küche und in den Öfen, als von Steinkohlen. Kaum liefert das Land so viel Brennholz, als zum Backen und Brauen notwendig ist.

Man muß bedenken, daß, erstens, alle diese Steinkohlen außer Landes her, nämlich aus der Grafschaft Mark245 eingeführt werden; daß, zweitens, diese Einfuhr wegen der vielen Eisenhämmer und Schmieden, die durchgehends alle Steinkohlen brauchen, überschwenglich wichtig ist und schon jährlich viele Tausende an barem Gelde außer Landes führt und daß, drittens, die clevisch-märkische Regierung246 dazu noch eine Auflage247 auf diese Ausfuhr gelegt hat. Letztere muß natürlicher Weise der bergische Untertan bezahlen, indem die Kohlen, die er nicht entbehren kann, um so viel teurer werden.

Bei alledem muß es nun doch deutlich in die Augen fallen, daß eine blühende Forstwirtschaft in diesem Lande nicht nur überflüssig genug Holzkohlen für alle Eisen- und Stahlfabriken, sondern auch hinlänglichen Brand für alle Einwohner verschaffen könnte. Denn im Lande liegt wenigstens der dritte Teil des Erdbodens (ja, ich kann wohl sagen: die Hälfte) im Holzgrund.248

Das ist aber noch nicht alles! Man könnte wegen der Nähe des Rheins aus Holland noch vieles Geld für Holz in das Land ziehen. Denn wenn alle Büsche in ordentlichem Holzbestand stünden, so wäre es unmöglich, daß das Bergische Land alles verbrauchen könnte. Es ist also unwidersprechlich gewiß, daß durch eine blühende Holzzucht der jährliche Landesgewinn noch um viele tausend Taler höher gebracht werden könnte.


V. Ersatz der Steinkohlen durch Holzkohle

Die Eisenfabrikanten dorten gestehen das alles ein. Aber sie glauben, daß sie die Holzkohle in ihren Hämmern und Schmiede-Essen nicht gebrauchen könnten. Das ist sehr widersinnig und schlechterdings nicht zu vermuten.

Die Ursache liegt vielmehr an den Handwerksleuten. Diese haben von jeher nicht gelernt, mit Holzkohle umzugehen. Sie sind die Steinkohlen gewohnt.249 Daher behaupten sie, ihre Arbeit erfordere letztere unumgänglich.

 


C. Vorausschauende wirtschaftspolitische Maßnahmen

Wenn ein Land eine blühende Nahrung hat, so daß ein jeder durchgehends Geld genug verdienen und sich durch einen mittelmäßigen250 Fleiß wohl ernähren kann; wenn ferner die Obrigkeit die Steuer, Schatzung251 und andere Abgaben richtig empfängt, wie dieses alles der Fall im Bergischen Lande ist, dann empfindet man solche Fehler in der ökonomischen Landesverfassung nicht so leicht. Selbst wenn man sie bemerkte, so ist doch keine dringende Notwendigkeit da, das Grundgebäude der Nahrungsstände anzugreifen252 und umzuändern. Oft ist es auch unmöglich – und oft sogar gefährlich! Allein, hier ist ein Umstand zu befürchten, welcher jedem Staat nach und nach den endlichen Termin seiner Glückseligkeit zuzieht.253


I. Abschätzung möglicher Veränderungen

Wenn sich ein Land nicht selbst genug ist (das heißt: wenn es nicht alles hervorbringt, was es selbst braucht und also den ausländischen Handel zu seinem Wohlstand nötig hat), so verändern die Zufälle die Sache.254 Die Nahrungszweige, worauf sein Glück beruht und die auf die ökonomische Verfassung255 anderer Staaten gegründet sind, können durch Veränderungen in diesen letzteren zu Grunde gerichtet werden.

Hat man nun keine anderen Mittel zu neuen Nahrungszweigen und keine neuen Quellen zur auswärtigen Handlung, so sinkt der Wohlstand nach und nach. Er verwandelt sich gar in eine traurige Ohnmacht, Armut und Barbarei. Diesen Erfahrungssatz will ich anschaulich machen.


1. Eisen- und Stahlverarbeitung

Der blühende Wohlstand des Bergischen Landes beruht erstlich auf den herrlichen Stahl- und Eisenfabriken. Das rohe Eisen kommt aus dem Nassauischen,256 die Steinkohlen aus dem Märkischen und die verfertigten Waren gehen nach Frankreich, Holland und so fort in alle Welt. Hier sind demnach drei Fälle möglich, deren jeder diesen Nahrungszweig zu Grunde richten kann.

Erstens, wenn sich die Siegerländer nach und nach selbst auf die Verarbeitung ihres rohen Stahles und Eisens legten, und endlich dieses rohe Material nicht mehr ausführten.257

Zweitens, wenn die Steinkohlen in der Grafschaft Mark ausgingen, wenn sie im Lande selbst gebraucht würden oder wenn sie einen Zug in andere Länder bekämen.258

Drittens, wenn jene Staaten die Stahl- und Eisenwaren selbst in hinlänglicher Menge und Güte verfertigen. Es läge dann mit einem Male diese Handlung des Bergischen Landes in den letzten Zügen. Die große Menge Handwerksleute müßte auswandern. Der Bauer fände nun für seine Milch, Butter und Käse keine Abnehmer mehr. Er würde also arm. Wie vor Alters, müßte er jetzt elendes Haberbrot essen. Kurz: seine ganze Glückseligkeit wäre verschwunden.


2. Textilgewerbe

Der andere, noch größere und beträchtlichere Handelszweig des Bergischen Landes besteht in der Elberfelder Leinen-, Band-, Seiden- und Siamoisfabrik.259 Wie bekannt, kommt die Baumwolle aus der Levante260 über Holland. Das Leinengarn wird ganz und zumal aus dem Hessischen, Braunschweigischen, Hannoverischen usw. erhalten.

Es ist des Bewunderns würdig, daß das Bergische Land bei aller seiner Weitläufigkeit und geringen landwirtschaftlichen Bevölkerung gar keinen Flachs und Hanf zu dieser blühenden Manufaktur liefert. Die daraus verfertigten Waren gehen zur Frankfurter Messe, nach Holland und anderen Orte mehr. Hier sind abermals drei verderbliche Fälle möglich.

Erstens: wie vielerlei Umstände können sich zusammen vereinigen, um wenigstens für Elberfeld und Barmen die Einfuhr der Baumwolle zu kostbar261 werden zu lassen? Der Transport über Holland darf nur wegfallen, so ist es damit geschehen.

Zweitens: wie leicht ist es möglich, daß die Hessen, die Braunschweiger und Westfälinger selbst Leinenmanufakturen anlegen, und also die Ausfuhr des Leinengarns verringern?

Drittens, wie es schon wirklich am Tage ist: die häufige Anlage von Siamois-Manufakturen hin und wieder262 kann diese Ware so wohlfeil machen, daß die Elberfelder nicht mehr verkaufen können. Dies ist um so möglicher, weil sie alle ihre rohe Materialien aus anderen Ländern verschreiben263 und daher teurer als andere bezahlen müssen. Wie ist es zum Beispiel möglich, daß sie auf die Länge gegen unsere Lauterer Manufaktur werden bestehen können?264 Sie bekommen ihr Leinengarn aus fremden Ländern; wir haben es hinlänglich in unserem Vaterlande,265 und diese Quelle versiegt nie. Sie haben also ihr Garn um so viel teurer, als der Transport beträgt, usw.


II. Vorteile der Umstellung

Dies alles führe ich nur zu dem Ende an, um zu beweisen, wie nötig es überhaupt sei, daß man sich nie auf die Dauer eines blühenden Wohlstandes verlasse! Man muß vielmehr während dieser glückseligen Zeit, wo noch überall Geld im Überfluß ist, in der Stille unaufhörlich damit beschäftigt sein, an allen Orten so viele neue Nahrungsquellen zu eröffnen, als nur möglich ist.266


1. Herstellung von Brennholz und Holzkohle

Ein blühender Forstbestand würde für das Bergische Land eine solche dauerhafte Quelle werden. Man bedenke nur: Wenn jährlich einige tausend Taler für Kohlen und Brandmaterial erspart würden (die damit den Reichtum des Landes vermehrten), müßte dadurch nicht der Wohlstand dauerhafter gegründet werden? Dies gälte besonders, weil sich dieses Geld unter die geringeren Klassen am mehresten verteilte.

Dem Holzgrundbesitzer (das ist: dem Bauern) würde erstlich das Holz bezahlt. Ein großer Teil geringer Arbeitsleute würden Scheitschläger werden und das Klafterholz verfertigen.267 Ein anderer Teil würde sich auf das Kohlenbrennen legen. Wieder ein anderer Teil wäre mit dem Verfahren268 des Holzes und der Kohlen beschäftigt, usw.


2. Bessere Werkholzversorgung

Noch mehr: das große Werkholz269 ist außerordentlich rar. Jährlich werden neue Häuser gebaut. Die vielen Hämmer und andere große Wassermaschinen verbrauchen desselben eine ungeheuere Menge.

Bis daher hat man noch sehr vieles aus dem Vorrat bestreiten können, den die getreuen Alten ihren Nachkommen verschafft haben. Denn sie haben ihre weitläufigen Bauernhöfe um ihre Häuser herum und besonders längs dem Zaune mit Eichen bepflanzt. Dadurch besitzt bis jetzt fast jeder Bauer selbst so viel Holz, als er nötig haben würde, wenn ihm seine Gebäude verunglücken. Aber auch dieser Vorrat wird allmählich geschwächt. Es wird nicht mehr lange währen, so ist er verschwunden.


3. Ausgleich der Holzhorte für Hammerwellen

Die Hammerherren sind reiche Leute. Sie sehen den unvermeidlichen Ruin ihrer Werke wegen des nötigen Bauholzes270 voraus.

Wo ihnen also Bäume in die Augen fallen, die Hammerwellen geben können, (dazu werden gerade, gesunde Eichen erfordert, die wenigstens – den Splint abgerechnet – noch 4 Schuh im Durchmesser und über 20 Schuh271 in gerader Länge haben) da schonen sie kein Geld, bis ihnen der Bauer einen solchen Baum abgetreten hat. Daher findet man viele Hammerherren, die wohl auf 150 bis 200 Jahre mit Hammerwellen versehen sind. Sie lassen sie füllen, beschlagen und abrunden. Alsdann versenken sie die Wellen in ihre Hammerteiche. Dort lassen sie sich so lange aufbewahren, wie man will.272


4. Günstigere Verhältnisse bei Bauholz und Gebrauchsholz

Das kleinere Bauholz ist nun freilich noch nicht so gar selten. Aber doch geht der Vorrat bald zur Neige. Das volkreiche Elberfeld und mehrere nahe den märkischen Grenzen gelegene Orte müssen schon ihr Bauholz zu Häusern und anderen Gebäuden mit großen Kosten aus dem Märkischen oft und vielfältig erhalten. Alle Schreinerarbeiten sind daher auch sehr teuer. Denn auch diese Handwerker müssen ihr Holz zum Teile außer Landes her bekommen.

Von den hölzernen Geräten in der Haushaltung will ich nicht einmal reden. Die winterberger Geschirr-Krämer273 verführen solches durch das ganze Land. Und was man auch im Lande selbst verfertigt, das wird doch mehrenteils aus ausländischem Holz gemacht.

Dies mag nun genug sein um zu beweisen, daß eine gute Forstwirtschaft den Wohlstand des Bergischen Landes noch sehr beträchtlich vermehren und dauerhafter gründen könnte. Allein, es ist eben so gewiß, daß sie auch bei zukünftigem Verfalle des jetzigen Nahrungsstandes eine wichtige Quelle der Glückseligkeit sein würde.

 


D. Nutzung der Gelegenheiten

Ich habe oben gesagt, daß wenigstens ein Drittel (und ich darf kühn behaupten: die Hälfte) der Oberfläche der Erde dort an Holzgrunde274 öde liegt. Er wird, wie gemeldet, zu nichts als zur Streu unter das Vieh und etwas weniges Brandholz benutzt.


I. Aufforstung schafft Reichtum

Nun will ich den Fall setzen, alles stünde in bestem Holzbestande. Man trieb einen Teil zu Schlagholz, den anderen in Gehauen zu Oberholze ab.275

Jetzt würde jeder Bauer (denn all dieses Gewälde gehört den Untertanen und nur sehr wenige Stücke sind herrschaftlich) jährlich einen ansehnlichen Anteil an Klafterholz, an Oberholz oder an beidem zugleich zu verkaufen haben. Daraus würde er ein schönes Stück Geldes ziehen. Tagelöhner und Leute, die nichts Eigenes besitzen, würden als Scheitschläger und Fuhrleute ihr Brot verdienen. Und wer weiß, wie vieles Holz man versenden könnte?


II. Möglichkeiten zum Holzexport

Kein Land in der Welt liegt in Bezug auf die Versendung des Holzes günstiger als das Herzogtum Berg. Denn es erstreckt sich in einer Breite von wenigen Meilen eine geraume Länge den Rhein hinab. Allenthalben ergießen sich starke Bäche und kleine Flüßchen, die aus dem Bergischen Lande zusammenrinnen, in den Rhein. Sie wären zum Flößen276 vortrefflich. Auf der anderen Seite des Rheins liegt das Erzstift Köln und das Herzogtum Jülich auf dem flachen Lande.277 Endlich befindet sich die ganze Republik Holland in der Nähe. Überall dort (und in Holland besonders) wächst wenig oder gar kein Holz.

Jährlich geht vermittelst vieler Holzflöße aus dem weit entfernten Oberdeutschland eine ungeheuere Menge Holz nach den Niederlanden.278 Durch eine wohleingerichtete Forstwirtschaft könnte das nahegelegene Bergische Land einen sehr großen Anteil an diesem Handel haben. Es bleibt angesichts dessen kein Zweifel mehr übrig, daß dies ein höchstwichtiger Nahrungszweig werden müßte.

 


III. Hemmnisse wegen des Streuhackens

Man muß nicht glauben, daß die hohe Landesregierung zu Düsseldorf279 diesen Umstand nicht bemerkte oder sich auch keine Mühe gäbe und gegeben habe, wirksame Verfügungen zu treffen. Allein, alle – auch die weisesten – Verordnungen sind bis daher fruchtlos geblieben, weil der Bauer seine Büsche zum Heidehacken unumgänglich nötig hat. Jedes Verbot könnte nicht gehalten werden. Selbst wenn es geschähe, so würde die Landwirtschaft unausbleiblich ruiniert.


E. Überwindung der Schwierigkeiten

Ich habe daher bei meinen wiederholten Vorlesungen über die Forst- und Landwirtschaft über diese Sache weitläufig nachgedacht. Endlich glaube ich, durch Einführung der neuen Landwirtschaft ein Mittel (insofern es nur ausführbar ist) gefunden zu haben, welches allgemeinen Flor in beide Gewerbe280 bringen müsse.

Man wird mir erlauben, meinen Plan vorzulegen. Vielleicht findet er Beifall. Vielleicht enthält er auch vieles, das in anderen Ländern in ähnlichen Fällen zu gebrauchen ist. Dadurch würde meine Abhandlung gemeinnützig.


I. Berücksichtigung gegebener Sozialstruktur

Das Bergische Land hat sich erst seit hundert Jahren her der Barbarei entrissen. Daher ist es noch in der Kultur des Verstandes und der Herzens (was das allgemeine Publikum betrifft) sehr weit zurück.281

Der Bauer wohnt auf seinem einsamen Hofe. Er ist Monarch auf seinem Flecken und zugleich wohlhabend. Viel Umgang hat er nicht. Daher ist er grob und ungesittet.282 Seinen Pfarrer wählt er sich selbst. Dieser muß ihm also oft nach seiner Pfeife tanzen und ihn als seinen Patron verehren. Vater Karl Theodors Regierung283 ist gelinde und ohne Druck. Der Bauer lebt also ruhig fort und weiß von keinen Landeslasten. Dabei ist er aber treu und redlich. Seinem Landesherren fühlt er sich zugetan.284

Dieser Umstand ist wichtig. Jede nur etwas gewaltsame Unternehmung der Landesregierung gegen seine Begriffe285 von der Landwirtschaft, die er unverbesserlich zu sein glaubt, würden ihn in Unruhe und Murren versetzen. Ein allgemeiner Widerwille würde entstehen. Keine Gewalt wäre fähig, ihn zu einer nützlichen Veränderung seiner Wirtschaft zu zwingen; zumal er sich ja wohl dabei findet und gar keine Erfahrung von einem besseren Zustand hat. Die Sache muß also unvermerkt und allmählich eingeleitet werden. So geschah es auch in England, als es noch viel Getreide aus anderen Ländern ziehen mußte.


II. Einführung eines Prämiensystems

Weil der Landwirt im Bergischen alle seine Naturalien verkaufen kann wie er will, weil von diesen noch sehr viele von auswärtigen Orten eingeführt werden,286 sind hier Prämien das geeignete Mittel. Einen solchen Fonds zu errichten, ist nicht schwer.

Das Land hat eine Steuerkasse, aus welcher die Staatsbedürfnisse bestritten werden. Bei dem Anschlag und der Veränderung der Steuermatrikel287 könnten einige tausend Taler für Prämien zugesetzt werden. Dies würde der Landwirt kaum merken und nichts dagegen einwenden, weil er das alles gar gut bezahlen kann.288 Aus dieser Steuerkasse müßten nun folgender Gestalt Preise ausgesetzt werden.


1. Prämien auf Flachs, Hanf und Garn

Da der Rheinländer289 in seinem ebenen, fruchtbaren Lande keine Wiesen hat, so baut er schon lange Klee und Futterkräuter mit dem größten Nutzen. Für diesen brauchen also keine Prämien auf den Kleebau ausgesetzt zu werden, wohl aber auf den Anbau von Flachs und Hanf. Solches würde für die Elberfelder Manufakturen unaussprechlich nützlich sein; besonders da es in diesen Fruchtgegenden so viele arme Leute gibt, die zugleich durch die Spinnerei sich etwas verdienen könnten.

Alsdann aber müßte auch auf das schönste Garn eine Prämie gesetzt werden. Die Kasse bezahlte also dem Rheinländer Preise auf den Flachs- und Hanfbau sowie auf die Spinnerei.


2. Prämien auf Futterkräuter

In dem gebirgigen Teil des Bergischen Landes, von dem hier eigentlich die Rede ist, müßten hingegen beträchtliche Preise auf den Kleebau gesetzt werden. Zugleich muntere man einsichtsvolle und reiche Landwirte auf, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Damit aber auch nicht immer reiche und begüterte Leute die Prämien beziehen möchten, so sollte vielmehr derjenige belohnt werden, der nach dem Verhältnis der Größe seines Gutes den mehresten Klee gebaut hätte.

a. Anbau von rotem Klee und Esparsette

So viel weiß ich aus Erfahrung, daß der rote Klee290 in diesem Lande wohl wächst und vielfältig gerät. Doch aber glaube ich, daß man auf den gebirgigen und entlegenen Grundstücken mit größtem Nutzen die Esparsette291 bauen könnte. Beide Futterkräuter müßte man also vermittelst der Prämien und anderer Aufmunterungen häufig einzuführen suchen.

So bald der Bauer nun sehen würde, daß er sich mit einer kleinen Mühe einen so reichen Futterertrag erwerben und also mehr Vieh halten könnte, so würde ihm nun der große Nutzen einleuchten. Dies geschähe um so mehr, da eben die Produkte aus dem Viehstand ihm das meiste Geld einbringen.

b. Ausweitung des Viehbestandes und Stallfütterung

Durch diesen vergrößerten und verbesserten Viehbestand vermehrt sich auch sein Dung. Soweit dieser aber reicht, wird er sein Feld bauen.

Durch den Anbau der Futterkräuter und den vergrößerten Getreidebau werden aber seine Weiden kleiner. Er sieht dies mit Ruhe an, weil es ihm darum nicht an Futter für das Vieh fehlt. So kommt er nach und nach vom Hüten des Viehes ab.

Er baut nun immer mehr Futterkräuter und immer mehr Getreide. Die jährliche Verringerung der Weiden und das bestimmte Maß des Futterbaus setzt seinem Viehstand ein Ziel. Es zeigt sich jetzt ohne weiteres, wie viel Stücke er halten kann.

Auf diese Weise gerät der bergische Bauer von selbst auf die Stallfütterung. Denn er verliert nach und nach die Weideplätze.


3. Prämien auf Getreide

Nun aber ist es auch Zeit, Prämien auf den Roggenbau sowie hin und wieder auch auf den Weizenbau zu setzen. Es ist gewiß, daß der Roggen dort wächst und recht wohl gerät, wenn nur der Boden genug gedüngt und gehörig bearbeitet würde. Daher müßte man alsdann durch Anleitungen, Unterricht und Beispiele den Landmann auf den besten Weg der Landwirtschaft leiten. Er würde nun erkennen, daß noch viel in seiner Manier zu verbessern sei, und daß der Wohlstand noch beträchtlich erhöht werden könnte.

Es ist aber wohl zu bemerken, daß man obige Prämien nicht auf die Größe des besäten Platzes, sondern auf die Menge der gewonnenen Produkte bestimmen müßte.


III. Intensive forstwirtschaftliche Bodennutzung

Jetzt ist es Zeit, auf die Forstwirtschaft alle Aufmerksamkeit zu verwenden. Der Bauer zieht nun Stroh genug zum Streuen. Er hat das Plaggenhauen292 nicht mehr nötig.

Aber auch hier gilt es, Behutsamkeit walten zu lassen! Der Holzgrund ist ein Eigentum des Untertanen. Er würde gewaltig große Augen und ein mürrisches Gesicht machen, wenn man ihn im Genusse seines Eigentums einschränken wollte. Daher müssen ihm die Verordnungen den Nutzen deutlich vorstellen, die er von der gänzlichen Befriedigung293 seiner Gebüsche haben würde.

Seines eigenen Nutzens wegen wird ihm nun das Heidehacken und das Hüten des Viehs in seinen Büschen gänzlich verboten. Gleichzeitig wird ihm anbefohlen, seinen ganzen Holzgrund in zwanzig bis fünfunddreißig gleiche Teile zu gliedern. Jährlich soll er einen dieser Teile im Frühjahr rein abtreiben294, ihn mit Eicheln, Bucheln, Birken und anderem Samen fortwirtschaftlich besäen und alles wohl beschützen.

Bei allem diesem würde jedem Amtsjäger295 der Auftrag erteilt, auf die Holzgründe der Bauern ebenso sorgfältig zu achten als auf die herrschaftlichen Gründe. Damit würde überall die Forstwirtschaft auf das sorgfältigste beobachtet.

In zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren hätte der Landmann einmal all sein verkropptes und elendes Gehölze abgetrieben und neues angesät. Jetzt könnte er wieder von vorn anfangen. Es würde alsdann nötig sein, die wuchsigsten Eichen und Buchen zu Laßreisern296 stehen zu lassen, um allen Holzgrund nach und nach in Hochgewäld zu setzen. Nach meinen Begriffen und Kenntnissen der Forstwirtschaft glaube ich nämlich, daß man in einem wohlbestandenen Hochwalde zwischen den Oberbäumen genug Schlagholz erziehen und dazwischen alle zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre abtreiben könne.

Mit dem Anfang dieser Einrichtung wird bereits ein großer Teil Geldes gespart. Denn wenn jeder Bauer jährlich den fünfundzwanzigsten Teil seiner Gebüsche kahl abtreibt, so erwächst ihm dadurch schon ein guter Vorrat an Brandholz. Damit erspart er eben so viele Steinkohlen, die außer Landes her eingeführt werden. Und da das Heidehacken nun aufhört, so würde von Jahr zu Jahr der Holzvorrat immer stärker werden.

Eben auf diese Weise sollte man auch die herrschaftlichen Holzgründe behandeln und benutzen. Dadurch gibt man dem Bauer ein überführendes297 Beispiel.

Ich weiß wohl, daß, mir der bergische Bauer laut zurufen wird: „Das geht bei uns nicht an!“ Darauf aber ist nicht zu achten. Freilich geht es – wenn ihr nur wollt!


IV. Ersatz für Getreideverkäufe ins Ostbergische

Noch einen Umstand muß ich bemerken. Der bergische Rheinländer zieht einen beträchtlichen Gewinn aus seinem Getreidehandel mit seinen reichen Mituntertanen im Gebirge. Würde ihm nun, da er ohnehin durchgehends arm ist, durch den Anbau des Roggens in diesen Gegenden jener Handel entzogen, so würde er noch viel ärmer werden.

Dieser Einwurf ist nur scheinbar. Holland muß all sein Getreide aus anderen Ländern ziehen. Es bekommt die Brotfrucht, wie bekannt ist, viel aus Polen über Danzig. So lange nun der Rheinländer sein Korn um etwas teurer an seine Nachbarn verkaufen kann, so schickt er es freilich nicht nach Holland. Er wird dies aber tun, wenn er jenen Absatz nicht mehr hat.

Was er in diesem Handel etwa verliert, das gewinnt er doppelt und dreifach wieder, wenn er anfängt, Flachs und Hanf zu bauen. Er kann denselben spinnen und als Garn nach Elberfeld und Barmen verkaufen. –

Dies ist der Plan, der nach meinem Bedünken im Bergischen Lande eingeführt werden müßte. Dann könnten erstlich die großen Summen, welche für ausländische Produkte auswandern, im Lande behalten werden. Zum anderen läßt sich so eine Nahrungsquelle öffnen, die, wenn allenfalls eine oder die andere versiegen würde, den blühenden Wohlstand zum Teil wieder ersetzen könnte.


V. Herstellung von Pottasche

Ich kann hierbei noch eines zufälligen Nutzens gedenken, der aus einer wohleingerichteten Forstwirtschaft für dortige Manufakturen zu erhalten wäre.

Die weitläufige Garnbleicherei in Elberfeld und Barmen vertut eine große Menge Pottasche.298 Sie wird ebenfalls aus dem Hessischen und aus anderen Ländern verschrieben.299

Wenn nun aller Holzgrund in vollkommenen Holzbestand gesetzt und also aller Orten in den Küchen und Öfen Holz verbrannt würde, so entstünde eine große Menge Asche. Diese müßte alsdann aufgekauft, wohl zusammengehalten und Pottasche daraus gesotten werden.300 So könnte auch dieses Geld wenigstens zum Teile dem Bauern zugute kommen und im Lande bleiben. – Ich kann hier nicht alle Vorteile beschreiben, welche aus der verbesserten Land- und Forstwirtschaft entstehen müßten.


F. Umsetzungsschwierigkeiten

Dieses alles nun aber auszuführen und in Übung zu bringen, ist eigentlich das schwerste Stück Arbeit.

Unter allen Maschinen ist keine schwerfälliger als die Staatsmaschine.
Drang, Kraft, Zeit und unbeschreibliche Mühe gehört dazu, um etwas Nützliches auszurichten!

Über das alles stehen die ökonomischen Schriftsteller zu sehr im Verdacht leerer Projekte.301 Daher kommt es, daß man solche wesentliche nützliche Vorschläge, die auf Vernunft und Erfahrung gegründet sind, auch nicht achtet. Man hält sie ebenfalls für leere Projekte.

Allein, ich hoffe, daß diese Abhandlung auf Wahrheiten beruht. Da ich mich lange im Bergischen Lande aufgehalten habe,302 so kenne ich die Liegenheit303 der Sache. Selbst habe ich erfahren, wie dort das Gehölz vortrefflich wächst, wenn es nur ein wenig Ruhe hat.304


I. Einsicht in den Nutzen

Hie und da findet sich wohl ein reicher Landwirt, dem es einfällt, seine Büsche zu schonen, sie zu befriedigen und seine Streue von anderen Bauern zu kaufen. In diesem Falle kann man sich nicht genug verwundern, welch ein herrlicher Holzwuchs in wenigen Jahren entsteht: man weiß gar nicht, wo es herkommt. Eben so gut gerät auch der Klee, wenn er nur gebaut würde. Ich habe die überzeugendsten Proben davon gesehen. Aus diesen und noch anderen Erfahrungen glaube ich gewiß zu sein, daß mein Vorschlag gute Wirkung tun würde.

Ich vermute daher auch, daß wenn diese Sache recht durch das ganze Land bekannt würde, viele reiche Kaufleute, welche mit ihren Fabriken zerstreut auf dem Lande umher wohnen, große Güter besitzen und reiche Landwirte sind,305 sich bald daran wagen würden, Klee zu bauen und meinen Plan ganz zu befolgen. Denn es wird ja nichts dabei gewagt und verloren. Solche Beispiele würden bald eine allgemeine Nacheiferung erwecken. Alsdann dürfte es der hohen Landesregierung nicht schwerfallen, die Sache allmählich durchzusetzen.


II. Gutes zum Besseren leiten

 

 

So kann das blühendste Land unter der gesegnetsten Regierung noch wichtiger Verbesserungen fähig sein. Und fern sei es von mir, indem ich lehrreiche Bemerkungen aus meinen Erfahrungen ziehe, hierdurch weder heimlich noch öffentlich Väter des Vaterlandes tadeln zu wollen.

Es ist nichts Vollkommenes unter der Sonne. Kein Staat ist auch so wohl eingerichtet, daß er nicht zugleich den Samen künftiger trauriger Veränderungen in sich enthalten sollte. Genug, wenn wir, solange wir leben, jedem dem Wohlstand der menschlichen Gesellschaft drohenden Übel entgegenarbeiten und es zu vernichten suchen.

Planvolle Forstwirtschaft und beispielhafte Holzverwertung 306

 

A. Mängel in der Forstnutzung

 



Das Forstregal kann zu einer sehr einträglichen Quelle der Staatseinkünfte bzw. der fürstlichen Einkünfte werden, wenn seine Wirtschaft nach den besten Gründen betrieben wird. Ich möchte großen und würdigen Forstmännern nicht zu nahe treten. Aber jedermann, der die Sache einsieht, wird mir gestehen, daß wir im deutschen Vaterlande in Ansehung der Benutzung dieser herrlichen Nahrungsquelle307 noch sehr weit zurück sind.

Dieser Fehler hat seinen Grund in drei Hauptstücken. Als Erstes steht die Jagdlust der Fürsten. Ein Zweites ist die mangelhafte Verfassung der Forstämter. Als ein Drittes muß man die Unwissenheit der Forstbedienten erkennen.308


I. Schäden durch die Jägerei


Die Jagd war von jeher eine adlige Leibes- und Waffenübung der Fürsten. Nebenher hat sie auch den Zweck, die Länder von schädlichen Tieren zu reinigen. Wenn sich ihrer der Regent auf diese Weise und zu diesem Zweck bedient, so ist sie zulässig, nützlich und nötig.309 Allein, ein großer Teil der Landesherren hat nichts weniger als diese Absicht. Eine übertriebene Leidenschaft zur Jagd beherrscht dieselben.310 Daher wird auch eine übermäßige Menge Wildbret gehegt.

Jetzt will ich nicht sagen, welchen Schaden dieser Haufen Tiere der Landwirtschaft bringt, sondern allein vom Forstwesen reden. Einmal werden die Sommerlatten311 des jungen Gehölzes dadurch – soweit das Tier reichen kann – abgebissen, was ihrem Wachstum schadet. Zum andern wird auch der junge Anflug312 und Aufschlag313 auf diese Weise beschädigt und zu Grunde gerichtet.

Das aber ist der Schaden noch nicht allein! Ein solcher Regent überhüft sich mit Jagdbedienten, deren Besoldung schweres Geld kostet. Man sieht nur darauf, ob ein solcher Bedienter auch jagd- und hirschgerecht sei.314 Nicht geachtet wird aber darauf, ob er auch die Forsthaushaltung verstehe: und doch wird ihm gemeiniglich dazu noch das ganz wichtige Forstregal anvertraut.

Bei diesen Forstbeamten ist nun natürlicher Weise die Jagd das Hauptwerk, die Holzwirtschaft aber eine Nebensache. Der Zimmermann, Schreiner und Holzarbeiter kommt zum Jäger und möchte gern einen Stamm angewiesen haben. Er flattiert315 ihm, geht mit ihm in den Wald und bekommt oft den ersten besten Baum für ein Spottgeld. Dadurch nun werden die Wälder ausgeplentert,316 nach und nach voller Blößen und endlich zu dürren Heiden.

Das benachbarte alte Städtchen Otterberg317 gibt davon ein Beispiel. Vor sechzig bis siebzig Jahren hatte dieser Ort die schönsten Waldungen. Die schlechte Wirtschaft der damaligen Forstbedienten aber hatte diesen Schatz dergestalt verödet, daß man jetzt an Stelle der Waldungen ganze Strecken unfruchtbarer Heiden sieht, die nichts einbringen.

Im verwichenen Sommer sprach ich einen alten Bürger daselbst, welcher zu jenen Zeiten eine Gastwirtschaft betrieb. Er erzählte mir, daß damals die Holländer-Stämme318 dutzendweise abgehauen und losgeschlagen worden seien, das Stück für einen Gulden.319 Dafür hätten dann die Holländer die Forstbedienten herrlich traktiert.320 Er wisse sich wohl noch zu erinnern, daß der Wein damals in seiner Stube über den Boden hingeflossen sei.

Hätte man seinerzeit besser gewirtschaftet, so würde noch jetzt ein großer Teil der Bürger von den Holzmanufakturen leben können. Diese Manufakturen hatten sich damals durch die wallonischen Flüchtlinge321 so schön angepflanzt. Nun aber ist kaum ein Schatten mehr davon übrig.

Die Jagdlust des Fürsten verschafft also geschickte Jäger, aber gemeiniglich ungeschickte Forsthaushälter. Denn sie verstehen nur das Erstere, das Letztere aber nicht.322


II. Schwächen der Forstorganisation


Teils aus dieser Ursache, teils aus anderen rührt auch die schlechte Verfassung der Forstämter her. Die Kammer323 soll die Oberaufsicht über alle Quellen der fürstlichen Einkünfte haben. Sie hat darauf zu sehen, daß diese Quellen veredelt und immer ergiebiger gemacht werden.

Ist nun der Fürst ein Liebhaber der Jagd, so sind die Jagdbedienten nur allein von ihm abhängig, nicht aber von der Kammer. Indem sie nun zugleich die Forstwirtschaft verwalten, so kann die Kammer übler Haushaltung wegen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Die Forstwirtschaft wird also verabsäumt.

Der Oberjägermeister, wenn er auch zugleich Oberforstmeister ist, soll daher einen vorzüglichen Sitz und Stimme bei dem Kammer-Kollegium haben. Das Forstamt muß der Kammer gegenüber für seine Haushaltung responsabel und – wie das Bergamt – ein besonderes Departement desselben sein.324


III. Bildungslücken des Forstpersonals


Endlich ist nun noch die durchgängige Unwissenheit der mehresten Forstbeamten eine Hauptursache der schlechten Forstwirtschaft. Ein Jüngling, der sich derselben widmen will, verdingt sich gewöhnlich bei einem Jäger. Handwerksmäßig wird er ein Lehrjunge. Sein Hauptaugenmerk geht nun auf die Jagd; das Forstwesen ist ihm Nebensache. Ist er nun hirschgerecht, so wird er Jägerbursche und endlich Forstbedienter, ohne einmal die ersten Gründe der Forstwissenschaft zu kennen.

Es ist also gar kein Wunder, daß auch der rechtschaffenste Forstmann oft seiner Pflicht nicht Genüge leistet, weil er sie nicht kennt. Von Seiten des Regenten ist auch keine Änderung zu hoffen, so lange weder ihm noch seinen Ministern die Goldgrube bekannt ist, die in der Forstwirtschaft zu eröffnen und zu benutzen wäre.

Diese Betrachtungen haben uns bewogen, dieser wichtigen und edlen Kameralwissenschaft des Forstwesens jährlich einen Kurs zu widmen. Darin wird unseren Akademisten325 die Forstwirtschaft in wissenschaftlicher Gestalt vorgetragen. Für die Zukunft soll dadurch – wo immer möglich – zu einer besseren Forstverwaltung der Grund gelegt werden.

Als Lehrer dieser Wissenschaft werde ich dem Publikum nächstens ein Lehrbuch öffentlich im Drucke vorlegen.326 Darin werde ich diese Wissenschaft systematisch abhandeln. Zugleich mache ich einen schwachen Versuch zu zeigen, wie das Forstwesen auf die beste Weise in guten Stand zu setzen ist, wie man es darin behaupten könne und wie es zu benutzen sei. Freilich ist es schwer, zu diesem Zwecke das erste Lehrbuch zu entwerfen! Aber eben darum habe ich auch gerechten Anspruch auf die Nachsicht einsichtsvoller Forstmänner.327

 

Deutschland hat seit geraumer Zeit große, geschickte und patriotische328 Forstmänner gehabt und hat sie wirklich noch. Man hat die Forstbotanik der Barbarei entrissen und ihre Grenzen erweitert. Wer kennt nicht die Bemühungen rechtschaffener Männer, das Reich der Hölzer noch mit ausländischen edlen Waldprodukten zu bereichern und ihnen das deutsche Bürgerrecht zu verschaffen? Dadurch wird dem zukünftigen Forstmann zuverlässig der Weg gebahnt, das Forstwesen noch weit einträglicher zu machen.

Auch in dem Anpflanzen: im Bestandsetzen der Forsten hat man beträchtliche Schritte gemacht. Der Holzsparkunst wurde durch Einrichtungen und Schriften der Weg gebahnt. Durch Einteilung der Wälder in Schläge hat man hier und da nicht nur den jährlichen Forstertrag gesichert, sondern dadurch auch allem Holzmangel für die Zukunft vorgebeugt – und was dergleichen vortreffliche Anstalten mehr sind.


IV. Mangelhafter Gebrauch bestehender Möglichkeiten


Bei dem allem aber fehlt es doch noch durchgehends an der besten Forstnutzung. Das Verkohlen, Teerbrennen, Pottasche-Sieden, Harzreißen, das Malter- und Klafterholz und der Verkauf des rohen Baumholzes macht den ganzen Kreis der Forstnutzung aus.329 Noch muß ich die Mastung330 dazurechnen. Dieses aber ist ein sehr enger Zirkel.

Die Produkte des Forstregals könnten weit besser genutzt, weit einträglicher gemacht und zu einer großen Nahrungsquelle für den Fürsten und die Untertanen werden. Dies geschähe, wenn Forstmanufakturen angelegt, fremde edle Hölzer angepflanzt und alle kleinen Plätze der Forsten wirtschaftlich angebaut würden. Solchergestalt werden nicht mehr rohe, sondern verarbeitete Forstprodukte zu Handlungszweigen in und außer Landes umgeschaffen.

Vielleicht wendet man mir ein: wo man denn mit allen den Holzwaren am Ende bleiben solle? Diese Frage ist leicht zu beantworten, aber hier zu weitläufig. Daher beziehe ich mich auf meine nächstens herauskommende „Forstwirtschaft“. In ihr werde ich zeigen, wie ein rechtschaffener Forstwirt mit seinen gewonnenen Produkten am nützlichsten zu Werke gehen müsse.331

 


B. Muster vorbildlichen Holzgebrauchs


Beispiele lehren immer am sichersten; und Erfahrungen, aus der Geschichte gezogen, sind die gültigsten Zeugnisse neuer Lehrsätze. Der Lehrer soll sich damit bereichern und nie einen Schritt weitergehen, als ihm diese Leitsterne vorleuchten. Jenseits ihrem Schimmer ist lauter Ungewißheit und das Reich unseliger Projekte.332

Ich will diesmal eine Geschichte vornehmen. Sie sei in allen ihren Teilen betrachtet und dann daraus nützliche Lehren gezogen. Dabei seien hier und da jene Fingerzeige unterstrichen, welche allenfalls dem Forstwirt zur Verbesserung seiner Wirtschaft, zur Vermehrung der Einkünfte des Fürsten und endlich zu glückseliger Bevölkerung des Staates mit fleißigen und wohlhabenden Erwerbern333 beförderlich sein können.


I. Lage und Befinden im Amte Hilchenbach


In der nordöstlichen Ecke des Fürstentums Nassau-Siegen334 liegt das Amt und Kirchspiel Hilchenbach.335 Ostwärts liegen verschiedene Dörfer an dem großen, waldigen Gebirge, welches von Süden gegen Norden streicht, und welches ich in meinen vorigen Schriften mit dem Namen Giller belegt habe. Über dieses Gebirge hin erstreckt sich der Länge nach eine Grenze, welche das Fürstentum Siegen von den Grafschaften Sayn-Wittgenstein und Sayn-Wittgenstein-Berleburg unterscheidet.336

Alles ist hier mit Hochgewäld bewachsen. Es gehört auf beiden Seiten zum Forstregal, ist also herrschaftlich. Die weitläufigen Eisen- und Stahlfabriken des Siegerlandes337 brauchen jährlich eine große Menge Kohlen. Sie entspringen einenteils aus den in Schläge geteilten Holzungen der Bauern, andernteils aber aus den Waldungen Wittgensteins.

Der Prinz von Oranien als Landesherr des Siegerlandes338 hat ebenfalls eine sehr schöne Eisen- und Stahlfabrik auf dem fürstlichen Domänengut Lohe.339 Diese verarbeitet den Bergzehnten.340 Zu ihrem Betrieb wird jährlich ein gewisser Vorrat Kohlen aus dem oben gemeldeten Gewälde ausgeliefert.

Demzufolge wird das nassau-siegensche Forstregal hauptsächlich für Kohlen, hernach aber auch zu Zimmer- und Schreinerholz, besonders zum Hütten- und Hammerbau und dergleichen Werkstücken benutzt. Neben diesen Hauptgewerben bildete sich noch ein Nebengewerbe heraus. Dessen Geschichte will ich beschreiben, weil sie Anlaß zu manchen nützlichen Betrachtungen geben kann.


II. Verhältnisse in Helberhausen


In der nordöstlichen Ecke des Amtes Hilchenbach senkt sich ein sehr angenehmes Tal von Osten gegen Westen herab. Es ist von allem Seiten mit hohen Bergen umgeben. Oben, am Ende des Tales, liegt Oberndorf: ein Dörfchen von fünfzehn bis sechzehn Häusern. Etwa eine Viertelstunde weiter herab liegt ein ziemlich großes Dorf. Wenn ich mich nicht irre, umfaßt es vierzig Häuser; es heißt Helberhausen. Abermals eine Viertelstunde weiter herab nordostwärts und am Fuße eines hohen Berges liegt das kleine Dörfchen Hadem sehr angenehm in den Wiesen. Noch eine Viertelstunde weiter herab liegt der Flecken Hilchenbach in einer sehr angenehmen Fläche.341

Alle diese Orte haben gegen Osten das mäßig erhabene Gebirge des waldreichen Gillers. Die mehresten Leute in diesen Gegenden nähren sich nebst dem Ackerbau vom Kohlenbrennen, vom Verfahren342 derselben nach den Hüttenwerken oder von sonstigen mit dergleichen Geschäften zusammenhängenden Gewerben.343 Die Menschenart alldort ist eine von der besten. Sie ist sehr von der rohen sauerländischen Art unterschieden.344

Die Leutchen sind durchgehends voller Genie.345 Sie haben sehr gute Schulen346 und sind daher voller Erkenntnis. Man findet sie redlich und fein-natürlich, so wie die Bewohner der Alpen, und über das alles ziemlich wohlhabend nach ihrer Art.347 Bürge kann ich einem jeden Reisenden dafür werden, daß er mit großen Schätzen sicher unter diesen Leuten bei Tag und Nacht herumreisen darf – wenn er anders auswärtigen Landstreichern (deren es überall welche gibt) nicht in die Hände fällt.348


III. Drei Männer beginnen Löffelherstellung

 


1. Beruf und Stellung des Viehhirten


In dem obgenannten Dorfe Helberhausen wohnten um das Jahr 1690 drei Jünglinge, nämlich Johann Heinrich Claus, Johann Heinrich Helmes und Jost Heinrich Preis. Sie waren alle drei edle, biedere Burschen und alle drei Viehhirten. Diese hüteten ihre Herden um obige Dörfer herum. Öfters streiften sie auch, dortiger Hutgerechtigkeit349 gemäß, durch die weitläufigen Forsten und Waldungen des Gillers. Ein solcher Viehhirt hat ein romantisches, müßiges350 Leben. Er bekommt seine Kost von den Bauern, deren Vieh er hütet, so daß er von einem zum andern geht. Je nachdem, wieviele Stücke Rindvieh ein Bauer hat, muß er dem Hirten die Kost geben.351

Der Lohn, den diese guten Leute bekommen, ist sehr gering. Daher treiben sie gemeiniglich noch Nebengeschäfte. Besonders suchen sie sich den Winter über, weil sie dann nicht hüten können, durch allerlei Anschläge352 etwas zu verdienen. Obige drei Jünglinge waren tätig und sparsam, ihre Eltern aber unvermögend. Sie hatten kein Handwerk gelernt und besaßen auch keine Güter, um Landwirtschaft betreiben zu können. Das Viehhüten war indessen kein Gewerbe, wodurch sie sich und ihre Familien hätten nähren können.


2. Holzlöffel als Besteck


Fast jedermann speiste zu der Zeit noch mit hölzernen Löffeln, wenigstens alle Bürger und Bauern. Daher wurden diese Löffel ungemein viel gebraucht. Sie waren zugleich rar und übel353 zu bekommen. Denn kein Holzarbeiter gab sich allein damit ab, sondern betrieb das Löffelmachen als ein geringes Nebengeschäft. Zudem waren sie so elend und grob zubereitet, daß sie wegen ihrer Größe und Rauheit kaum zu gebrauchen waren. Ich habe in der Grafschaft Mark noch solche uralte Löffel gesehen und auch damit gegessen.354 Daher weiß ich aus Erfahrung, welch ein großes und schwüligtes355 Maul zu diesen Maschinen erfordert wird.

Mir ist nicht genau bekannt, woher ehemals die Krämer die hölzernen Löffel bezogen. Es kommt mir aber wahrscheinlich vor, daß sie auf dem Winterberge gemacht wurden, einem kurkölnisch-westfälischen Städtchen an der waldeckischen und hessischen Grenze.356 Denn von undenklichen Zeiten her bis jetzt liefert dort eine weitberühmte hölzerne Gerätemanufaktur alles, was in diesem Bezirke und durch alle Niederlande357 hindurch bis ans Meer an hölzernem Hausrat gebraucht wird.


3. Mängel in der Marktversorgung


Ich kann nicht umhin, hier schon die Anmerkung zu machen, daß die Landesregierungen gemeiniglich dergleichen Gewerbezweige für allzu gering erachten, als daß sie ihnen durch eine gute Handwerkspolizei358 vorstehen sollten und ihre Ware durch nützliche Schauanstalten359 zu verbessern suchen. Das ist ein großer Fehler!

Würden die Winterberger ihre hölzernen Waren fein und sauber bearbeiten, sie glatt und zierlich ausdrehen, die schönsten Hölzer dazu nehmen und sie (wo es stattfindet) mit schönem Schnitzwerk gleichsam zu Prachtwaren ausbilden, dann gebrauchten sie auch Vornehmere. Der Vertrieb würde größer sein. So wüchse auch der Wert und mithin die eingehende Geldmasse.

Wem aber dieser Artikel360 noch zu gering und schlecht vorkommt, dem wird bei Verfolg dieser Abhandlung anders zu Mute werden.


4. Beginn der Löffelherstellung


Eigentlich weiß ich nicht, welcher unter den obigen drei braven Hirten zuerst auf den Einfall geriet, hölzerne Löffel zu machen. Genug, sie fingen um das Jahr 1690 alle drei an, beim Viehhüten hölzerne Löffel zu schnitzen. Sie taten dies während des Viehhütens aus getrocknetem Ahornholz mit etlichen einfachen Schneidwerkzeugen. Der Anfang war unbeträchtlich. Ein Löffel wurde für einen halben Kreuzer verkauft.361 Anfänglich konnten sie manchen während eines Tages gar nicht fertigmachen

Indessen war es doch den Hirten ein Nebenverdienst. Ihr ganzer Drang ging nur dahin, das neu angefangene Handwerk zur Vollkommenheit zu bringen, und zwar in Ansehung der Fehlerlosigkeit und Schönheit, als auch in Rücksicht der größeren Geschwindigkeit.

Dies ist eben das große Ding, das so manchem wackeren Manne fehlt. Mancher fängt wohl an, etwas zu künsteln. Allein, seine Kraft ist Samen, auf einen Felsen gesät: er verdorrt, sobald er aufgeht. Solche praktischen Projekte sind eben so schlimm wie die theoretischen.362 Denn niemand unternimmt gern, was einmal mißlungen ist.

Unsere Hirten bemühten sich um die Wette, ihr neu angefangenes Handwerk zu einer ergiebigen Nahrungsquelle zu machen. Es gelang ihnen. In einigen Jahren hatten sie eine solche Fertigkeit darin erlangt, daß sie sich damit nähren konnten. An Absatz fehlte es ihnen nicht; und das rohe Produkt, das Ahornholz, bekamen sie sehr wohlfeil.

 


IV. Löffelherstellung blüht auf


Diese Manufaktur fing also sehr klein an. Sie ordnete und bildete sich aber nach und nach in größter Geschwindigkeit zu einem ansehnlichen Gewerbe. Sie war eine Pflanze auf ihrem natürlichen Boden, wo sie immer am besten gedeiht.


1. Günstige Rohstoffgrundlage


Ich kann es nicht mit genugsamem Nachdruck sagen, wie wichtig die Regel bei neu anzulegenden Fabriken sei:

daß man den Boden wohl untersuchen müsse,
wo man eine solche Pflanze hinsetzen will.

Daß heißt: das ganze Gewerbe einer Gegend muß auf das genaueste geprüft werden. Wo man aus der Landwirtschaft weder Materialien noch Erwerbungsmittel363 ziehen kann, da ist die anzulegende Manufaktur ein fremdes Gewächs. Und wehe ihr, wenn man sie im Treibhaus pflegen soll! Da wird nie etwas daraus, und der Staat leidet unersetzlichen Schaden.

Es ist daher eine goldene Regel: die Beamten müssen überall ein wachsames Auge auf die Gewerbe haben. Und wo sich hier und da solche Hirten oder Clarenbache 364 finden, da müssen sie unterstützt, erleichtert und gepflegt werden. Da ist es Zeit, daß man helfe, aber behutsam! „Eile mit Weile“ ist der beste Rat. Es läßt sich in Kürze nicht sagen, wie vorsichtig man in solchen Fällen sein müsse. Dazu ist aber auch hier der Ort nicht.365


2. Keine behördliche Unterstützung


Zu Helberhausen fehlte den neuen Manufakturanten alle Unterstützung. Das Siegerland stand damalen nicht in der besten Verfassung. Das Ländchen war in zwei Fürstentümer geteilt. Beide Fürsten residierten zu Siegen. Einer war katholisch, der andere reformiert.366 Beide lebten immer in Feindschaft.367 Die Regierung des katholischen Fürsten war so beschaffen, daß er endlich durch eine kaiserliche Kommission auf immer aus seinem Ländchen vertrieben wurde.368 Der reformierte Fürst hielt sich mehrenteils in Holland auf. Die alten Greise dorten wissen nicht genug zu sagen, wie betrübt die damaligen Zeiten gewesen sind.

Die Hirten lebten also in ihrem einsamen Dorfe fort. Sie heirateten, und bekamen durch ihre Weiber Haus und Güter. Nun waren sie wirklich Bauern. Die Zeit, welche sie von ihrem kleinen Ackerbau übrig hatten, verwandten sie auf ihr neues Handwerk.


3. Löffelherstellung erweitert sich


Ihre Nachbarn bemerkten indessen gar bald, daß die drei Männer brav Geld verdienten und dabei im Trockenen sitzen konnten. Das Kohlenbrennen und Kohlenfahren369 ist schmutzig und beschwerlich. Endlich war dieses Gewerbe nicht groß genug, als daß sich ein jeder damit hätte nähren können. Denn die Bauerngüter sind dort sehr klein geteilt, so daß ihre Arbeit eine ganze Familie nicht beschäftigen kann.

Daher fing nun einer nach dem anderen an, auch hölzerne Löffel zu machen. Dazu waren die drei Stifter des Handwerks in allewege behilflich. Jedem, der sie fragte, entdeckten sie ohne Rückhalt freundlich und willig die Handgriffe, welche sie schon durch Fleiß, Genie und Erfahrung gelernt hatten.

Dieser menschenliebende Zug in dem Charakter jener Biedermänner370 macht sie uns völlig verehrungswürdig. Es gibt Künstler371 genug, die noch schwerere Sachen als die Verfertigung eines hölzernen Löffels erfinden. Auf Seiten des Genies hatten diese Leute eben nichts Hervorstechendes. Daß sie mit Fleiß und Eifer ihr Handwerk verbesserten, war natürlich. Dazu konnte sie die Liebe zum Gewinn antreiben. Gibt es doch Leute genug, die, durch diesen Trieb geleitet, noch schwerere Sachen durchsetzen.372

Daß sie aber willig und sogar unentgeltlich ihren Nachbarn die Handgriffe zeigten und ihnen ihren Brotgewinn mitteilten, das war mehr als gewöhnliche Menschennatur. Religion, ein gutes Herz und warme Liebe des Nächsten leitete sie, und sie ließen sich leiten. Daher müssen wir sie auch billig in den ersten und erhabendsten Rang guter Menschen setzen. Sie waren echte Patrioten!373

Wer würde sie getadelt haben, wenn sie ihr Handwerk geheim gehalten und für sich behalten hätten? Es wäre ihnen zu der Zeit nichts leichter gewesen, als ein Monopol für sich und ihre Nachkommen zu erhalten. Aber das alles kam ihnen nicht in den Sinn. Sie suchten, gemeinnützig zu werden.

 


4. Kosten und Erträge der Ahornlöffel


Nach und nach vermehrte sich die Anzahl der Löffelmacher im Dorfe Helberhausen auf vierzig Mann. Sie verarbeiteten nichts anderes als ahornenes Holz. Gemacht wurden bloß Eßlöffel. Das Holz bezogen sie aus den benachbarten westfälischen, berleburgischen und wittgensteinischen Ländern. Im Siegenschen hielt man schon damals mit dem Gehölze genauer Haus, um nicht dereinst Mangel an Holzkohle zu haben.374

Sie kauften das Ahornholz karrenweise. Eine Pferdeladung oder Karre bezahlten sie mit einem Gulden.375 Daraus wurden zweitausend Löffel verfertigt. Das Stück verkauften sie um einen halben Kreuzer; im großen Absatz376 aber das Hundert für achtundvierzig Kreuzer. Folglich wurden aus einer Karre Holz sechzehn Gulden herausgebracht.

Die Löffelmacher führten ihr Handwerk bald zu einer großen Fertigkeit. Täglich bis zum Feierabend bestimmte man 60 Stück für jeden einzelnen Mann. Fleißige Arbeiter konnten auch noch einige Stücke mehr machen.

Obgleich sich diese Leute wenig mit dem Ackerbau abgeben und denselben größtenteils ihren Weibern und Kindern überlassen,377 so will ich doch jeden Arbeiter jährlich nur zweihundert Tage auf sein Handwerk verwenden lassen. Folglich verdient er jährlich mit demselben hundert Gulden. Dieses vierzigmal genommen, macht viertausend Gulden, welche jährlich außer Landes her in ein einziges Dorf von etwa vierzig Haushaltungen einflossen. Gewiß: eine beträchtliche Summe für ein wirtschaftliches378 Dorf, wo jeder Bauer des Sparens gewohnt ist und weiter keinen Aufwand macht, als was zur Notdurft gehört. Von dieser Summe wanderten jährlich nicht mehr als zweihundert Gulden für Ahornholz außer Landes. Das einzige Dorf Helberhausen vermehrte also die jährliche Geldmasse379 des Siegerlandes mit ungefähr dreitausend und achthundert Gulden!


5. Vertrieb der Löffel


So wie sich diese neue Manufaktur von selbst gebildet hatte, so bildete sich auch der Warenabsatz von selbst. Die siegerländer Weiber lieben den Gartenbau und sind sehr fleißig. Eine jede Hausfrau bestimmt jährlich ein großes Beet in ihrem Garten zu Flachs. Diesen verarbeitet sie zu Tuch, welches ihr und den Ihrigen die nötige Leinwand auswirft, Gewöhnlich behält sie auch noch etwas übrig, das sie verkaufen kann.

Im Oberbergischen, in der Herrschaft Gimborn380 und in dem dort anstoßenden kurkölnischen Westfälischen,381 sind Gewerbe und Gewinn sehr schlecht. Daher finden sich daselbst tätige Leute, welche sich auf den Handel legen. Die Lage ist ihnen dazu beförderlich, weil sie Köln in der Nähe haben. Diese Männer nehmen ihre Tragkörbe auf den Rücken.382 Sie streichen durch das benachbarte Siegerland und kaufen den Weibern ihren Überrest leinenen Tuches ab. Dieses tragen sie nach Köln den Krämern zum Verkaufe hin.

Durch diese Gelegenheit wurden die ersten Löffelmacher in den Stand gesetzt, ihre Ware zu verkaufen. Die Leintuchmänner (wie sie dort genannt werden) nahmen den kleineren oder größeren Vorrat an Löffeln mit. Sie verhandelten383 diese hin und wieder an die Bauern, so gut sie konnten. Nach und nach, als das Löffelhandwerk anwuchs, verwandelten sich viele Leintuchmänner in Löffelmänner. Sie fingen nun an, bloß mit Löffeln zu handeln. Sie fanden auch endlich im großen ihren reichlichen Absatz zu Köln. Ganze Pferdslasten dieser Ware wurde zu Schiff nach Holland versandt. Von da gingen die Löffel in alle Welt, vorzüglich aber nach Westindien.384


6. Rohstoffprobleme


Die Löffelmacher vermehrten sich nach und nach bis auf achtzig Arbeiter. Seit vierzig Jahren her hat sich diese Anzahl ziemlich beständig erhalten. Sie hat sich weder sonderlich erhöht noch vermindert.

Der ausländische Vorrat des Ahornholzes wurde nach und nach ganz verbraucht. Nun mußten sich die Löffelmacher an die Regierung in Siegen wenden, um aus den herrschaftlichen Forsten ihr notwendiges Werkholz zu ziehen. Ihr Gesuch wurde erhört; man wies ihnen das Ahornholz in den Wäldern an.

Aber auch dieser Vorrat ist gänzlich verarbeitet, so daß jetzt nur noch Birkenholz dazu gebraucht wird. Dieses Holz ist aber unansehnlich. Die Ware wird durch den Gebrauch schmutzig-grau, während ein ahornener Löffel nach und nach goldgelb und sehr glatt wird. Die Manufaktur sinkt also. Es steht zu befürchten, daß sie nach und nach erlischt, wenn ihr nicht mit Macht aufgeholfen wird.385


7. Kosten und Erträge der Birkenholzlöffel


Der Ankauf des Birkenholzes geschieht anjetz malterweise.386 Ein solches Malter hält drei Pferdslasten. Jede kommt mit Unkosten auf zwei Gulden und zwanzig Kreuzer. Daraus verfertigen sie nun fünfzehnhundert Löffel. Das Hundert wird zu achtundvierzig Kreuzer verkauft. Mithin wird eine Karre Holz auf zwölf Gulden gebracht.

Noch jetzt bringt also die Helberhauser Löffelmanufaktur, jährlich achtzig Arbeiter gerechnet, achttausend Gulden in das Land. Ungefähr eine Million Löffel werden versendet. Die herrschaftliche Forstkasse bezieht davon für das Werkholz bei tausend Gulden. Höher will ich diesen Holzverkauf nicht veranschlagen, weil vielleicht der Handwerksmann das eine oder andere Stämmchen aus seinem eigenen Gebüsche zieht oder auch zuweilen eine Karre Holz außer Landes her bekommen kann.

Welch ein wichtiger Nahrungszweig ist dieses so unansehnliche Gewerbe für ein einzelnes Dörfchen! Und welche Winke gibt das doch dem Staatswirt, auf die kleinen Gewerbe ein wachsames Auge zu haben. Er soll sie wie nützliche Pflanzen warten und pflegen. Er muß ihrer in seinem Lande so viele anbauen, als ohne Schaden für die Landwirtschaft und der Grundglückseligkeit des Ganzen nur möglich ist.


V. Technik des Löffelmachens

 

Ehe ich nun zu meinem Hauptzwecke (nämlich: zu nützlichen Bemerkungen über die Forstwissenschaft, hergeleitet aus der Geschichte der Helberhauser Löffelmanufaktur) übergehe, will ich noch in kurzen Worten die Handgriffe des Handwerks beschreiben.

 


1. Löffel-Rohling

Bevor der Löffelmacher in den Feierabend geht, zerschneidet er ein Stück Holz in Klötze, welche die Länge eines Löffels haben. Dieser Klötze macht er so viele, als die folgende Tagesarbeit erfordert.

Des Morgens fängt er die Arbeit damit an, daß er die Klötze spaltet. Der Löffelmacher sitzt dazu auf einem Stuhle und hat einen Block vor sich. Auf diesen setzt er den Löffelklotz. Er nimmt in die linke Hand eine Heppe: dies ist ein längliches, viereckiges hauendes Instrument. Die Heppe setzt er auf den Klotz. Mit der rechten Hand schlägt er vermittelst eines starken hölzernen Kolbens auf die Heppe. Solchergestalt spaltet der Löffelmacher alle Klötze nacheinander in kleine Holzstücke, deren jedes einen Löffel gibt.

Wenn er nun seine sechzig Löffel neben sich liegen hat, so behaut er sie mit eben dieser Heppe aus dem Groben. Da habe ich mich nun über die Geschicklichkeit dieser Männer sehr verwundert.


2. Platte und Stiel des Löffels

Der Löffel hat eine Platte und einen Stiel. Die Platte wird rund und hohl. Der Stiel aber hat vor der Platte ein Knie.

Das Behauen geschieht folgendergestalt. Die Löffelhölzer sind etwa einen halben Schuh lang, drei Zoll breit und bei anderthalb Zoll dick, also platt.387 Nun tut der Löffelmacher einen schiefen Hieb mit seiner Heppe in die eine Seite des Klötzchens und sprengt das eingehauene Stücklein Holz weg. Der zweite Hieb ist auf der anderen Seite eben derselbe. Jetzt erscheinen schon Stiel und Platte im Groben.

Der Löffelmacher haut jetzt von vorn zu. Er hält den Stiel aufrecht, schief gegen die Platte herab. Die Platte hält er oben, setzt oben die Heppe an und klopft mit fünf bis sechs Schlägen mit Heppe und Holz auf den Haublock. Nunmehr ist das Knie und die Oberfläche der Platte da. Er haut darauf auch mit einem Hiebe hinten das Knie ein. Das eingehauene Stücklein Holz sprengt er vom Stiele ab. Er bricht nun überall die Ecken mit seiner Heppe. Damit ist der Löffel aus dem Groben gehauen.

Auf diese Weise behaut er nun alle sechzig Löffel nacheinander. Das ist in zwei Stunden geschehen.


3. Beschneiden und Figurieren der Löffel

 

 

Der Löffelmacher nimmt nun ein scharfes, lanzenförmiges Messer in die Hand. Damit beschneidet er einen Löffel nach dem anderen auf dem Knie. Dadurch gibt er ihm seine gehörige Figur. Ein guter Arbeiter kann in drei Stunden seine sechzig Löffel beschneiden.

Der Löffel ist aber bis jetzt noch nicht hohl. Zum Aushohlen gebrauchen sie ein Messer, welches in einem halben Zirkel gebogen ist und gerade in der Weite, welche die Höhlung des Löffels haben soll. Dieses Hohlmesser hat einen langen Stiel. Mit diesem faßt es der Arbeiter in die rechte Hand. Er legt diese Hand mit dem Ellenbogen auf sein linkes Knie. Dadurch wird er in den Stand gesetzt, das Messer fest und unbeweglich zu halten.

Mit der linken hohlen Hand hält der Arbeiter nun die Löffelplatte. Diese führt er im Zirkelbogen so lange längs dem ruhenden Hohlmesser, bis der Löffel hohl genug ist. Da nun alle Schnitte gegen den Ballen des linken Daumens gehen, so wird hier ein Span zwischen dem Löffel und dem Ballen gepackt. Dadurch bewahrt man die Hand vor Verletzungen.

Das Aushöhlen der sechzig Löffel mag vier Stunden Zeit erfordern. Nun werden sie noch mit einem anderen Messer der Reihe nach geschabt und sozusagen poliert. Dies ist in kurzer Zeit geschehen. Alsdann werden die in gelinder Wärme getrocknet und zum Verkaufe aufgehoben.


VI. Fabrikationsverhältnisse


Die Helberhäuser Löffelmacher sind durchgehends wohlhabende Leute. Freude und Wohlbehagen sieht man allenthalben. Den Sommer über arbeiten sie gewöhnlich in Schuppen. Diese bauen sie sich zu dem Zweck vor ihre Häuser oder in ihre Bauernhöfe. Die Nachbarn kommen gewöhnlich da zusammen und schaffen mit geselliger Freude und Vergnügen.

Die Väter pflegen ihren Söhnen den Feierabend zu bestimmen. Was sie mehr machen, behalten sie. Sie können sich dadurch ledigen Standes einen Taler388 ersparen, der ihnen hernach wohl zustatten kommt. Dies muntert junge Leute sehr zur Arbeit auf. Es befördert auch ihre Geschicklichkeit und Geschwindigkeit in dem Handwerk.

Verschiedene unter ihnen legen sich auch wohl auf feinere Arbeit. Entweder auf Bestellung oder auch auf Kauf verfertigen sie hübsch ausgestochene und schön geschnitzte Löffel aus ausgesuchtem Holz. Der siegerländische Bauer pflegt durchgehends keine anderen Löffel zu gebrauchen als solche, die von schönem Holze gemacht und mehr oder weniger ausgeziert sind.

 


D. Lehren aus der Löffelherstellung

 

Bei dieser Geschichte fallen nun wichtige Fragen an, die dem Forstwirt wie dem Staatswirt sehr nützlich sind, wenn sie richtig beantwortet werden. Die Löffelmanufaktur müßte dauerhaft gegründet, verbessert und erweitert werden. Dies ist ein Grundsatz, den niemand leugnen kann.

 


I. Rohstoffsicherung

Die dauerhafte Gründung besteht darin, daß man so viel Ahornholz anpflanzt, als zur stärkeren Betreibung der Manufaktur nötig ist. Denn die Natur hat keine Holzart, die sich besser dazu schickt, als den Ahornbaum. Dazu wächst dieses Holz dort auch noch gut. Eine wuchsige Ahornpflanze hat in ihrem sechzigsten Jahr ihr volles Alter und vollkommenes Wachstum erreicht. Die Löffelmanufaktur wäre also auf immer gegründet worden, wenn man zu Anfang dieses Jahrhunderts, als man sah, daß dieses Gewerbe wichtig werden würde, damit angefangen hätte, auf mäßig fette, lockere und nahrhafte Plätze Ahorn zu säen. Solche Plätze hat man in den dortigen weitläufigen Waldgegenden genug, die nur Heide oder Ginster tragen.

Dieses Ansäen hätte man von Jahr zu Jahr fortsetzen müssen. Ehe nun der hin und wieder in und außer Landes von selbst wachsende Ahornbaum verbraucht worden wäre, hätte man Vorrat genug gehabt. Jetzt hätte man schon lange die neu angepflanzten Bäume verkaufen können. Die Forstkasse wäre dadurch von Jahr zu Jahr mit einem beträchtlichen Zuwachs versehen. Zum Besten des Staates wäre so das Handwerk auf immer dauerhaft gegründet.


II. Ökonomische Voraussicht des Forstwirts

Hieraus fließt die Lehre, daß der Forstwirt in seinen Gegenden und Revieren die Holzgewerbe wohl beobachten müsse. Daraus hat er zu schließen, welches sowohl dem Forstwesen als auch dem Staate am nützlichsten werden könne. Dieses muß er aufmuntern und unterstützen.

Holzpflanzen wachsen sehr langsam. Der Forstwirt muß daher frühzeitig dafür sorgen, daß den Holzgewerben so viel als möglich eine unversiegende Quelle auf immer gesichert werde. Dies aber geschieht durch wirtschaftliche Anpflanzung des bequemsten Gehölzes.

Wenn der Forstmann auf solche Weise tätig ist: wenn er, mit Weisheit und wirtschaftlicher Kenntnis ausgerüstet, alle Plätze seiner Forsten mit den zweckmäßigen Hölzern anbaut und zugleich durch sorgsame Unterstützung der Holzhandwerker sowie durch deren Vermehrung für den Absatz seiner Forstprodukte sorgt, so kann er das Forstregal zu einer höchst einträglichen Nahrungsquelle machen, die dem Fürsten und dem Staate höchst gesegnet werden muß.

Soll die Helberhauser Löffelmanufaktur jetzt noch vor dem Untergang gerettet werden, so muß man so lange für den gehörigen Vorrat an Birken sorgen, bis man durch schleunige Anstalten zum Ahornsäen nach und nach dieses Holz wiederum erzogen sowie einen genugsamen Vorrat auf die Zukunft durch alljährliches Ansäen gesichert hat. Die nassauische hohe Landesregierung ist eine Zeit her in einer solchen herrlichen Verfassung,389 daß sich die sämtlichen Untertanen alles zu ihr versehen können, was nur zu ihrer Glückseligkeit beförderlich ist.


III. Qualitätssteigerung durch Großhändler

Die Verbesserung einer Manufaktur beruht auf Vervollkommnung der Ware und auf Vermehrung des Absatzes. Das Erstere ist zu dem Letzten sehr beförderlich. Zu Helberhausen ist kein Schaugericht.390 Vielleicht ist auch keines nötig. Aber sehr vorteilhaft wäre es, wenn sich die guten Leute auf feine und einwandfreie Ware legten.

Hierzu wäre es besonders beförderlich, wenn sich ein wohlhabender Mann aus ihrer Mitte aufmachte und gleichsam einen Manufakturhandel mit dieser Ware anfinge. Ein solcher Mann müßte selbst nach Köln und sogar nach Holland reisen, um sich dort nach dem Absatz zu erkundigen und große Lieferungen auf einmal zu akkordieren.391 Dann würde er Gelegenheit finden, verschiedene bessere und schlechtere Sorten, mithin auch höhere, mittlere und niedrige Preise zu bestimmen.

Weil nun die schönste Ware immer den leichtesten Absatz findet – besonders dort, wo die Preise des einzelnen Stücks so gar unbeträchtlich sind, wie bei hölzernen Löffeln392 – so würden in den schönsten Waren die größten Lieferungen begehrt werden. Nach und nach würden sich Handwerk und Ware verbessern. Der Einfluß des fremden Geldes würde sich aus verschiedenen Gründen sehr vermehren. Dies geschähe einmal durch den höheren Preis der besseren Ware und zum anderen dadurch, weil hiermit der vielfältige Zwischenhandel der sogenannten bergischen und kölnischen Löffelmänner (die doch den Nutzen mit den Helberhäusern teilen) aufhörte.

Der Handelsmann würde seinem Nachbarn die Löffel ordentlich abkaufen. Weil er jetzt für die Güte der Ware haftet, so müßte er alle schlechten Stücke ausschließen. Dadurch würde der Löffelmacher gewitzigt393 und zur Verfertigung besserer Ware angetrieben. Endlich könnte ein solcher Handelsmann, wenn er in der Handlungswissenschaft einiger Maßen erfahren wäre, gegen holländische nötige Waren barattieren.394 Er könnte solchergestalt einen sehr einträglichen Handel führen. Auf diesem Wege müßte die Verbesserung der Ware und die Vermehrung des Absatzes notwendig erfolgen.


IV. Vorteile des nicht erzwungenen Handels

Wenn eine Manufaktur recht blühen soll, dann ist es nicht gut, wenn ein jeder Arbeiter Handel betreibt. Vielmehr werden Kaufleute erfordert, die dem hilfsbedürftigen Handwerksmann im Falle der Not Vorschub leisten können. Sie müssen auch die Waren in großen Lieferungen gegen kaufmännische Akkorde so weit als möglich versenden.

Man hüte sich aber, daß man hier der Sache nicht durch Zwang und Gesetze zu helfen suche. Das ist der sicherste Weg, um die Manufakturen zu Grunde zu richten, denn:

Freiheit ist die Seele der Handlung!

Man lasse einen jeden handeln. Der Handwerksmann verkauft ja gewiß dem, der ihm am mehrsten gibt. Das aber tut allemal derjenige, welcher ins Große handelt. Mithin würden die Helberhäuser nach und nach von selbst aufhören, an ihre Löffelmänner zu verkaufen, sobald sich einmal ein Mann finden würde, der ihnen sicher und zu allen Zeiten ihre Waren abnähme und ihnen im Notfalle Geld vorschießen könnte. Ein solcher Mann müßte aber wenigstens achttausend Gulden im Verlage haben,395 ehe er den Handel antreten dürfte.


V. Produkterweiterung fördert die Forstwirtschaft

 

 

Unter der Erweiterung einer Manufaktur verstehe ich die Vervielfältigung ihrer Waren. Ein Manufakturist muß mit allem Fleiße Mannigfaltigkeit suchen. Wenn man daher gleich anfangs durch eine sorgfältige Forstwirtschaft für genugsamen Holzvorrat gesorgt hätte, so hätten die dortigen Forstbedienten nach und nach allerhand Holzarbeiter anstellen können. Dadurch wird überall gewonnen. Wo Teller, Schüsseln, Löffel, Fässer, Spinnrad-Spulen, Häspel,396 Stühle, Tische, mit einem Wort: alle hölzernen Geschirre gemacht werden, da geht kein Stückchen Holz verloren. Was der eine nicht brauchen kann, das braucht der andere.

Da muß nun ein Forstmann sein wohlversehenes Holzmagazin haben. In ihm werden von den edelsten Holzarten große und kleine Stücke aufbewahrt. Er selbst muß alle Holzarten kennen. Auch muß er wissen, was aus jedem Stücklein Holz gemacht werden kann, sowohl nach seiner inneren Güte als auch nach seiner äußeren Figur. Jetzt erst kann er zum unsäglichen Vorteil seiner Kasse und des Staates seine Produkte recht benutzen und zugleich vielen Menschen Nahrung geben.

Dies alles fällt nun freilich noch zur Zeit in Helberhausen weg. Denn es mangelt sogar der einfachen Löffelmanufaktur an Holz. Mein Zweck ist nur, nach Anleitung dieser Geschichte rechtschaffenen Forst- und Staatswirten nach meinen geringen Einsichten lehrreiche Winke zu geben.


E. Gedenken an Siegerländer Pionier-Unternehmer


Wenn wir nun betrachten, welche Vorteile die drei Hirten durch ihren Fleiß und durch ihre vaterländische Gesinnung ihrer Heimat zugewendet haben, und daß sie die wahre Ursache einer blühenden, glückseligen Nachkommenschaft waren, so müssen wir wahrlich ihre Asche segnen und ihrer mit Ehrfurcht gedenken. Ich bin stolz darauf, daß einer aus meiner Familie kommt. Er war der Bruder meiner Großmutter Margarethe Stilling. Wie oben gemeldet, hieß er Johann Heinrich Helmes. Sein Name ist durch die Taufe auf mich vererbt worden.397 Ich wünsche von Herzen, daß auch sein edler, frommer und segensvoller Geist zwiefältig auf mir ruhen möge!

 


Sparsamer Holzverbrauch398

 


A. Mißerfolg bisheriger Vorschläge

 

Es sind von jeher so viele Bemerkungen über den Mißbrauch des Holzes und dessen Ersparung geschrieben und so viele Sparöfen und Sparherde erfunden worden, daß bald nichts mehr zu bemerken übrig ist. Und doch sind wir noch immer da, wo wir waren! Damit will ich aber nicht sagen, daß jene Vorschläge} nichts taugten, sondern nur, daß es an der Ausführung der besten unter ihnen fehlte. Dies muß aber auch wohl seine Ursachen haben. Sie sind dort zu suchen, wo alle Polizei-Theorien399 scheitern, wenn sie in Wirksamkeit gesetzt werden sollen.

 


I. Mehrverbrauch bei niedrigen Preisen

Als ich noch an der Kameral Hohen Schule zu Lautern angestellt war,400 kamen täglich Bauern mit Holzkarren, vor welche zwei Ochsen gespannt waren. Sie verkauften eine solche Ladung für einen halben Gulden.401 Sie frevelten402 dieses Holz, zahlten jährlich ihre Holzrüge403 mit ein paar Gulden und trieben dann ihr Gewerbe wieder ruhig fort. Jedermann kaufte dieses Holz: die Beamten aller Art ebenso unbefangen wie der Bürger. Die Holzverkäufer hatten so lange nichts Arges darinnen, als der Zeitraum von einem Rügetag zum anderen dauerte.

Dennoch wurde in den Haushaltungen dadurch nichts erspart. Denn ich brauchte in Lautern eben so gut 80 Gulden jährlich für Brennholz als hernach in Heidelberg,404 wo man es regelmäßig405 und nach der vorgeschriebenen Ordnung kaufte. Der Grund davon lag darin, daß man in Lautern einen ganzen Arm voll ins Feuer legte, um ein Maß406 Teewasser zu kochen. Auch machte man den Ofen glühend, wenn es draußen nur gereift hatte. Die Wohlfeilheit eines Befriedigungsmittels vermehrt seine Konsumtion – und bei gestohlenem Gut ist ohnehin kein Segen.


II. Raum für Einsparungen

In meiner vaterländischen Hauptstadt Siegen407 hingegen kochte man Fleisch und Gemüse für eine ganze Haushaltung bei einer Hand voll kurz gebrochener Stecken und Reiser. Auch der Wohlhabende vertat wenig Holz, denn die Mägde waren an das Sparen gewöhnt. Man begnügte sich mit einer mäßigen Stubenhitze und glaubte auch hier, daß zu viel ungesund sei. Sitzt doch auch der Holländer gesund und vergnügt in seinem Feuer-Stübchen bei seinem Kamin, ohne von einem Ofen etwas zu wissen. Warum sollte das nicht auch der Deutsche lernen können?

Was also ist zu tun? Wie hat man es anzufangen, wenn alle Vorschläge zur Holzersparung nicht vergeblich und bloß in den Wind geredet sein sollen? Diese Frage kann nicht anders als durch die Erörterung einer anderen Frage beantwortet werden. Sie lautet: Woran hat es bisher gelegen, daß jene Vorschläge noch nicht ausgeführt wurden?


B. Hemmnisse der Durchsetzung

Wenn auch hier oder da ein Vornehmer, Gelehrter oder Kaufmann Gebrauch von dem einen oder anderen Holzsparungsmittel macht, ja wenn die ganze Klasse der Honoratioren408 Sparöfen und Sparherde anschaffte, so würde das schon etwas helfen. Im Ganzen aber wäre dann doch so viel wie nichts dadurch gewonnen. Denn hier kommt es eigentlich auf die Volksmasse an: auf die Bürger und Bauern. Diese müssen dahin gebracht werden, daß sie nicht mehr Holz verbrauchen, als die Notdurft erfordert. Dann erst ist der Zweck erreicht.


I. Gleichgültigkeit und Unbotmäßigkeit

Allein, eben hier ist die Hauptursache sowohl der Holzverschwendung als auch der Nichtausführung der Ersparungsvorschläge zu suchen. Der gemeine Mann wird ganz durch den Schlendrian409 beherrscht. Sein Geist ist nicht zum Nachdenken und Selbsterfinden gewöhnt. Was er von Jugend auf gesehen, bzw. so, wie er seinen Geschäfts- und Haushaltungsgang gelernt hat, das macht er unerbittlich nach. So setzt er es auch hartnäckig fort. Nur dann, wenn ihm ein großer Gewinn nahe vor der Nase liegt, dann mag er wohl den gewohnten Weg verlassen und den vorteilhafteren einschlagen. Sonst hält es schwer, ihn aus der Verschanzung seiner Vorurteile herauszuheben.

Eben dieses alles trifft bei seinem Holzgebrauch am vollkommensten zu. Seit Jahrhunderten her ist besonders der Bauer in dem Wahn, das Holz sei ein gemeines Gut. Der Landesherr habe sich den Wald bloß um der Jagd wegen zugeeignet. Daher macht sich auch der gewissenhafteste und rechtschaffenste Bauer aus dem Holzfrevel nichts. Dies erbt sich von den Eltern auf die Kinder fort. Wenn man es besonders in waldigen Gegenden dahin bringen will, daß sich der Hausvater mit einem gewissen gemäßigten Holzquantum begnügen soll, so entsteht ein Lamento410 über Druck und Ungerechtigkeit, das bis an die Wolken steigt.

Kommt man nun noch dazu mit neuen Vorschlägen von Sparöfen und dergleichen Mitteln, so geht das Klagen erst recht an, und alles Vordemonstrieren hilft nichts. Denn der Untertan ist in seiner Seele überzeugt, daß alle diese Projekte im Grunde nichts anderes bezielten als den Nutzen der Kammer411 auf Unkosten des gemeinen Mannes.

Wende man mir nur ja nicht ein, das sei denn doch da und dort nicht so: es sei nicht allenthalben der Fall! Ich sage mit Gewißheit: ja, es ist allenthalben der Fall, nur nicht überall in gleichem Grad. Auch darin liegt ein Hauptfehler, daß die unmittelbaren Ausführer der regierenden Gewalt den Untertan so wenig kennen. Sie beurteilen ihn deshalb nur nach dem Sonntagsrock, in dem er sich ihnen zeigt.412


II. Mangelndes Bewußtsein vom Wert des Holzes

Hinzu kommt dann noch ein Umstand, der zugleich auch eine Hauptursache jener Vorurteile der Untertanen ist: nämlich die äußerst unzweckmäßige Verwaltung der Forstämter selbst. Die Förster waren Jäger. Das Wild war die Hauptsache, das Holz nur Nebensache. Daher hütet sich auch der Bauer eher, daß er keinen Hirsch schießt (der ihm doch die Saaten verwüstet), als daß er einen Baum nicht freveln sollte, der doch weit mehr wert ist.
Hätte man von Seiten der Obrigkeit von jeher das Holz hochgeschätzt, hätte man kostbarer damit getan,413 so wären auch die Untertanen von jeher vom Holzfreveln abgehalten worden. Sie hätten sich dann auch an das Holzsparen gewöhnt.

Jetzt bedarf es keiner weiteren Untersuchung, woran es gelegen habe, daß noch keine Holzersparungsvorschläge ausgeführt wurden. Die Antwort ist leicht: Die Ausführer der forstwirtschaftlichen Gesetzgebung – auch wohl der Gesetzgeber selbst – verstanden es nicht! Sie sahen die Notwendigkeit nicht hinlänglich ein. Der Untertan wollte nicht und will auch immer noch nicht Holz einsparen.

 


C. Vorkehrungen zur Holzersparnis

Jetzt fällt es also gar nicht mehr schwer, auch die Frage zu beantworten: Was denn nun geschehen müsse und wie man es zu machen hätte, um denn doch endlich einmal zu dem höchstnotwendigen Ziel der allgemeinen Holzersparung zu kommen? Denn wenn dies nicht bald geschieht, so macht sich das Sparen von selbst: es ist dann zu spät!

Die Erfindungen neuer und brauchbarer Sparöfen sind allerdings nötig, nützlich und sehr zu empfehlen. Wenn hie und da ein Hausvater solch ein Ersparungsmittel anwendet, so kann ein solches Beispiel hernach zum Beweis und zur Nachahmung für andere dienen. Aber es muß mehr geschehen, wenn der Zweck erreicht werden soll. Das besteht nun eigentlich in vier Hauptstücken, nämlich:

In einer gänzlichen Reformation414 des Forstpersonals. Darüber habe ich Witzlebens Plan im Vorhergehenden mitgeteilt.415
In einer hinlänglichen und vollständigen Überzeugung des gemeinen Mannes von der Notwendigkeit des Holzsparens.
In einer zweckmäßigen Vorbereitung der gesamten Untertanen zum Holzsparen.
In der Einführung der Sparöfen und Sparherde selbst.

I. Verbesserung des Forstwesens

In Ansehung des ersten Punktes habe ich nichts zu erinnern, als daß alle Forstverbesserungs-Anstalten und Holz-Ersparungsvorschläge durchaus vergeblich sind, wenn diese Hauptsache vernachlässigt wird.


II. Öffentliche Spar- und Planungsmaßnahmen

Die Ausführung des zweiten Punktes aber ist nicht so leicht, wie man es sich vorstellt.

Nichts ist schwerer, als Leute, die ohnehin des Nachdenkens
nicht gewohnt sind, durch Vernunftgründe von einer Wahrheit
überzeugen zu wollen, die ihnen zuwider ist.

Und doch ist dies so nötig, weil ohne dasselbe alles vergeblich ist – oder aber man müßte denn die Sparöfen mit Gewalt einführen. Wer aber wird dieses ungerechte Mittel versuchen – und dazu noch in gegenwärtiger Zeit?416


1. Vorausschau von Produktion und Verbrauch

Der einzige und auch zugleich zuverlässige Weg ist folgender. Jeder Regent lasse alle Waldungen seines Landes würdern417 und so den jährlichen Holzertrag im ganzen bestimmen. Dies ist ohnehin eine Sache, die von jedem Oberforst-Kollegium besorgt sein müßte. Sie wird selbst da, wo die Forstwirtschaft nur mittelmäßig verwaltet wird, auch schon besorgt sein. Ebenso muß dann auch die gegenwärtige Holzkonsumtion, durch das ganze Land berechnet, angeschlagen und mit jenem Ertrag verglichen werden. Dabei wird sich dann finden, daß in den mehresten Provinzen Deutschlands (ich möchte fast sagen: beinahe in allen) die Konsumtion den jährlichen Nachwuchs bei weitem übertrifft.

Diese Berechnung nun rücke man nicht etwa gelegentlich irgendwo in den Kalender ein oder in ein Polizeiblättchen.418 Man mache sie vielmehr als eine äußerst wichtige und bedenkliche Entdeckung in einer besonders gedruckten Schrift zu jedermanns Wissenschaft bekannt. Dem füge man die Erinnerung hinzu, daß man wahrlich alle möglichen Holzersparungsmittel aufsuchen und anwenden müsse, wenn nicht der Untertan in soundsoviel Jahren in die äußerste Not geraten und ein großer Teil derselben auswandern sollte. Je bündiger, deutlicher und überführender man nun diese Sache darstellen wird, desto gründlicher und besser wird dann auch die Wirkung sein.419


2. Abschaffung der Holz-Besoldung

Hierauf schreitet man jetzt zum dritten Punkt fort: zur zweckmäßigen Vorbereitung der Untertanen zum Holzsparen. Diese fängt nun zu allererst damit an, daß man die unmäßigen und von alten Zeiten her gebräuchlichen Holzbesoldungen aufhebt. Man verwandle diese nach einem ordentlichen, nicht zu niedrigen Marktpreis in Geld. Dann gewinnt der Staatsdiener, der auf eine solche Besoldung berufen ist, eher dabei, als daß er verliert.

Ehe und bevor dieses geschieht, hört und sieht der Untertan weder Drohung noch Ermahnung an, sondern macht hämische Bemerkungen. Sobald er aber inne wird, daß selbst den obrigkeitlichen Personen das Holz entzogen wird, macht er ein ernstes Gesicht und schweigt. Er fühlt nun wohl, daß auch er nun schuldig sei, sich einzuschränken und zu sparen.


3. Holz-Spar-Ausschüsse

Hierauf muß nun eine Holz-Ersparungs-Kommission angeordnet und in Tätigkeit gesetzt werden. Sie besteht aus Forstmännern, Baumeistern, Zimmerleuten und verständigen Zunftmeistern aus den Handwerken, die entweder viel Brennholz brauchen oder Werk- und Nutzholz verarbeiten.

Diese Kommission muß alsdann den Holzgebrauch des ganzen Landes genau untersuchen. Sie hat zu prüfen, wo und in wie fern Holz überall entweder unnützer Weise verschwendet oder aus Mangel an Kenntnis unnötig verwendet wird. Zugleich bestimmt sie dann auch in allen Fächern und durch alle Sortimente die Holzquanta für jeden Hausvater nach seinen Bedürfnissen. Sie darf dabei aber anfänglich nicht allzu streng verfahren, damit sich die Leute erst allmählich in die Holzersparung schicken lernen mögen.

Er ist überhaupt eine Grundregel, daß man bei allen Staatsverbesserungen langsam und sicher fortschreiten
müsse, nichts aber plötzlich, unverwarnter Sache und auf einmal tun dürfe.

Durch die Operationen jener Holz-Ersparnis-Kommission erhält man nun einen Holz-Konsumtions-Etat. Dieser kann den Forstkollegien zum sicheren Wegweiser in ihren Amtierungen dienen.


4. Holz-Verkaufsstellen

Ehe und bevor man aber zur wirklichen Einführung der Holzspar-Instrumente420 fortschreitet, werden Voranstalten erfordert. Sie sollen jedermann gegen Holzmangel von irgend einer Art vollkommen sichern.

In jedem Amt oder Oberforst muß ein Holz-Hof oder Holz-Magazin angelegt werden. In ihm kann jedermann, der selbst keine eigenen Waldungen hat, sein Holz gegen eine gerechte und einmal für allemal festgesetzte Bezahlung erhalten. Dadurch wird erst eine regelmäßige Wirtschaft und eine genaue Übersicht des ganzen möglich.

In Ansehung der Privatwaldungen aber muß man das Forstregal421 streng ausüben. Man darf ja niemanden erlauben, mehr abzutreiben,422 als die festgesetzte Vorschrift mit sich bringt. Da man aber den Verkauf dieses abgetriebenen Holzes wohl doch nicht ganz einschränken kann, so bleibt dieser Umstand (wenigstens anfänglich) noch eine Zeitlang ein Schwerpunkt der Verschwendung. Indessen, wenn die Kammer einmal ernstlich auf diese Sache bedacht ist, so macht es sich mit den Privatwaldungen nach und nach von selbst. Man hat dann auch nicht nötig, zu despotischen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen.


III. Sparöfen und Sparherde

Wenn nun alles dies geschehen ist, dann erst ist es Zeit, den Gebrauch der Sparöfen und Sparherde einzuführen. Hier sind aber der Vorschläge so viel, daß es die undankbarste Arbeit von der Welt sein würde, wenn ich auch nur die wichtigsten und anwendbarsten anführen und beurteilen wollte.

Daher gedenke ich nur eines einzigen. Dies ist der Hartigsche Sparofen.423 Er wird im Forst- und Jagdkalender des Herrn Regierungsrats von Wildungen vom gegenwärtigen 1798sten Jahr in einer Kupfertafel beschrieben und vorgestellt.424 Noch deutlicher und ausführlicher aber wird die Beschreibung in einem Traktätchen425 geliefert, das Herr Forstmeister Hartig in dem hiesigen Kriegerschen Verlag jetzt drucken läßt. Sie handelt vom wahren Wert der unechten Akazie oder des Virginischen Schotendorns.426 Dort können sich diejenigen, denen daran gelegen ist, Rat holen.427

Nach dem Zeugnis derer, die diesen Ofen kennen, übertrifft er alle bisherigen Erfindungen sehr weit. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Wohlfeilheit der Anlage428 als auch bezüglich des Verhältnisses von gebrauchtem Holzquantum zur Wärme. Der Ofen verdient daher ernstliche Empfehlung und allgemeine Anwendung. Soll nun aber diese auch wirklich stattfinden, so ist die tätige Mitwirkung der Forstkollegien und der Kammer selbst unentbehrlich. Sogar die Regierungskollegien und Landbeamten aller Art müssen dabei hilfreiche Hand leisten, und zwar folgender Gestalt.


1. Herstellung der Öfen

Zuerst muß man auf der nächsten Eisenschmelzhütte die Bestellung der Öfen besorgen. Es sind von Zeit zu Zeit so viele zu liefern, wie die Schmelzerei zu liefern vermag. Damit den Untertanen die Anschaffung nicht zu schwer fallen möge, so schließt man den Akkord429 so, daß die alten gegossenen Öfen in Zahlung gegeben werden können. Dies ist ohnehin leicht und schon gewöhnlich.

Man hat mir versichert, daß der Hartig-Ofen gegen einen gewöhnlichen alten Platten-Ofen so ausgetauscht werden könne, daß man kein Geld zuzulegen nötig habe. Dies ist ein großer Vorteil und wird die Einführung sehr erleichtern.


2. Gutes Beispiel

Hernach muntert man die Untertanen in Güte zur Anschaffung auf und sucht sie auf alle Weise auch tätig zu unterstützen. In den herrschaftlichen Gebäuden, die von der Dienerschaft bewohnt werden, geht man mit einem guten Beispiel vor. Die Hausarmen besorgt man in diesem Stück aus dem Armenfonds. So räumt man auf alle Weise jeden Vorwand weg, den der Bürger und Bauer noch gebraucht, um damit seine Saumseligkeit zu entschuldigen.


3. Zweckmäßige Küchenherde

Indessen wird denn doch durch solche Sparöfen das Ziel der Holzersparnis nur halb erreicht, wenn nicht auch die Küchenherde zweckmäßig eingerichtet werden. Den Ofen braucht man nur im Winter, den Herd aber das ganze Jahr. Hier kommt es hauptsächlich darauf an, ausführbare und wenig kostende Vorschläge zu tun, wenn hinlänglich geholfen und die wohltätige Absicht erreicht werden soll.

Die Haushaltungen der Bauern und Bürger sind schon an vielen Orten mit eingemauerten Kesseln versehen. Sie dienen zum Waschen, Bähen,430 Einbrühen für das Vieh, Latwerge-Kochen431 und dergleichen. Dadurch ist also schon dem Stück für das Holzsparen gesorgt. Aber diese Einrichtung dient auch zugleich als Wink, wie der Kochherd einzurichten sei.

Man braucht nur zwei Mauern von Backsteinen, etwa einen Schuh432 binnenwärts voneinander und parallel nebeneinander laufend, auf dem Herd anzulegen. Darauf werden dann die Kochtöpfe gestellt, zwischen welchen das Feuer unterhalten wird. Die Länge dieser zwei Mauern wird durch die Menge der Töpfen433 bestimmt, die man zu gleicher Zeit und hintereinander auf das Feuer stellen will und muß. Dadurch wird nun schon die Hitze konzentriert, die Flamme zusammengehalten und auf das Kochtöpfen gerichtet.

Wenn man nun aber diese zwei Mauern auch noch mit durchlöcherten Platten zudeckt, deren Löcher so groß sind, daß der Boden des Töpfens hineinschließt, und dann hinten einen Kamin anbringt, der in den Schornstein ableitet, so ist vollends alles so, wie es sein muß. Jetzt wird alle Hitze gehörig benutzt.

Im Herzogtum Berg,434 wo besonders in den Städten nichts als Steinkohlen verbrannt werden, sind die Herde so eingerichtet. Sie sind mit durchlöcherten eisernen Platten bedeckt. Die Töpfen haben einen zurückgebogenen Rand, so daß sie in das Loch hinabsinken und dann mit der Platte auf dem Rand ruhen. Mein obiger Vorschlag ist aber wohlfeiler und tut die nämliche Wirkung.


IV. Einsparung beim Bauholz

Noch eine höchstschädliche Verschwendung des Holzes herrscht bei dem Bauwesen. Ihr kann nicht besser abgeholfen werden als durch das Mauern der Häuser und Gebäude. Dies aber dürfte für den gemeinen Mann zu kostbar435 sein, besonders da, wo Feldsteine436 rar oder entfernt sind. Deshalb muß hier ein anderes Mittel ausfindig gemacht werden. Dies verdient eine eigene Abhandlung, die in einem der folgenden Stücke umständlich437 beschrieben werden soll.438

Die bretternen Fußböden nehmen auch erstaunlich viel Holz weg. Will man einen tönernen Estrich oder (wie ich in Goslar und anderen Orten gesehen habe) einen gipsernen an die Stelle gebrauchen, so hat man immer mit dem Staub zu kämpfen. Wird einmal etwas Nasses auf den Boden geschüttet, so entsteht da Kot439 und hernach eine Aushöhlung. Auch sind beide Böden sehr kalt und besonders der tönerne sehr unangenehm. Gepflasterte Böden sind ebenfalls sehr kalt und auf jeden Fall teuer, wenn sie anders von Quadersteinen440 gemacht werden. Pflasterziegel441 wären noch am besten, besonders dann, wenn sie auch zierlich zubereitet würden. Dazu werde ich in einem der folgenden Hefte Vorschläge tun.


D. Sparen als Pflicht

 

 

Wir Deutschen, besonders in den Rheinischen Kreisen,442 sind wahrlich in einer Lage, wo das Sparen in jeder Art des Aufwands vollkommene Pflicht des Regenten und des Untertanen ist. Ich glaube, meine Nebenstunden nicht besser anwenden zu können, als wenn ich dazu brauchbare und ausführbare Staatswirtschaftliche Ideen mitteile.

 


Anmerkungen

 


1 Man findet die einzelnen Aussagen hierzu im nachher öfters zitierten „Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft“ (1987 im Verlag Duncker & Humblot, Berlin erschienen), im „Jung-Stilling-Lexikon Religion“ (1988 im verlag die wielandschmiede, Kreuztal erschienen) sowie auch im Jung-Stilling-Lexikon Forsten (1997 im Verlag der Jung-Stilling-Gesellschaft, Siegen erschienen) bzw. in den dort jeweils am Ende angegebenen Lehrbüchern von Jung-Stilling.
2 Dieses hat Jung-Stilling in acht Merkmalen sehr genau definiert; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 21 f. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 3)

3 Falsche Ehre ist die Wertschätzung, die jemand genießt, wiewohl er nichts zum allgemeinen Besten beiträgt. – Siehe die entsprechenden Definitionen im Jung-Stilling-Lexikon Religion (Anm. 1), S. 29.

4 Der zeitgenössische Ausdruck „Nahrungsquelle“ ist ein sehr weiter Gattungsbegriff. Er umschließt die heutigen Bedeutungen – (a) Wirtschaften im allgemeinen Sinne (weitester Inhalt), – (b) Erwerbsvermögen (= Sachkapital: Anlagen und Werkzeuge), – (c) Betrieb und – (d) im engsten Sinne: berufliche Betätigung.

5 Jung-Stilling wirkte ein Vierteljahrhundert hindurch als Professor für ökonomische Wissenschaften, und zwar zunächst ab 1778 in Kaiserslautern, dann ab 1784 in Heidelberg und von 1787 bis 1803 in Marburg.

6 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 138 ff. („Muster einer Arbeitsschule“: hier eine Reihe beachtenswerter Vorschläge!)

7 Als Beispiel hierfür steht die in diese Sammlung aufgenommene Abhandlung über die Löffelmacher in Helberhausen – wiewohl Jung-Stilling auch hier am Schluß des Aufsatzes sehr deutlich Mängel infolge fehlender kaufmännischer Kenntnis aufzeigt.

8 Siehe hierzu Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 75 ff., S. 141 ff. sowie Alfred Klose: Johann Heinrich Jung-Stilling als Sozialethiker. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 53 f. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 1).

9 Siehe auch Maria Schwarz: Jung=Stilling. Dem Andenken an den ersten Systematiker einer deutschen Staatswissenschaft, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 156 (1942), S. 361 ff.

Beinebens lagen Jung-Stilling Gedanken wie „Reinheit der Rasse“ (dort S. 374) oder das „Führer-Prinzip“ (dort S. 375) nun wirklich völlig fern! Genau so wenig kann man Jung-Stilling für eine „nationale Politik und Wirtschaft“ (dort S. 375) in Anspruch nehmen. Ganz im Gegenteil: Jung-Stilling dachte eindeutig übernational: ja global; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 1), S. 50.

10 Jung-Stilling sieht die Schönheit vor allem in den Werken der Natur. Diesen entspräche nämlich ein Ideal der Vollkommenheit im göttlichen Vorstellungsvermögen; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen (Anm. 2), S. 95.

11 Siehe hierzu ausführlicher auch Gerhard Merk: Das ideale politische System nach Jung-Stilling, in: Gertraud Putz et al. (Hrsg.): Politik und christliche Verantwortung. Innsbruck, Wien (Tyrolia) 1992, S. 117 ff.

12 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 198.

13 Zu diesen hat mir mein in der Technik-Geschichte so sehr bewanderter Stillings-Freund, Herr Ingenieur Sebulon Halbach in Wuppertal-Ronsdorf, manchen hilfreichen Hinweis gegeben. Ihm sei dafür auch an dieser Stelle vielmals gedankt!

14 Originaltitel: Landwirthschaftliche Geschichte einiger niederländischen Provinzen. Von D. J. H. Jung. In: Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1779. Lautern, im Verlage der Gesellschaft. 1781, S. 287–346.

Niederländisch meint hier, im westfälischen oder niedersächsischen Kreise gelegen. Das Deutsche Reich wurde unter Kaiser Maximilian I. im Jahre 1512 in zehn Kreise eingeteilt. Die im Norden gelegenen beiden Kreise mit ihren einzelnen Ländern (Reichs-Provinzen) nannte man damals niederländisch. Auf die heutigen Niederlande bezogene Landschaften hießen damals holländisch. — In der Orthographie unterschied man vordessen meistens zwischen Kuhr = Wahl und Kur = Heilung.

15 Jung-Stilling hielt sich bis zu seinem 23. Lebensjahr im Siegerland auf, kam aber als Vermessungsgehilfe seines Patenonkels auch viel in den angrenzenden Gebieten umher; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 33 ff.

Bis zu seinem 30. Altersjahr unternahm Jung-Stilling zahlreiche Geschäftsrei-sen im Auftrage seines Prinzipals Peter Johannes Flender (1727–1807); siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Bildungsfehler und Überfeinerung. Sozialer Abstieg von Familien und Staaten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 12, S.49 Jung-Stilling-Schriften, Bd. 5), als Download-File unter der Adresse http://www.uni-siegen.de/~stilling abrufbar.

16 Jung-Stilling wurde im Herbst 1778 als Professor für Landwirtschaft, Kunstwissenschaft (Kunst = hier: Handwerk, Verarbeitung), Handlungswirtschaft und Vieharzneikunde an die Kameral Hohe Schule nach Kaiserslautern berufen. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. Von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 353 ff., S. 369 ff.

17 Ähnlich (rückschauend bedauernd) äußert sich Jung-Stilling in der Vorrede zu seinem 1785 bei Weygand in Leipzig erstmals erschienenen „Gemeinnützigen Lehrbuch der Handlungswissenschaft für alle Klassen von Kaufleuten und Handlungsstudirenden“, wo er schreibt: „Ich habe sieben Jahr in einer großen Eisenfabrike gedient, die nach Holland handelte, und daselbst allerhand praktische Kenntnisse gesammelt, allein immer bey weitem so viele nicht, als zum System der ganzen Handlungswis-senschaft erfordert wird; nachher wohnte ich wiederum als Arzt, an einem sehr blühenden Handelsort, wo ich vieles sahe und hörte, und behielt; allein abermals zu diesem Zweck zu wenig, indessen half es mir doch immer so viel, daß ich vieles theoretisch Richtige, aber praktisch Falsche, näher bestimmen konnte.“

18 Siehe hierzu Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 43 ff.

19 Begriff = hier: Einsicht, Kenntnis (bei Jung-Stilling häufig in dieser Bedeutung gebraucht). — Empirische Landwirtschaft = landwirtschaftliche Praxis.

20 Siegerland = hier: das ehemalige Fürstentum Nassau-Siegen. – Siehe Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil, 7. Aufl. Franckfurt und Leipzig (ohne Verlag) 1759, S. 420 sowie Franz Petri, Otto Lucas, Peter Schöller: Das Siegerland. Geschichte, Struktur und Funktionen. Münster (Aschendorff) 1955, S. 22 ff. (Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volkskunde, Reihe 1, Heft 8) mit vielen Übersichten und Abbildungen.

21 Jung-Stilling schrieb „Staatswirthschaftliche Anmerkungen bei Gelegenheit der Holznüzung des Siegerlandes“ in den „Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1775. Lautern (im Verlage der Gesellschaft) 1779, S. 126–169. Dieser Beitrag findet sich neu abgedruckt in: Herrn Professor Jungs Abhandlungen, Oeconomisch und statistischen Inhalts. Kopenhagen und Leipzig, bey Carl Krögen. Gedruckt bey Peter Horrebon. 1788.

Statistisch = hier noch: den Zustand (des Staates) beschreibend; staatskundlich.

22 Siehe näheres zur alten Holzwirtschaft Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge, 2. Aufl. Bad Godesberg (Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) 1969, S. 47 ff. (Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. 28, Heft 1).

23 Zweischürig = ein zweimaliges Mähen (im Frühsommer und im Spätherbst) erlaubend.

24 Wetterau = fruchtbare und klimamilde Niederungslandschaft in Oberhessen zwischen Taunus, Kinzigsenke, Vogelsberg und Untermain. – Siegerländer Fuhrleute, die Fertigwaren nach Frankfurt brachten, nahmen die Brotfrucht (= das Getreide) als Rückfracht mit.

Siehe die Karte der alten Verkehrswege bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 35 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 4).

25 Erziehen = hier und später: erzeugen; aus dem Bodenanbau erreichen; ernten.

26 Siehe Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 178.

27 Vgl. Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge (Anm. 8), S. 61 ff., S. 108 ff.

28 Siehe zur Geographie des Siegerlandes genauer Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge (Anm. 8), S. 10 ff. sowie Ulrich Haas: Wandlungen der wirtschafts- und sozialgeographischen Struktur des Siegerlandes im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts. Remagen (Bundesanstalt für Lan-eskunde) 1958, S. 1 ff., S. 14 ff.

29 Gemeinheiten (Allmenden) = im Besitz der Gemeinde (Weiden) oder von Genossenschaften (Hauberge) befindliche Liegenschaften. – Siehe genauer Carl Johannes Fuchs: Artikel „Gemeinheitsteilung“, in: Wörterbuch der Volkswirtschaft, Bd. 1. Jena (Gustav Fischer) 1898, S. 814.

30 Siehe hierzu auch Hugo Wingen: Energie aus dem Hauberg. Siegen (Höpner) 1982, S. 5 ff., S. 18 ff. (mit zahlr. Abb.).

31 Der erst 1782 (also noch nicht zur Zeit der Veröffentlichung dieses Artikels von Jung-Stilling 1781) in den Adel erhobene Verwaltungsjurist Professor Dr. Georg Preuschen (1727–1794) wurde 1779 Präsident der nassau-oranischen Regierung in Dillenburg. — Das Siegener Fürstengeschlecht war 1743 ausgestorben. Es fiel dem Prinzen von Oranien zu, der es mit anderen ihm gehörenden Besitzungen von Dillenburg aus verwalten ließ; die Oranier selbst residierten seit 1748 in Den Haag (wo sie noch heute den niederländischen Thron besetzen).

Siehe näheres zu den landwirtschaftlichen Neuerungen des Dillenburger Präsidenten bei Karl Wolf: Artikel „Georg Ludwig Ernst Freiherr von Preuschen“, in: Karl Wolf (Hrsg.): Nassauische Lebensbilder, Bd. 6. Wiesbaden (Historische Kommission für Nassau) 1961, S. 97 ff. — Jung-Stilling kannte Präsident von Preuschen und stand mit ihm in Korrespondenz; siehe Gustav Adolf Benrath: Jung-Stillings Notizbuch aus den Jahren 1778–1813, in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, Bd. 39 (1990), S. 98 (Note 17).

Jung-Stillings Patenonkel, der fürstlich-oranische Bergmeister Johann Heinrich Jung in Littfeld, genoß die besondere Gunst des Präsidenten von Preuschen; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 142 ff.

32 Martini = der 11. November als der Tag des heiligen Bischofs Martinus von Tours (an der Loire in Frankreich). Auch im neuen, 1969 in Kraft getretenen CALENDARIUM ROMANUM GENERALE an diesem Tag als Gedenken (MEMORIA) geblieben.

33 Schatzmatrikel = Verzeichnis der an der (Haubergs)Genossenschaft Beteiligten mit ihrem jeweiligen Anteil. – Siehe zu diesen und weiteren rechtlichen Fragen näher Josef Lorsbach: Hauberge und Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes. Karlsruhe (C. F. Müller) 1956.

34 Auf erb und ewig = der genossenschaftliche Anteil am Hauberg geht (im Verhältnis der Beteiligungsquote) in das Eigentum des einzelnen Mitglieds über.

35 Malstein = Grenzstein; von Mal: Zeichen, Demarkation. – Siehe diesen Begriff und weitere Fachausdrücke des Forstwesens erklärt bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil, 2. Aufl. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787, S. 317 ff. („Erklärung der vornehmsten Kunstwörter, welche in der Forstwirthschaft vorkommen“) sowie bei Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997.

36 Handwerksleute = Arbeiter allgemein; Landwirte, die nebenbei noch in der Leder- und Textilindustrie sowie im eisenverarbeitenden Gewerbe des Siegerlandes und der verschiedenartigen Zulieferer (wie Betriebe der Köhlerei und Lehmformerei, Holzschneidemühlen, Maschinenschlosser, Werkzeugmacher, Hersteller von Lederschutzkleidung und Arbeitsschuhen, Anbieter von Fuhrleistungen) Beschäftigung suchen.

37 Projekt = bei Jung-Stilling: betriebswirtschaftlicher oder landesökonomischer Vor-schlag; Empfehlung eines Planes zum besseren Wirtschaften. In der Regel bei Jung-Stilling in mißbilligendem Sinne verstanden, hier aber durch Voranstellung des Wortes „fruchtbar“ im guten Sinne gemeint. – Vgl. auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1987, S. 121 sowie S. 107 (zeitgenössisches Urteil, alle Lehrer der Ökonomie seien „faiseurs des projets“).

38 Die „nassauische hohe Landesregierung“ nahm solcherlei Vorschläge schlecht auf. Siehe (Johann Philipp Becher:) Schreiben eines Siegerländers an Herrn Professor Jung, in Lautern zur Berichtigung seiner Geschichte des Nassau=Siegenschen Stahl= und Eisengewerbes. Gießen (Krieger) 1780, S. 26 f.

Man nannte gar einsichtige und wohl begründete Vorschläge von Jung-Stilling ein “Gewäsche“, das zu beachten man für unnötig fände. Siehe August Ludwig Schlözer’s Professors in Göttingen Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts. Neunter Theil, Heft 49-54, 1781, b. Göttingen (Vandenhoek [so, also ohne Zeka]), S. 391 und S. 273, wo Jung-Stilling ein “Schein von Gründlichkeit“, das “Air von SachKenntnis“ (so) bei „großer Selbstgefälligkeit“ zugeschrieben wird.

Hinter diesen ausfälligen Bemerkungen steht wohl der Vorsitzende der Berg- und Hüttenkommission (Kommission = hier: Ministerium), Oberbergrat Johann Philipp Becher (1752–1831), der schon auf das Titelblatt der gegen Jung-Stilling gerichteten (anonym erschienenen) Schrift ein anzügliches Zitat von Horaz setzt: QUID DIGNUM TANTO FERET HIC PROMISSOR HIATU?, wobei PROMISSOR bei Horaz “Prahlhans“ meint und HIATUS mit “Mundaufreißen“ zu übersetzen ist.

Die Vettern von Jung-Stilling bekamen den Unmut persönlich zu spüren. Sein bei der Regierung zu Dillenburg beschäftigter Vetter, Hüttenkommissar Johann Helmann Jung (1734–1809), schrieb an Jung-Stilling deshalb einen offenbar sehr barschen Brief; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 144 f. (Brief des Patenonkels an Jung-Stilling vom 12. April 1781); siehe dort auch S. 142 f.

39 Der gelehrte Arzt, Botaniker und Ökonom Friedrich Casimir Medicus (1736–1808) war auch der Direktor der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft (Kaisers)Lautern und die Seele der Kameral Hohen Schule; vgl. DBA 818, 75 ff.

Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen (Anm. 2), S. 345 f. (Jung-Stilling bezeichnet F. C. Medicus an dieser Stelle wohl zu Recht als „ein großer thätiger und gewaltig würkender Geist“ und gibt ihm sicher mit gutem Grund den Namen „Eisenhart“). – Vgl. auch Otto W. Hahn: Jung-Stilling zwischen Pietismus und Aufklärung. Sein Leben und sein literarisches Werk 1778 bis 1787. Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris (Peter Lang) 1988, S. 45 ff., S. 812 (Namensregister, Stichwort „Medicus“) sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 96 f.

40 Jung-Stilling lehrt nirgendwo, daß (im Siegerland nach alten Regeln gemeinschaft-lich gepflegte) Hauberge schädlich seien! Er behauptet das nur von den Gemeinweiden. Sie fand er in der Regel in schlechtem Zustand, immaßen sie sich nicht im Eigentum eines einzelnen befinden und sich daher auch keiner dafür (so einläßlich wie für seinen eigenen Besitz) verantwortlich fühlt.

41 Einen Engpaß der Eisenindustrie des Siegerlandes bildete durch die Zeiten das Holz. Jede (auch die kleinste) Einschränkung des Holzangebots hatte daher sich verstärkend auswirkende Folgen für die Schmelzhütten. Diesem Umstand wird hier sicher sowohl von Jung-Stilling als auch von F. C. Medicus viel zu wenig Rechnung getragen!

41 Versticklen = entkräften, austrocknen; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 12,1. Leipzig (Hirzel) 1956, Sp. 1747.

42 Jahn = Landstreifen; gewisser Bezirk oder vorgegebener Raum für die Feldarbeit. Siehe Artikel „Jahn“ in: Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Con-versations=Lexicon für Praktiker und Laien, Bd. 2. Prag (Calve’sche Buchhandlung) 1839, S. 582 sowie zur Wortherkunft (aus dem französischen gain: Gewinn) Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 4,2. Leipzig (Hirzel) 1877, Sp. 2229.

42a Odenwald = das Gebiet zwischen Neckar, Main, Bergstraße und Tauber. – Als Professor in Heidelberg bereiste Jung-Stilling den Odenwald regelmäßig mit Studenten; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 91 ff.}

43 Heidekorn (auch: Heidenkorn) = Buchweizen (dem Knöterich nächstverwandte, bis 60 cm hohe Pflanze); im 15. Jahrhundert durch die Türken („Heiden“) von Mittelasien nach Europa gebracht. – Siehe Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirtschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 1 (Anm. 27), S. 469 ff.

44 Das heißt, sie bleiben vorerst in genossenschaftlichem Besitz.

45 Halbscheid = die Hälfte; eines von zwei gleichen Teilen.

46 Umrotten = abholzen und ausstocken (die Wurzeln roden).

47 Herzogtum Westfalen = das weiland zwischen Hessen, Paderborn, Münster und der Grafschaft Mark gelegene Land. Es bestand aus zwei Teilen. Das gegen Osten an das Paderbornische angrenzende Gebiet hieß „Sauerland“ (von Süderland = Land im Süden) mit den wichtigen Orten Meschede, Geseke, Canstein, Padberg und Hovestadt (Lippe).

Das gegen Westen an die Mark und gegen Süden an das Siegerland grenzende Gebiet war die alte Grafschaft Arnsberg, die 1368 an Kurköln (Hauptstadt: Bonn) kam. Wichtige Orte waren vordessen Werl, Neheim, Bielstein und Attendorn. Mittelpunkt des Herzogtums Westfalen gesamthaft war Arnsberg. Dort amtete die (von Bonn in vielen Entscheidungen unabhängige) „Westfälische Kanzlei“.

Siehe auch Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil (Anm. 6), S. 535 f. sowie die Übersichtskarte des Westfälischen Reichskreises bei Franz Petri, Otto Lucas, Peter Schöller: Das Siegerland. Geschichte, Struktur und Funktionen (Anm. 6), S. 36.

Die Bezeichnung „Sauerland“ ist bei Jung-Stilling (und im allgemeinen Sprachgebrauch bis heute!) nicht ganz eindeutig. Jung-Stilling versteht darunter das Gebiet nördlich des Siegerlandes zwischen der nassauischen Landesgrenze, der Möhne und der Ruhr gesamthaft.

48 Elend (ein von Jung-Stilling sehr häufig gebrauchter Ausdruck) = große Bedrängnis und Beschwernis. – In die Beurteilung an dieser Stelle geht sicherlich auch einiges von dem Vorurteil ein, das die Siegerländer (als ripuarische Franken und seit 1578 calvinistisch) gegen die „Sauerländer“ (als dem Stamm der Sachsen angehörend und katholisch geblieben) bis heute hegen.

49 Schlurfen = mit halbgeöffneten Lippen hörbar einsaugen. – Sicherlich will Jung-Stilling durch die Wahl dieses Wortes nebenbei auch die (in seinen Augen) rohe Trinkkultur der Sauerländer anzeigen.

50 Blutegel = hier: Wucherer, Ausbeuter: Menschen, die auf Kosten der Arbeit anderer leben.

Zu den hier angesprochenen Landfuhrleuten siehe die ausführliche Schilderung bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 10), S. 48 ff. Er nennt die Sauerländer Fuhrleute „gemeiniglich grobe, niederträchtige Leute“ (S. 51).

51 Sparrigt = sich weit erstreckend; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deut-sches Wörterbuch, Bd. 10,1. Leipzig (Hirzel) 1905, Sp. 2187.

52 Duften = hier: Ausdünstungen verursachend; Dunst, Nebel und Reif zur Folge habend; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 2. Leipzig (Hirzel) 1860, Sp. 1504.

53 Siehe Anm. 35. – Die von Jung-Stilling hier gegebene Erklärung (sauer = mit Betrübnis widrig gestimmt; empfindlich, beschwerlich; sumpfig) ist bis heute noch zu lesen. Richtig ist jedoch die Herleitung von „Suderland“ = das im Sud, nämlich im Süden (der Umlaut ü taucht erst um 1700 auf, bis dahin nur Sud [englisch: south]) gelegene Gebiet.

54 Vgl. Anm. 36. – Kultur = hier: Landbau, Bodennutzung; das Wort „Kultur“ kam erst im 18. Jahrhundert in die deutsche Sprache. – Industrie = hier: Gewerbefleiß, ausdauernde Betriebsamkeit, Emsigkeit.

55 Scheckig = weiß und andersfarbig gefleckt; verschiedenfarbig.

56 Bestimmt zeigte sich zu jener Zeit der Bildungsstand der Sauerländer nicht wesentlich von dem der Siegerländer unterschieden; das Schulwesen war sicherlich sogar besser geordnet. Offenbar spielt Jung-Stilling hier auf den getrübten, weil katholischen Glauben an. Die Siegerländer Calviner kannten nämlich ihren Schöpfer und Erlöser genau, so wie 100 Jahre später die im Siegerland aufschießenden Pietisten. – Siehe zum religiösen Sinn der Siegerländer auch die nachtodlichen Äußerungen von Jung-Stilling bei Glaubrecht Andersieg: Allerhand vom Siegerland. Siegen (Höpner) 1989, S. 100 ff.

Zum tatsächlichen Befinden des Schulwesens im Siegerland, selbst noch in preußischer Zeit (ab 1815), vgl. die (ungeschminkte) aktenmäßige Darstellung von Hermann Müller: Florenburgs Schulen. Ihre Geschichte, dargestellt nach den vorhandenen Unterlagen. Hilchenbach (Selbstverlag der Ev. Kirchengemeinde) 1957: eine höchst lehrreiche Darlegung und eine Fundgrube für die Geschichte der Pädagogik!

57 Jung-Stilling widmete sich dieser Sache in der von ihm als dem alleinigen Autor von 1781 bis 1784 herausgegebenen Zeitschrift „Der Volkslehrer“ sowie in zahlreichen weiteren Arbeiten zur Landwirtschaft. – Siehe diese bei Gerhard Merk: Johann Heinrich Jung-Stilling als Landwirt, in: Land, Agrarwirtschaft und Gesellschaft, Bd. 7 (1990), S. 239 ff. sowie Reidmar Egidi: Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 213 ff.

58 Den damals sehr bekannten waadtländer Arzt und Naturwissenschaftler Samuel August Andreas David Tissot (1728–1797), den Vorreiter der Zwangsimpfung, zitiert Jung-Stilling mehrmals. Die hier genannte Schrift erschien im Deutschen unter dem Titel: Anleitung für das Landvolk in Absicht auf seine Gesundheit, übersetzt von Johann Kaspar Hirzel. Augsburg, Innsbruck (Wolff) 1766 und danach in mehreren anderen Ausgaben; vgl. GV (alt) 146, 108. – Siehe auch Karl Eynard: Des großen Arztes August Tissot’s Leben. Mit bisher ungedruckten Briefen vieler bedeutender Männer seiner Zeit. Stuttgart (Steinkopf) 1843. Dort S. 221 f. begründete Kritik an der „Physiognomik“ von Jung-Stillings Freund Johann Kaspar Lavater (1741–1801).

59 Herablassung = hier: Bereitwilligkeit, sich in die Denk- und Sprechweise der unteren Volksschichten einzulassen; Leutseligkeit.

Jung-Stilling hebt oft genug hervor, daß er mit den Unterschichten auf du und du stehe, und sein „Volkslehrer“ (siehe Anm. 44) bestätigt dies auch. Vgl. sein eindrückliches Beispiel von der Lebensferne der studierten Landwirte (diese lassen Obstbäume, die Nahrungsquelle von Bauern, abhacken) bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 76 ff.

60 Das heißt: in den gelehrten Ausdrücken und dem schlechten Stil.

61 Leicht verdauliche „Volksbücher“, wie Jung-Stilling sie als Knabe las; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen (Anm. 2), S. 46, S. 701.

62 Der Satz: „Beispiele belehren am sichersten“ wird (so oder abgewandelt) von Jung-Stilling immer wieder eingeschärft; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 139 und Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister=Kunde, in einer Natur= Vernunft= und Bibelmäsigen (so!) Beantwortung der Frage: Was von Ahnungen, Gesichten und Geistererscheinungen geglaubt und nicht geglaubt werden müsse (so, mit Eszett!). Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1808, Reprint Leipzig (Zentralantiquariat der DDR) 1987, S 198, S. 269.

Jung-Stilling war in allem stets auf das Praktische, Anwendbare festgelegt. Akademischen Theorien und „leeren Projekten“ gegenüber blieb er zeitlebens sehr mißtrauisch eingestellt. Siehe auch Anneliese und Waldemar Wittmann: Jung-Stilling, der „cameralische“ Okkultist, in: Hans-Heinz Eulner u.a. (Hrsg.): Medizingeschichte in unserer Zeit. Festgabe für Edith Heischkel-Artelt und Walter Artelt zum 65. Geburtstag. Stuttgart (Enke) 1971, S. 301 („Immer wieder betont er auch die Bedeutung praktischer Anschauung und Erprobung, fast bis zur Theoriefeindlichkeit“), S. 306, S. 309. – Siehe auch das Download-File “Theorie und Praxis” bei der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads.htm>

63 Siehe die entsprechenden Bemühungen von Lehrer Heinrich Schönau in Tellmont, ausführlich geschildert bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 46), S. 142 ff.

64 Jung-Stilling sieht es mit den meisten Schriftstellern seiner Zeit als die Aufgabe der Geistlichen an, die Bauern im besseren Wirtschaften zu belehren. Waren diese doch die einzigen Studierten, die mit der Landbevölkerung ständige Berührung hatten.

65 Kultur = auch an dieser Stelle: Bodennutzung.

66 Wert = hier gemeint im objektiven Sinne: als Bereitschaft, einen angemessenen Preis zu bezahlen.

67 Aufklärung = hier: Belehrung über die verbesserte landwirtschaftliche Betriebsführung. – Aufklärung im allgemeinen meint bei Jung-Stilling die richtige Erkenntnis des Menschen über sich selbst, über Gott und über die Natur; vgl. die entsprechenden Zitate im Jung-Stilling-Lexikon Religion (Anm. 12), S. 11 sowie im Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1987, S. 4.

68 Grafschaft Mark = das Gebiet zwischen dem vormaligen Herzogtum Berg, dem Herzogtum Westfalen und dem Stift (Bistum) Münster mit Hamm (beiderseits der Lippe gelegen) als Hauptstadt sowie zahlreichen gewerbereichen Orten wie Altena, Bochum, Castrop, Hattingen, Hohenlimburg, Iserlohn, Kamen, Plettenberg, Schwerte, Soest, Unna, Witten und Werdohl. Die aus zwanzig Ämtern bestehende Provinz kam 1614 an Brandenburg-Preußen. Siehe auch Johann Hübner: Allgemeine Geographie, Dritter Theil (Anm. 6), S. 546 ff.

Jung-Stilling hielt sich länger um Plettenberg auf, zunächst als Vermessungsgehilfe, später als Lehrer. Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen (Anm. 2), S. 103, S. 714 sowie Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild (Anm. 31), S. 37 und Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 46), S. 89 ff. (Dienstreise im Auftrag seines Prinzipals Peter Johannes Flender).

69 Im Jahre 1779, als diese Abhandlung von Jung-Stilling geschrieben wurde, besetzte der kriegerische Friedrich II. (1712/1740–1786) den preußischen Thron. Ihm stand Jung-Stilling kritiklos gegenüber; er nennt ihn gar den „größten Mann des Jahrhunderts“. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 116, S. 130.

70 Niederländisch = norddeutsch; im niedersächsischen oder westfälischen Reichskreis gelegen.

71 Der preußische König Friedrich II. führte zur „Arrondierung“ seines Besitzes zwei blutige Kriege gegen Österreich um Schlesien, und er behauptete seinen Raub in einem dritten, siebenjährigen (1756–1763) Krieg. Dem völlig wehrlosen Polen entriß er ein Drittel seines Staatsgebietes und verleibte es Preußen ein. Während der dreiundzwanzig Jahre Kriegszeit war der Bedarf an Soldaten außerordentlich hoch.

72 Das Herzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf gehörte weiland dem Hause Pfalz-Neuburg-Sulzbach. Seit 1742 war der in Mannheim residierende Kurfürst Karl Theodor (1724/1742–1799) Landesherr. Ihm fiel Ende 1777 durch Erbschaft auch das Herzogtum Bayern zu, und er verlegte anfangs 1778 seinen Sitz nach München; siehe ADB 15, 250 ff.

Jung-Stilling kannte den Kurfürsten persönlich und widmete ihm auch seine 1772 erschienene Doktorarbeit; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 56), S. 28 f. sowie die Kopie der Widmung bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land (Anm. 10), S. 24.

Karl Theodor war – allem Militärischen abhold – ein vorzüglicher Beförderer der Künste und Wissenschaften, was die Zuneigung von Jung-Stilling zu ihm erklärt. Sein (späterhin grell ausgeleuchtetes und von Eiferern gebrandmarktes) Liebesleben blieb den Zeitgenossen verborgen; vgl. Karl J. Svoboda: Prinzessinnen und Favoritinnen. Kurpfälzische Frauengestalten am Mannheimer Hof. Mannheim (Edition Quadrat) 1989, S. 104 ff. – Das Herzogtum Berg war in neunzehn Ämter eingeteilt; siehe diese bei Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil (Anm. 6), S. 518.

73 Also um 1730.

74 Also zwischen1742 und 1779, innert von siebenunddreißig Jahren. – Pro Jahr ließen sich demnach im Durchschnitt um die neunzig Familien aus der preußischen Grafschaft Mark im Herzogtum Berg nieder.

75 Jung-Stilling meint hier wohl neben dem Herzogtum Berg auch noch das Herzogtum Jülich, das zusammen mit dem Herzogtum Berg 1614 an das Haus Pfalz-Neuburg kam und vom Kurpfälzischen Regierungs-Kollegium in Düsseldorf aus verwaltet wurde.

Karl Theodor besaß im Norden außerhalb des Reichsgebiets noch die Markgrafschaft Bergen-op-Zoom an der Scheldemündung in Brabant, die als Erbteil vom Großvater auf ihn kam (seine früh verstorbene Mutter Marie Anne Henriette de la Tour d’Auvergne war die Tochter des letzten Markgrafen) sowie die Grafschaft Ravenstein (in Brabant an der Maas). Diese sämtlichen Besitzungen waren militärisch so gut wie gar nicht gesichert; Karl Theodor konnte sich auf den Schutz Frankreichs verlassen. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 56), S. 28, S. 54.

Zur Person von Karl Theodor (dem Jung-Stilling seine medizinische Doktorarbeit widmete, und der seinerseits Jung-Stilling im März 1785 mit dem Titel eines „Kurfürstlichen Hofrats“ auszeichnete) vgl. die noch immer lesenswerte Biographie von Felix Joseph Lipowsky: Karl Theodor, Churfürst von Pfalz=Bayern, Herzog zu Jülich und Berg etc. etc. wie Er war, und wie es wahr ist, oder dessen Leben und Thaten. Sulzbach (Seidel’sche Buchhandlung) 1828.

76 Befriedigen = hier: durch umzäunen gegen andere abschließen und so sicherstellen (Friede geben). Siehe Artikel „Befriedungen“ in: Alexander von Lengerke (Hrg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 1 (Anm. 28), S. 268 ff.

77 Einschürig = hier: nur einmal im Jahr zu mähen; siehe auch Anm. 9.

78 Schrappen = kratzen, scharren mit der Nebenbedeutung des Anstrengenden, des sich Abrackerns.

79 Haberstroh = die der Frucht entledigten Halme und Stengel des Hafers. Das Wort „Haber“ war bis in das frühe 19. Jahrhundert die übliche (hochdeutsche) Bezeichnung und wurde erst dann durch die niederdeutsche Form „Hafer“ verdrängt.

80 Hornung = Februar, Feber, Sporkel: der zweite Monat im Jahr. – Jung-Stilling schreibt in den ersten zwei Jahrgängen seiner Zeitschrift „Der Volkslehrer“ die Monatsnamen nur in der deutschen Form. Er stellt sich ab Jahrgang 3 (1783) grundsätzlich auf die heute üblichen lateinischen Namen um, kehrt aber in Jahrgang 4 (1784) wieder beim zweiten Monat (nach „Februar“ im Jahrgang 3 [1787]) zu „Hornung“ zurück.

81 Die toten Gerippe = das hagere Vieh; die halbverhungerten Kühe.

82 Grundbirne = Kartoffel (dieses ein italienisches Wort; die ersten Saatkartoffeln wurden 1701 von einem italienischen Religionsflüchtling nach Württemberg gebracht). – Siehe den Artikel „Kartoffel“, in: Alexander von Lengerke (Hrg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 2 (Anm. 28), S. 688 ff.

83 Gemeinheit = in Gemeindebesitz befindliche (Weide)Fläche; siehe Anm. 15.

84 Polizeiverfassung = Ordnungsgefüge; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 54), S. 112.

Jung-Stilling tritt immer wieder für die Abschaffung der Gemeinweiden und deren Umwandlung in Privatbesitz oder Pachtgrundstücke ein; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 46), S. 154 f. sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 29), S. 25, S. 39, S. 53, S. 62.

85 Siehe Anm. 59. Jung-Stilling lebte von 1762 bis 1778 im Bergischen Land; vgl. Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens (Anm. 4), S. 36.

86 Zum Rhein hin ist das vormalige Herzogtum Berg eben und fruchtbar. Nach Osten hin steigt das Gelände an; der Boden ist für die landwirtschaftliche Nutzung nur beschränkt geeignet. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 10), S. 22 ff.

87 Verzehrung = Verbrauch, Konsum. Verbraucher (Konsumenten) heißen folglich damals „Verzehrer“, so auch bei Jung-Stilling. dieses Getreides ist im Bergischen mit allen seinen Städten und Dörfern ungeheuer.

88 Rechtschaffen = hier: fachkundig; für seine Aufgabe als Bauer recht geschaffen, nämlich gut ausgebildet. Die heutige Bedeutung (= redlich, gewissenhaft, treu) lag dem Wort zur Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes noch nicht bei.

89 Die bergischen Fabrikanten und Kaufleute besaßen in aller Regel auch Ländereien, die sie gewerbsmäßig bewirtschafteten. So erzielte Jung-Stillings Patron Peter Johannes Flender aus der Landwirtschaft und Viehzucht einen ansehnlichen Gewinn. – Vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Bildungsfehler und Überfeinerung. Sozialer Abstieg von Familien und Staaten (Anm. 1), S. 11 f.

90 Rentbar = rentabel, gewinnabwerfend.

91 Kostbar = hier: hohe Aufwendungen (Kosten) erfordernd, also teuer.

92 Plankenzaun = Einfriedung mit Planken, nämlich dicken, starken Brettern.

93 Brachfahre = die erste Wendefahre, das zweite Pflügen; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 2. Leipzig (Hirzel) 1860, Sp. 282. – Fahre = die mit dem Pfluge gezogene Vertiefung (Furche) einschließlich des zwischen den Furchen aufgestrichenen Erdreichs.

94 Grindel = Pflugbaum: derjenige Teil, mittelst welchem der Körper des Pfluges in der Erde festgezogen wird; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 4,I,6. Leipzig (Hirzel) 1935, Sp. 373 sowie zur Technik ausführlich belehrend Artikel „Pflug“, in: Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 3 (Anm. 28), S. 747 ff.

95 Sech = Pflugmesser; abgeleitet vom althochdeutschen sechan: schneiden (woher auch Säge, Sense, Sichel).

96 Schar = das unter der Erde gehende Pflugeisen; abgeleitet von scheren: (zer)schneiden.

97 Gemeint ist hier sicher der bergische Morgen = 150 bergische Quadratruten = 3170 Quadratmeter. Siehe Gerhard Huck und Jürgen Reulecke (Hrsg.): … und reges Leben ist überall sichtbar! Reisen im Bergischen Land um 1800. Neustadt/Aich (Degener) 1978, S. 261 (Bergische Forschungen. Quellen und Forschungen zur bergischen Geschichte, Kunst und Literatur, hrsg. im Auftrage des Bergischen Geschichtsvereins, Bd. XV).

Innert des Herzogtums Berg gab es jedoch Abweichungen von diesem Grundmaß, so daß bei genaueren Maßfeststellungen die jeweiligen örtlichen Umrechnungszahlen zugrunde gelegt werden müssen.

Beinebens wurde im alten Wuppertale bei Waren je nach Herkunft oder Bestimmungsort auch in fremden (preußischen, pfälzischen, bayrischen, Pariser) Einheiten gemessen. So ist es bis heute sehr schwierig, ohne weitere, ergänzende Angaben über das vorausgesetzte System ganz genau auf die jetzt üblichen Maßeinheiten zu schließen. Das gilt für fast alle Schriften von Jung-Stilling, der nur sehr selten die bezügliche Maßordnung angibt.

98 Nutzen = hier: (Netto)Ertrag.

99 Abwarten = hier: pflegen, Sorge tragen, verwalten. In diesem Sinne noch heute im Alemannischen Abwart: Hausmeister.

100 Grummet = Nachschur des Grases; abgeleitet von Grün-Mahd: Gras, welches grün (unreif) eingefahren wird, nicht reif wie das Heu.

101 Hexel (Hächsel, Häckerling) = zu Futter klein gehacktes Stroh und Heu.

102 Geldvieh = hier: bloß zur Verwertung des Fleisches gezüchtetes Vieh, Schlachtvieh.

103 1 Maß kölnisch = 1,80 Liter.

104 Abschlagen = hier: in der Milchleistung nachlassen.

105 Flor = Blüte, gutes Gedeihen. Das Wort kommt vom lateinischen flos (Wesfall: floris) in gleicher Bedeutung und war vordessen ein in der wirtschaftlichen Literatur gängiger Ausdruck (heute noch – obzwar auch selten geworden – „florieren“).

106 Dammerde = Ackerkrume: fette Erde zum Pflanzenwuchs.

107 Zu Rate halten = nicht weggeben; zur Abhilfe bewahren (eine heute selten gewordene Redensart).

108 Grobsplintig = hier: hart, fest, hornig. – Splint = der weichere und hellere Teil des Holzes zwischen Rinde und Kern; siehe Johann Christoph Adelung: Grammatikalisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, 2. Aufl., Teil 4. Leipzig (Breitkopf & Härtel) 1801, S. 220.

109 Gemeint ist die Quadratrute als Flächenmaß; siehe Anm. 84.

110 Die sich meist in enger Nähe gruppierenden Kühe bewirken, daß auch der Mist (als Dünger) auf eine verhältnismäßig kleine Fläche zu liegen kommt; der Dung sich also nicht über die Weidefläche gesamthaft verteilt.

111 Geilhaufen = Anhäufungen von Mist, Düngermassen (Geile = hier: Dung). – Siehe Artikel „Geile“ in: Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 2 (Anm. 28), S. 179.

112 Grasstruppen = Bereiche rauh hervorstehender Halmpflanzen (Strupp = Gestrüpp, Gesträuch).

113 Beinebens eine auch heute noch immer nicht abgeschaffte Belästigung des Weideviehs!

114 Elend = hier: zurückgeblieben, schwach, sich in beklagenswertem Zustand befindend. – Der Ausdruck „elend“ (vom althochdeutschen eli-lenti: aus einem fremden Land kommend; von daher: arm, hilflos, beklagenswert) ist ein sehr häufig gebrauchtes Wort bei Jung-Stilling.

115 Denn: es ist ja lediglich Gebüsch vorhanden und so gut wie keine Laubbäume.

116 Befriedigt = hier: in Ruhe gelassen; vor dem so überaus schädlichen Hacken bewahrt.

117 Siehe Anm. 50 sowie die ausführliche Schilderung der Beispiel-Funktion des bergischen Pionier-Unternehmers Peter Adolf Clarenbach (1661–1736) bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 29), S. 138 ff.

118 Eine von Jung-Stilling immer wieder vorgetragene Mahnung; siehe auch Anm. 49 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 29), S. 164 (Register, Stichwort „Erfahrung“) und Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 46), S. 72 ff. (S. 76 f. ein eindrückliches Beispiel großen Schadens durch die blinde Anwendung agrartheoretischer Grundsätze!).

119 Geschichten = hier: Berichte über tatsächliches Geschehen, über bezeugte Gegebenheiten.

120 Originaltitel: Bemerkungen über den Einfluß der Städte, Dörfer und Bauernhöfe auf die Gewerbe des Volks. Von D. J. H. Jung. In: Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1781. Mannheim und Lautern, in der neuen Hof= und akademischen Buchhandlung, 1782, S. 146–202.

Diese Arbeit von Jung-Stilling findet sich neu abgedruckt bei: Herrn Professor Jungs Abhandlungen, Oeconomisch und statistischen Inhalts. Kopenhagen und Leipzig, bey Carl Krögen. Gedruckt bey Peter Horrebon. 1788. — Statistisch = hier: den Zustand (des Staates) beschreibend, staatskundlich.

121 Jung-Stilling schildert die langfristige Entwicklung eines Volkes vom Nomadentum zur Kulturnation sehr anschaulich in einer Abhandlung aus dem Jahre 1798; siehe diese bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 44 ff. ( Jung-Stilling-Schriften, Bd. 3).

122 Wohnung = hier: Wohnstätte, Heim, Haus; auch: das Wohnen gesamthaft gesehen. – Gemeint ist also nicht der abgetrennte Bereich innert eines (größeren) Hauses (heutige Bedeutung).

123 Beamter = hier und an anderer Stelle bei Jung-Stilling: der nichtgewählte Ortsvorsteher; der in landesherrlichem Auftrag eingesetzte und von der Kämmerei (staatlichen Finanzkasse) besoldete hoheitliche Amtsträger mit weitgehender Vollmacht und von daher mit Zuständigkeit in nahezu allen Entscheidungsfragen vor Ort.

Wie Jung-Stilling berichtet, waren die Beamten auf dem Lande in der Regel „böse, unbarmherzige Leute“ und bei der Bevölkerung sehr unbeliebt. Vgl. Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaftliche Mißstände. Eine Blütenlese aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 66 ff.

124 Jung-Stilling hat sich mit diesen Fragen an anderer Stelle befaßt; siehe Alfred Klose: Johann Heinrich Jung-Stilling als Sozialethiker. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 23 ff. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 1) sowie Gerhard Merk: Das ideale politische System nach Jung-Stilling, in: Gertraud Putz et al. (Hrsg.): Politik und christliche Verantwortung. Festschrift für Franz-Martin Schmölz. Innsbruck, Wien (Tyrolia) 1992, S. 117 ff. (Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, Neue Folge, Bd. 53).

125 Flor = Blüte, gutes Gedeihen, Wohlstand; vom lateinischen FLOS (Genitiv: FLORIS): Blume, Blüte.

126 Familie = hier: nicht allein die engere häusliche Lebensgemeinschaft (Elternpaar, Kinder: heutiger Begriffsinhalt), sondern auch die zu gemeinsamer Arbeit verbundenen Anverwandten samt dem Dienstpersonal, also die Leistungsgruppe. Dieser Inhalt des Begriffes „Familie“ ist auch bei den folgenden Ausführungen von Jung-Stilling stets gemeint. – Den Ausdruck „Haushaltung“ gilt es um 1780 dem eben umrissenen weiteren Famlienbegriff gleichzusetzen.

127 Polizei = hier: Staatsverwaltung; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 112 ff.

128 Begriff = hier: Art, Form, Typ; in dieser Bedeutung bei Jung-Stilling häufig.

129 Bevölkerung = hier: Anfüllen mit Menschen (Prozeßbegriff). Diese Bedeutung wird heute durch „Bevölkern“ ausgedrückt, und „Bevölkerung“ ist bloß noch Bestandsbegriff (Einwohnerschaft).

130 Diese Aussage stimmt nicht! Die Dorfbildung erfolgte auch im Siegerland bereits Jahrhunderte davor.

Jung-Stilling dürfte sich wohl an ein Edikt erinnert haben, durch welches (hauptsächlich zur Verhinderung der Auswanderung junger Leute) steuerbegünstigte dörfliche Neusiedlungen veranlaßt werden. – Vgl. August F. Rühle von Lilienstern (Hrsg.): Weisthum der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, welche in die Nassauische Teutsche Länder, Ottonischer Linie, von den ältesten Zeiten bis hierhin ergangen sind, Erster Theil. Hadamar (Neue Gelehrten-Buchhandlung) 1802, S. 220 sowie den genauen Wortlaut der bezüglichen Verordnung vom 12. September 1618 im Corpus Constitutionum Nassovicarum (vollständiger, ausführlicher Titel im NUC 509, 185 bzw. im GV [alt] 120, 328), Bd. 1, Sp. 27 ff. – Ich danke Herrn Stadtarchivar Friedhelm Menk in Siegen für diesen klärenden Hinweis.

131 Das Herzogtum Berg (mit der Hauptstadt Düsseldorf) fiel durch Erbfolge 1614 an das Wittelsbacher Haus Pfalz-Neuburg. Die Landesfürsten residierten seit 1720 in Mannheim und ab 1778 in München, nachdem ihnen auch das Herzogtum Bayern durch Erbfolge zugefallen war. Jung-Stilling lebte von 1762 bis 1778 im Bergischen Land. Er nennt es in seinem (streckenweise autobiographischen) Roman „Theobald oder die Schwärmer“ Fürstentum Bornfels. – Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 17 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 4).

132 Westfalen = hier: das seit 1368 mit dem Kurfürstentum Köln (Hauptstadt: Bonn) verbundene Herzogtum Westfalen mit dem Verwaltungssitz („Westfälische Kanzlei“) in Arnsberg. Die Provinz lag zwar im Westfälischen Reichskreis, zählte aber zum Kurrheinischen Kreis wegen ihrer Zugehörigkeit zum Erzstift Köln.

Siehe Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil, 7. Auf l. Franckfurt, Leipzig (ohne Verlag) 1759, S. 535 f. – Siehe auch GV (alt) 65, 155 zu weiteren Ausgaben dieses seinerzeit führenden Werkes von Johann Hübner.

133 Gemeint sind hier Bestimmungen, welche das Aufteilen der Güter verbieten; in der Regel die gesetzliche Festlegung des Erstgeburtsrechtes, das eine sehr lange Geschichte hat.

134 Nahrungsquelle ist als Fachausdruck der damaligen Wirtschaftslehre ein Gattungsbegriff, der in heutiger Sprache mehrere Artbegriffe umschließt; nämlich – (1) im weitesten Sinne: Erwerbsmöglichkeit, – (2) Sachkapital (Boden, Werkzeuge und Anlagen), – (3) Betrieb (definiert als Arbeitsstätte, ausgerüstet mit – (a) menschlicher Arbeit, – (b) Betriebsmitteln [Werkzeuge, Maschinen, Anlagen] und – (c) Werkstoffen [unterteilt in Fertigungsstoffe wie Eisen, Holz, Wolle; Hilfsstoffe wie Schmiermittel, Farben, Lacke und Betriebsstoffe wie Energie, Ersatzteile, Büromaterial], mit dem Ziel, Waren und Dienstleistungen zur Bedürfnisbefriedigung zu erstellen) sowie – (4) im engsten Sinne: beruflicher Wirkungsbereich. – Vgl. hierzu auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 106 f.

135 Jung-Stilling übersieht hier den (damals immerhin sehr häufigen) Fall, daß die jüngeren Geschwister als unverheiratete Hilfskräfte im landwirtschaftlichen Betrieb des ältesten Bruders bis an ihr Lebensende mitarbeiten und dafür mit Wohnung und Nahrung versorgt werden.

136 Die Kirche als Gotteshaus bildet noch bis heute den Mittelpunkt derartig zerstreuter Siedlungen, die (kirchen)verwaltungstechnisch ein Kirchspiel (Sprengel) ausmachen. – Spiel = hier: Rede, Verkündigung; vom althochdeutschen spel in gleicher Bedeutung und in verschiedenen Wörtern (wie: Beispiel) enthalten.

137 Weitläufigkeit = hier: weit sich ausdehnende Flächen, umfänglicher Grundbesitz.

138 Grafschaft Mark = ehemals reichsunmittelbare Grafschaft, 180 000 Quadratkilometer groß und um 1780 von ungefähr 120 000 Einwohnern bevölkert. Sie wurde gegen Norden vom Bistum Münster, gegen Osten vom Herzogtum Westfalen (siehe Anm. 132), gegen Süden und Westen aber vom Herzogtum Berg (siehe Anm. 131) begrenzt. Der nördliche, ebene, fruchtbare Teil (nördlich der Ruhr) nannte man Hellweg, die südliche Gebirgslandschaft (südlich der Ruhr) das märkische Sauerland. Die Grafschaft fiel 1614 an Brandenburg-Preußen. Hauptstadt war Hamm (beiderseits der Lippe gelegen). Siehe Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil (Anm. 12), S. 546.

139 Vorrat = hier: eingefahrene Ernte.

140 Das heißt: die eingewanderten Siegerländer hatten sich an die (eingeschränkte) Wirtschaftsweise der alteingesessenen Bauern der Grafschaft Mark angepaßt.

141 Im Westen Deutschlands sprach man um 1780 fast ausschließlich von Grundbirne: ein Wort, das auch Jung-Stilling sonst immer benutzt. Der (italienische) Ausdruck Kartoffel war in Preußen vorherrschend; die Grafschaft Mark gehörte seit 1614 zu Preußen. – Kartoffeln wurden in Deutschland um 1750 allgemein angebaut.

142 Aufnahme = hier: Erhöhung, Steigerung, Intensivierung, nämlich Anstrebung höherer Bodenerträge durch stärkere Bearbeitung.

143 Siehe hierzu vertiefend Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 46 ff., S. 91 ff.

144 Siehe hierzu Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 154 f.

145 Ökonom = (um 1780 immer) Landwirt. Die heutigs gängige Bedeutung (Volkswirt, Wirtschaftswissenschaftler) kommt dem Wort erst ab etwa 1900 zu.

146 Jung-Stilling gibt hier nicht an, welches der um 1780 gültigen Flächenmaße er zugrundelegt. – Der bergische Morgen (= 150 bergische Quadratruten) ist mit 3170 Quadratmeter anzusetzen; der rheinische Morgen (= 180 rheinische Quadratruten) mißt nur 2556 Quadratmeter; der Siegerländer Morgen (= 160 Quadratruten [wobei 1 Quadratrute = 256 Quadratschuh = 20,8 Quadratmeter] = 234 preußische Quadratruten) umfaßt 3328 Quadratmeter.

147 Gemeinweiden = die im gemeindlichen Besitz befindlichen Triften, auf die jeder sein Vieh grasen lassen darf. – Forstregal = alleiniges Waldnutzungsrecht des Staates bzw. des Fürsten; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 35, Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 63 ff. sowie (ausführlich belehrend) Artikel „Gemeindegrundstücke“, in: William Löbe (Hrsg.): Encyclopädie der gesammten Landwirthschaft, der Staats-, Haus- und Forstwirthschaft und der in die Landwirthschaft einschlagenden Hilfswissenschaften, Bd. 2. Leipzig (Wigand) 1850, S. 364 ff.

148 Ackeraufwand = Investitionen in landwirtschaftliche Werkzeuge, Geräte und Transportmittel; siehe auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 4.

149 Freigeben = hier: die Errichtung behördlicherseits von keinerlei Bedingungen abhängig machen. – Siehe zur Fabrikförderung auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 55.

150 Staatsglückseligkeit (= Staatswohlfahrt, auch: allgemeines Bestes) definiert Jung-Stilling sehr genau in acht eindeutigen Merkmalen. Siehe Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 57 f.; Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen (Anm. 1), S. 21 f. und Alfred Klose: Johann Heinrich Jung-Stilling als Sozialethiker (Anm. 4), S. 23 f.

151 Glücklich meint bei Jung-Stilling, im Besitz von Freiheit und Ehre sowie in der physischen Existenz gesichert. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen (Anm. 1), S. 17, S. 21, S. 64 sowie Jung-Stilling-Lexikon Religion (Anm. 30), S. 176 und Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 75 ff. (grundsätzliche Ausführungen in der Jubelrede zu Heidelberg 1786), S. 141 f. (das Glücklichsein setzt Mindest-Wohlstand voraus).

152 Grummet = Nachschur des Grases; zweiter Schnitt im Herbst. – Siehe ausführlich den Artikel „Grummet“ in: Onomatologia Oeconomica Practica. Oder Oeconomisches Wörterbuch, in welchem die allernöthigste, nützlichste und durch sichere Erfahrung bewährte Haushaltungskünste zur Stadt= und Landwirthschaft gehörige unentbehrliche Anmerkungen, auserlesenste Vortheile und Handgriffe nach alphabetischer Ordnung deutlich und aufrichtig beschrieben werden. Zum allgemeinen Nutzen des Bürgers und Landmanns, auch anderer, welche Landgüter haben. … mit einer Vorrede Herrn Joh. Heinr. Gottlieb von Justi, Bd. 1. Ulm, Frankfurt, Leipzig (Gaumische Handlung) 1760, Sp. 1315 f.

153 Gemeint ist: daß er seine Steuern und Abgaben zu leisten vermag, bei deren Nichtentrichtung ihm seitens der Obrigkeit harte Zwangsmaßnahmen drohen.

Die Lasten waren um 1780 ziemlich hoch; vgl. für Jung-Stillings Heimat beispielhaft die Aufzählung bei Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen. Siegen (Vorländer) 1820, Neudruck Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1981, S. 61 ff. — Statistik = hier noch: Zustandsbeschreibung.

154 Befriedigen = hier: umhegen, umzäunen; gegen andere abschließen und so Friede geben.

155 Bracheinrichtungen = hier: Brachweiden, nämlich Viehweide-Rechte auf den nach der Ernte – in der Regel vom Juni (= Brachmonat!) bis Oktober – ruhenden Grundstücken. Siehe Artikel „Brachpflicht“ in: Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 1. Prag (Calvesche Buchhandlung) 1837, S. 429 f.

156 Trift = hier: öffentlicher, gemeindlicher Weideplatz mit dem Recht für die Dorfbewohner, dort (nach bestimmten Regeln) ihr Vieh grasen zu lassen.

157 Hutgerechtigkeit = Recht zum Beweiden, das anderen auf eigenen Wiesen zugestanden werden muß. Siehe Artikel „Weiden und Hutungen“ in: Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 4 (Anm. 35), S. 803 ff.

Sehr viele bezügliche Begriffe finden sich auch (kurz) erklärt bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil, 2. Aufl. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787, S. 317 ff. („Erklärung der vornehmsten Kunstwörter, welche in der Forstwirthschaft vorkommen“) sowie bei Reidmar Egidi (Hrsg.). Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997.

158 Wohnung = hier: Ort an dem man lebt; Wohnstätte.

159 Siehe zur Fruchtbarkeit der Pfalz und den Besonderheiten der landwirtschaftlichen Produktion und Vermarktung dort Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe eines reisenden Schweizers über die Einrichtung der Pfälzischen Fruchtmärckte. Aus der Handschrift übertragen und mit Anmerkungen versehen von Anneliese Wittmann. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 6).

160 Gemeint ist eine Stunde Fußmarsch (keine Auto-Stunde, wie heute), wobei 1 Stunde = 5 Kilometer anzusetzen ist. – Vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 144), S. 90.

161 Die Bauern haben zu wenig Vorrat an Viehfutter und sind daher auf die Gemeindetriften angewiesen. – Vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 25, S. 53.

162 Siehe Anm. 16. – Sprengel = Dienstbezirk eines Pfarrers bzw. eines Richters (Gerichts-Sprengel) oder Beamten (Amts-Sprengel).

163 Polizei = hier: Landes-Planungsbehörde; siehe Anm. 7.

164 In (Wuppertal)Elberfeld wohnte Jung-Stilling von 1772 bis 1778. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 288 ff. sowie Erich Mertens: Jung-Stilling im Bergischen Land. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1995, S. 67 ff. (Jung-Stilling-Studien, Bd. 3).

Jung-Stilling nennt Elberfeld in seiner Lebensgeschichte „Schönenthal“ und in seinem (teilweise autobiographischen) Roman „Theobald oder die Schwärmer“ aus den Jahren 1784/85 „Bornhausen“ sowie (im 3. und 4. Hauptstück) „Portheim“. Das Herzogtum Berg heißt dort „Fürstentum Bornfels“.

Siehe zur Zeit in Elberfeld im Theobald-Roman sehr einfühlend und in allem schlußsicher, weil genau begründend Otto W. Hahn: Jung-Stilling zwischen Aufklärung und Erweckung. Sein Leben und sein literarisches Werk 1778 bis 1787. Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris (Peter Lang) 1988, S. 287 ff. (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII, Bd. 344.)

165 Barmen nannte man um 1780 noch das ganze, sich Elberfeld anschließende Tal. Die gleichnamige Stadt wurde aus den Orten Gemarke, Wipperfeld, Rittershausen, Hecklinghausen und Wichlinghausen sowie einigen kleineren Ortschaften erst 1808 aus der Taufe gehoben. Man vereinigte sie 1929 mit Elberfeld, und 1930 ging sie in Wuppertal ein. – Siehe näher Johann F. Knapp: Geschichte, Statistik und Topographie der Städte Elberfeld und Barmen im Wupperthale. Mit Bezugnahme auf die Stadt Solingen und einige Städte des Kreises Lennep. Iserlohn, Barmen (Langewiesche) 1835, Neudruck Remscheid (Kierdorf) 1981.

166 Die Wupper als rechter Nebenfluß des Rheines entspringt am Ebbegebirge im Sauerland und heißt im Oberlauf Wipper. Sie mündet nach 105 Kilometer bei Leverkusen.

167 Goamt = Unterbezirk; von go: Gau. Der Gograf war eine Art von Bezirkshauptmann mit eingeschränkten Vollmachten gegenüber der preußischen Verwaltung für die Grafschaft Mark in Hamm (siehe Anm. 18). – Schwelm kam 1392 an die Grafschaft Mark, und die Mark 1614 an Brandenburg-Preußen.

Zur Zeit von Jung-Stilling umfaßte das Goamt Schwelm auch ganz bzw. zum Teil Ennepetal, Gevelsberg, Sprockhövel und Langerfeld; es wurde 1922 Barmen eingemeindet. – Siehe genauer Friedrich Christoph Müller: Chorographie von Schwelm. Anfang und Versuch einer Topographie der Grafschaft Mark, in: Neues Westfälisches Magazin, Bd. 1 (1789), S. 1–51. Neu hrsg. von Gert Helbeck. Gevelsberg (Baltin) 1980. — Siehe zu Friedrich Christoph Müller (1750–1808) auch DBA 867, 188 ff.

168 Heerstraße = eine von vielen begangene oder befahrene Chaussee; Heer hier in der ursprünglichen Bedeutung = Vielheit von beisammen lebender Wesen.

169 Das Wort „Kaufmann“ schließt bei Jung-Stilling auch den Fabrikanten („fabrizierenden Kaufmann“) ein. – Bleichen = Textilien bearbeiten, daß Farbstoffe entfernt werden. Der entsprechende, dort um diese Zeit weit verbreitete Beruf war der des Bleichers.

170 Gemark(e) von „Mark“ = Bezirk, Gebiet; siehe auch Anm. 42.

171 Lutherische oder Lutheraner = die Anhänger der Lehre des Kirchenreformators Martin Luther im Gegensatz zu den Anhängern von Jean Cauvin (latinisiert: Calvin) und Huldreich Zwingli, die „Reformierte“ genannt wurden. Beide Gruppen zusammen hießen „Protestanten“ und nennen sich seit ihrer Vereinigung im Jubeljahr der Reformation 1817 in der Regel „Evangelische“.

172 Der Konfessionskrieg von 1618 bis 1648 in Deutschland. Auf Seiten der deutschen Protestanten kämpften Dänemark, Schweden und Frankreich. Die schwedische Heeresmacht drang bis nach Böhmen vor.

173 Korps = Truppenverband, Heerhaufen (vom französischen corps bzw. dem lateinischen CORPUS: Körper).

174 Siehe Anm. 44.

175 Siehe Anm. 47. – Im Wiener Kongreß 1815 wurde Preußen auch das Herzogtum Berg zugesprochen und der preußischen Rheinprovinz einverleibt. – Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) kamen sowohl die alte Grafschaft Mark als auch das Herzogtum Berg in das neu begründete Bundesland Nordrhein-Westfalen; die alte bergische Hauptstadt Düsseldorf wurde Regierungssitz.

176 Supplizieren = (bei Hofe zu Mannheim) bittend einkommen.

Beinebens hatte sich Jung-Stilling für die Lutheraner persönlich eingesetzt. Über die Einzelheiten des späteren Kirchbaus zu Wichlinghausen und insonders die Rolle von Jung-Stilling dabei siehe Albert Krieger: Briefe Jung=Stillings an Johann Georg von Stengel und Andreas Lamey aus den Jahren 1771 bis 1774, in: Mannheimer Geschichtsblätter, Bd. 26 (1925), Sp. 35 (Besuch bei Hofe im Herbst 1771) und Sp. 81 f. (Brief vom 11. April 1774).

Jung-Stilling dürfte mit Johann Georg von Stengel (siehe ADB 17, 568) über seinen Prinzipal Peter Johannes Flender in Kräwinklerbrücke bekannt geworden sein. Dessen Cousine 2. Grades war mit dem Geheimen Kanzleisekretär Joseph Anton von Stengel verheiratet, einem Bruder von Johann Georg von Stengel (1721–1798); siehe Wilhelm Weyer: Geschichte der Familie Flender, 2. Bd. Von der Zeit des Dreißigjährigen Krieges bis zur Gegenwart. Bocholt (Rips) 1961, S. 74. – Vgl. auch Klaus Goebel: Jung-Stillings Beziehungen zu Ronsdorf, in: Beiträge des Historischen Arbeitskreises Ronsdorf, Heft 7 (1993), S. 55 ff.

177 Kurfürst Karl Theodor von Pfalz-Bayern (bis 1778 in Mannheim, ab da in München residierend), als Herzog zu Jülich und Berg damals der Landesherr. Ihm widmete Jung-Stilling 1772 seine medizinische Doktorarbeit, und Karl Theodor zeichnete Jung-Stilling im März 1785 mit dem Titel eines „Kurfürstlichen Hofrats“ aus, den Jung-Stilling auch nach seinem Ausscheiden aus dem kurpfälzischen Dienst 1787 weiterführen durfte. – Siehe zur Person des Fürsten noch immer lesenswert Felix Joseph Lipowsky: Karl Theodor, Churfürst von Pfalz=Bayern, Herzog zu Jülich und Berg etc. etc. wie Er war, und wie es wahr ist, oder dessen Leben und Thaten. Sulzbach (Seidelsche Buchhandlung) 1828.

Vgl. zu den bergischen Kirchengemeinden auch den in Anm. 176 genannten Beitrag von Klaus Goebel; dort auch (S. 65 ff.) Hinweise auf weitere ortsgeschichtliche Literatur.

178 Jung-Stilling wurde zum Wintersemester als Professor für angewandte ökonomische Wissenschaften an die Kameral Hohe Schule nach (Kaisers)Lautern berufen. – Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede), S. 86 ff. sowie Gustav Adolf Benrath: Jung-Stilling in Kaiserslautern, in: Pfälzer Heimat, Bd. 41 (1991), S. 63 ff.

179 Siehe zu diesen Städten die in Anm. 165 genannte Arbeit von Johann F. Knapp und zu Hückeswagen näher Stadt Hückeswagen (Hrsg.): 900 Jahre Hückeswagen. 1085-1985. Hückeswagen (Stadt Hückeswagen), S. 27 ff. sowie S. 200 ff. (über Jung-Stilling in Hückeswagen; das auf S. 203 wiedergegebene Portrait ist nicht das von Jung-Stilling!) Vgl. Leiw Heukeshoven, Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abt. Hückeswagen, Heft 32 (1993), S. 11.

180 Kunst = bei Jung-Stilling: erfinderisches Schaffen. – Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 89 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 74.

Einzelne Kunstgewerbe zählt Jung-Stilling kurz beschreibend auf; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen (Anm. 1), S. 116 ff. – „Kunstwissenschaft“ setzt Jung-Stilling dem Begriff „Technologie“ oder „Fabrikwissenschaft“ gleich; siehe ebenda, S. 122.

181 Der Patenonkel von Jung-Stilling war ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet des Wassermaschinenbaus; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989 sowie Michael Frost: Jung-Stilling und sein Patenonkel Johann Heinrich Jung, in: derselbe. (Hrsg.): Blicke auf Jung-Stilling. Kreuztal (wielandschmiede) 1991, S. 41 ff. Sehr wahrscheinlich durch ihn früh angeregt, behielt Jung-Stilling stets einen geschärften Blick für Kraftanlagen aller Art.

Vgl. Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 129 (verschiedene Arten von Ölmühlen) sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 53 ff. (sehr genaue Schilderung der bergischen Wassermaschinen).

182 Kommerzium (vom lateinischen MERX: Ware) = Handelsverkehr (im engeren Sinne); Wirtschaftstätigkeit (im weiteren Sinne).

183 Vgl. zu diesem Flächenmaß Anm. 26.

184 Kultur = hier: Pflege durch Verbesserung und Veredelung des Bodens; lateinisch AGRICULTURA: Landbau.

185 Schlendrian (vom niederdeutschen slender: langsamer Gang, alte Gewohnheit) = herkömmliches, in aller Gemächlichkeit bleibendes und Neuem gegenüber verschlossenes Handeln. – Jung-Stilling benutzt diesen Ausdruck häufig; siehe beispielsweise Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 14, S. 21, S. 86 (hier rügt er „die alten juridischen Herren von Schlendrian“ [deren Nachfahren offenbar auch heutigs noch unter uns leben!] zusamt den [inzwischen wohl ausgestorbenen?] „Routinebrüdern“), S. 111 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 31), S. 74, S. 114.

186 In Aufnahme bringen = hier: durch (gewerbefördernde) Maßnahmen zum Besseren entwickeln.

187 Landesväterliche Anstalten = hier: landwirtschaftsfördernde Maßnahmen; siehe auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 172.

188 Siehe hierzu ausführlicher Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 25 ff., S. 46 ff., S. 65 ff. sowie S. 95 f.

189 Siehe hierzu Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe eines reisenden Schweizers über die Einrichtung der Pfälzischen Fruchtmärckte (Anm. 39), S. 80 ff.

190 Jean Baptist Colbert (1619–1683), seit 1661 Finanzintendant und ab 1665 in einer Person französischer Finanz-, Innen-, Bau- und Marineminister unter König Ludwig XIV. Er formte die französischen Provinzen mit folgerichtigen Maßnahmen (nach dem Motto: „liberté et protection“: Freiheit im Inneren und Schutz nach außen) zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum mit regelmäßigem Tauschverkehr; siehe Gustav Hch. Hecht: Colberts politische und volkswirtschaftliche Grundanschauungen. Freiburg, Leipzig (Mohr) 1897 (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, Bd. 1, Heft 2). – Jung-Stilling bezieht sich in seinen ökonomischen Schriften häufig auf Colbert.

191 Königin Elisabeth I. (1533/1558–1603), Tochter aus der Ehe von Heinrich VIII. mit der Hofdame Anne Boleyn (die er 1536 köpfen ließ). Die Königin selbst fand an der Landesökonomie wenig Gefallen. Treibende Kraft der Wirtschaftspolitik war William Cecil Burleigh (1520–1598), der vierzig Jahre lang ununterbrochen wirkte.

192 Etwa 90% der schätzungsweise 21 Mio Einwohner des damaligen Reichsgebietes lebten 1780 noch auf dem Lande oder in kleineren Orten unter 5 000 Einwohnern. Siehe Ludwig Elster: Artikel „Bevölkerungswesen (Geschichte der Bevölkerungsbewegung)“, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 2. Jena (Gustav Fischer) 1924, S. 694 f.

Um 1780 entstammten auch noch über 70% des Bruttosozial-Produktes in Deutschland aus der Landwirtschaft; heute sind es unter 3%. – Siehe zu diesen Fragen auch Friedrich Naumann: Neudeutsche Wirtschaftspolitik. Berlin (Buchverlag der „Hilfe“) 1906, S. 21 ff.

193 Wahrscheinlich Friedrich Casimir Medicus (1736–1809), der sich in zwei Aufsätzen aus den Jahren 1769 und 1774 mit Problemen der optimalen Bevölkerungsdichte befaßte. – Siehe zu diesem ungemein tatkräftigen und für das Fortkommen von Jung-Stilling so wichtigen Mann DBA 818, 75 ff. sowie seine 72 Schriften teilweise in GV (alt) 94, 29 ff.

194 Ackeraufwand = Investitionen in den Landbau. (Gewerbe)Aufwand heißt bei Jung-Stilling die Investition (als Einsatz von Geld zur „Anschaffung von Erwerbsmitteln“); siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 7), S. 4. – Mit Aufwand versteht man heute den (in Geld ausgedrückten) Verbrauch von Waren und Leistungen (= Güter) während eines Zeitabschnittes.

195 Das heißt: die zur Überinvestitionen neigen; den Sachkapitalbestand also zu hoch im Verhältnis zu ihrem Gut ansetzen.

196 Denn bei Überproduktion sinken nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage CETERIS PARIBUS die Verkaufspreise. Die Unternehmen werden deshalb die Produktion einschränken und mithin weniger Arbeitskräfte nachfragen. Dies bewirkt auf dem Arbeitsmarkt (wieder nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage) eine Lohnsenkung. – Siehe tiefer begründend Gerhard Merk: Programmierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. 4: Wachstum, Staat und Verteilung. Wiesbaden (Gabler) 1974, S. 176 ff.

197 Sinken die Löhne und damit die Nachfrage, so müssen CETERIS PARIBUS die Nahrungsmittel (das Angebot an landwirtschaftlichen Gütern) zunächst billiger werden. Die gesunkenen Preise für Nahrungsmittel werden aber die Bauern veranlassen, ihre Produktion in der nächsten Periode einzuschränken. Jetzt könnte es in der übernächsten Periode zu einem Anstieg der Preise kommen. – Siehe näher Gerhard Merk: Mikroökonomik. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz (Kohlhammer) 1976, S. 114 ff.

198 Jung-Stilling will sagen: Werden die Nahrungsmittel sehr teuer, so kaufen die Arbeiter kaum noch Güter der Fabrikanten (denn der Reallohn [als der mit dem Preisstand gewogene Lohn] ist gesunken). Gleiches tritt ein, wenn das Lohnniveau der Beschäftigten sinkt.

199 Stadtwirtschaft = hier: eine Mischung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe, bzw. ein Produktionsangebot sowohl aus Betrieben der Landwirtschaft als auch aus Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, auf einen Ort bezogen.

200 Siehe hierzu auch Alfred Klose: Johann Heinrich Jung-Stilling als Sozialethiker (Anm. 4), S. 27.

201 Siehe Anm. 30; der Begriff „Glückseligkeit“ (BEATITUDO) hat bei Jung-Stilling seine sehr genaue Definition. — Vgl. zur Glückseligkeit bei Jung-Stilling tiefergehend Haltaus Unverzagt: Hat Jung-Stilling Recht? Protokolle nachtodlicher Belehrungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 47 ff. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 2) sowie die Download-Datei “glueck.doc” bei der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads.htm>

202 Jung-Stilling schrieb in der Zeitschrift „Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft“ vom Jahre 1775 (Lautern 1779, S. 126–169) über „Staatswirthschaftliche Anmerkungen bei Gelegenheit der Holznüzung des Siegerlandes“ und in der gleichen Zeitschrift vom Jahre 1777 (Lautern 1779, S. 160-225) die „Geschichte des Nassau=Siegenschen Stahl= und Eisengewerbes“ sowie in den „Bemerkungen“ von 1778 (Lautern 1779, S. 321–378) über „Staatswirthschaftliche Anmerkungen über das Hammerschmieds= Eisen= und Stahlgewerbe des Siegerlandes nebst einer Beschreibung der Methode des Stabschmiedens“. – Siehe auch (den Neudruck) Johann Heinrich Jung: Geschichte des Nassau-Siegenschen Stahl- und Eisengewerbes. Siegen (Heimatverein) 1959 (Siegerländer Beiträge zur Geschichte und Landeskunde, hrsg. von Wilhelm Güthling, Heft 10).

203 Handlung = hier: Handhabung einer Sache, unternehmerisches Tätigsein (vom althochdeutschen hantalunga: Bewerkstelligung, Durchführung, Vollzug). Die heutige, engere Bedeutung (Kauf und Verkauf von Waren) lag dem Begriff um 1780 noch nicht ausschließlich bei.

204 Kostbar = hier: hohe Kosten verursachend, teuer.

205 Noch bis in das 20. Jahrhundert wurde das Wohnhaus des Fabrikanten im Siegerland in unmittelbarer Nähe des Betriebsgebäudes errichtet. Besonders kleinere Fabrikanten wohnen auch heute noch in diesen Häusern.

206 Haushaltung = hier: Betrieb.

207 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 151 ff. zu dieser Reihenfolge.

Es war damals allgemein üblich, daß Fabrikanten auf dem Lande sich auch in der Agrarwirtschaft betätigten. Jung-Stillings Patron Peter Johannes Flender verdiente aus der Landwirtschaft und Viehzucht viel Geld; Jung-Stilling nennt ihn einen ausbündig geschickten Landwirt; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen (Anm. 3), S. 231 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 24), S. 85 (Peter Johannes Flender steigt groß in die Schafzucht ein; wohl vor allem deshalb, weil die Schafwolle von den Textilfabrikanten im Wuppertale gut bezahlt wurde).

208 Siehe Anm. 16.

209 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 31, S. 38 zu kennzeichnenden Merkmalen dieses Gewerbes.

210 Cronenberg ging 1929 als südlicher Stadtteil in das neugegründete Wuppertal auf. – Siehe Johannes Holtmanns: Beiträge zur Geschichte der Stadt Cronenberg. Remscheid (Ziegler) 1898, Neudruck Remscheid (Kierdorf) 1982 sowie Cronenberger Fabrikantenverein (Hrsg.): Cronenberg. Aus Geschichte und Wirtschaft. Wuppertal-Cronenberg (Verlag des Cronenberger Fabrikantenvereins) 1970 (mit zahlr. Abb. von alten Fabrik-Anlagen).

211 Siehe Anm. 49.

212 Remscheid wurde 1808 Stadt; 1929 gemeindete es die alten Orte Lennep und Lüttringhausen ein. – Siehe Walter Lorenz (Hrsg.): 50 Jahre Großstadt Remscheid. 1929–1979. Dokumentation zur Kommunalen Neugliederung vom 01. August 1929. Remscheid (Stadt Remscheid) 1979.

213 Siehe Anm. 49.

214 Das heißt: anfangs sind die Bauern noch in der Überzahl. Sie können durch Mehrproduktion die neu hinzugetretenen Unternehmer- und Arbeiterhaushalte leicht billig versorgen.

215 Die steigende Anzahl der Nachfrager aus den neuen Gewerben bewirkt einen Anstieg der Preise für Lebensmittel. Das veranlaßt sie, sich aus eigenen Feldern, Gärten und Ställen (teilweise) selbst zu versorgen. – Noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein prägten teilselbstversorgende landwirtschaftliche Nebenerwerbs-Betriebe das Bild der deutschen Industrielandschaften – bis in das Ruhrgebiet hinein.

216 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 23), S. 138 ff. Geschildert wird hier sehr lebendig und überaus eindrücklich der Aufstieg des bergischen Schusters Peter Adolf Clarenbach (1661–171736) zum Großunternehmer. Peter Adolf Clarenbach war der Großvater von Peter Johannes Flender (1727–1807), in dessen Firma Jung-Stilling sieben Jahre lang tätig war.

Handlungsgenie = Unternehmerpionier; siehe Gerhard Merk: Pioniere und Pioniergewinne, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Bd. 95 (1959), S. 47 ff. [als Download-File auch unter der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~merk/downloads.htm> zur Gestalt des Handlungsgenies schlechthin.

217 Mutterwitz = natürlicher, nicht eigens ausgebildeter Verstand. – Witz = Wissen, Verstand, Klugheit, Weisheit als Abstraktum zu wissen (entsprechend dem angelsächsischen wit); also noch nicht die heute dem Wort beigelegte Bedeutung (= Scherz, Spaß, Jux).

218 Bemerken = hier: etwas aus Anzeichen auffassen; eine Sache mit dem Geist erkennen; beobachten.

219 Der breitgebildete Wiener Professor Joseph von Sonnenfels (1733–1817). Seine damals schier überall verbreiteten Schriften (diese in GV [alt] 136, 152 ff.) machten ihn zu einem der bekanntesten zeitgenössischen Ökonomen. Jung-Stilling zitiert ihn häufig zustimmend; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 31), S. 71, S. 95, S. 118.

Jung-Stilling kritisiert Sonnenfels aber auch und verwirft beispielsweise dessen Lehre von den Wirkungen des technischen Fortschritts; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 77, S. 94, S. 102.

Siehe zum Verhältnis von Jung-Stilling zu Joseph von Sonnenfels auch Maria Schwarz: Jung=Stilling. Dem Andenken an den ersten Systematiker einer deutschen Staatswissenschaft, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 156 (1942), S. 342 sowie das Download-File “wien_bei_nacht.doc” in der Rubrik “Nachtodliche Belehrungen zu Persönlichkeiten” bei der <Adresse http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads.htm>

220 Stapel = hier: Berechtigung zu einer Warenniederlage. – Siehe ausführlich Karl Rathgen: Artikel „Stapelrecht“, in: Ludwig Elster (Hrsg.): Wörterbuch der Volkswirtschaft, Bd. 2. Jena (Gustav Fischer) 1898, S. 618 f.

221 Auch noch hundert Jahre nach diesem (1781 geschriebenen) Artikel wurden Städte immer wieder von verheerenden Bränden heimgesucht.

222 Landes-Kollegien = Behörden und Ämter der Staatsverwaltung sowie der Gerichte.

223 Pracht = hier: weiterführende Bedürfnisse im allgemeinen; siehe ausführlicher Johann Heinrich Jung-Stilling: Bildungsfehler und Überfeinerung. Sozialer Abstieg von Familien und Staaten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 17 ff. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 5). Der ganze Band ist auch als Download-File unter der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling.downloads.htm> abrufbar.

224 Originaltitel: Bemerkungen über den Forstwirthschaftlichen Zustand einiger Aemter im Herzogthume Berg, von Johann Heinrich Jung. In: Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1780. Mannheim und Lautern, im Verlage der ökonomischen Gesellschaft, und in Commißion der neuen Hof= und akademischen Buchhandlung, 1781, S. 274–319.

Diese Abhandlung von Jung-Stilling findet sich neu abgedruckt bei: Herrn Professor Jungs Abhandlungen, Oeconomisch und statistischen Inhalts. Kopenhagen und Leipzig, bey Carl Krögen. Gedruckt bey Peter Horrebon. 1788. — Statistisch = hier: den Zustand betreffend; staatskundlich.

225 Siehe zu diesen bergischen Orten näher Johann F. Knapp: Geschichte, Statistik und Topographie der Städte Elberfeld und Barmen im Wupperthale. Mit Bezugnahme auf die Stadt Solingen und einige Städte des Kreises Lennep. Iserlohn, Barmen (Langewiesche) 1835, Neudruck Remscheid (Kierdorf) 1981.

226 Handwerksleute = bei Jung-Stilling (und durchgehends in der zeitgenössischen ökonomischen Literatur): alle mit der Hand tätigen Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft, also nicht bloß diejenigen, welche (in der engen Bedeutung wie heute) ein Handwerk erlernt haben oder betreiben. – Siehe Johann Christoph Adelung: Grammatikalisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Bd. 2. Leipzig (Breitkopf & Sohn) 1796, Sp. 960 f.

227 Viktualien = Lebensmittel, vom spätlateinischen VICTUALIA in gleicher Bedeutung.

228 Häuslicher Aufwand = Teil des Ertrags, der zur Befriedigung der Bedürfnisse und zum Bezahlen der Steuern verwendet wird. – Ackeraufwand = Investitionen in landwirtschaftliche Werkzeuge, Geräte und Bauten. Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1987, S. 4.

229 Glückseligkeit = Zufriedenheit durch ungestörten Genuß von Gesundheit, Eigentum, Freiheit und Ehre. – Siehe Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 64 sowie ausführlicher Haltaus Unverzagt: Hat Jung-Stilling Recht? Protokolle nachtodlicher Belehrungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 47 ff (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 2). Dort auf S. 121 die genaue Definition von „Glückseligkeit“ (BEATITUDO NATURALIS) bei Jung-Stilling.

Siehe auch das Download-File “glueck_als_ziel_des_menschen.doc” bei den “Nachtodlichen Belehrungen zur Philosophie” unter der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads.htm> abrufbar.

230 Das Herzogtum Berg wurde von Mannheim aus verwaltet: seit 1720 hielten die Kurfürsten von der Pfalz dort Hof. Als ihnen 1778 durch Erbgang auch das Herzogtum Bayern zufiel, verlegten sie in diesem Jahre ihren Aufenthalt nach München, wo sie bis 1918 regierten. Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 88.

Herrscher war zur Zeit von Jung-Stilling Kurfürst Karl Theodor (1724/1742–1799) aus dem Hause Wittelsbach-Sulzbach; siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 36 f. In Düsseldorf war die (teilautonome) Provinzverwaltung für die Herzogtümer Jülich und Berg ansässig.

231 Verfassung = hier: Gliederung der Grundflächen; Parzellierung. – Dem (von Jung-Stilling sehr häufig gebrauchten) Begriff „Verfassung“ legte man um 1780 nur die weitere Bedeutung (nämlich: der infolge getroffener Einrichtungen entstandene Zustand) bei; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 12,1. Leipzig (Hirzel) 1956, Sp. 314.

232 Gemeinweiden = in öffentlichem Besitz befindliche (Weide)Flächen mit dem Recht für alle Dorfbewohner, dort nach einer bestimmten Ordnung ihr Vieh grasen zu lassen. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 25, S. 53, S. 62.

233 Befriedigt = mit einem (Holz)Zaun umgeben, und so Friede vor Störungen von außen bzw. nach außen (durch Austritt des Weideviehs) gewährleistend.

234 Haushalten = Wirtschaften (als Oberbegriff). – Mit „Haushaltung“ bezeichnet Jung-Stilling sowohl die Produktionseinheit (heute: Betrieb) als auch die Verbrauchseinheit (heute: Haushalt).

235 Mülheim = hier: Mülheim am Rhein, 1914 der Stadt Köln eingemeindet. – Mülheim liegt am rechten Rheinufer und gehörte weiland zum Herzogtum Berg. Jung-Stillings Patron Peter Johannes Flender (1727–1807) unterhielt dort ein Lager; und es ist sehr wahrscheinlich, daß Jung-Stilling in Mülheim häufiger zu tun hatte. Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 10 f., S. 43 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 4).

236 Korn = Roggen als die damals üblichste Brotfrucht.

237 Die aus dem flachen, in der Rheingegend gelegenen Westteil des Herzogtums Berg herangebrachten Gartenfrüchte sind infolge hoher Transportkosten teuer. Dies wirkt sich steigernd auf die Konsumentenpreise aus. Die Unternehmer müssen höhere Löhne zahlen, als wenn Obst und Gemüse in den Gärten des Ostteils wüchse. Höhere Löhne aber bedeuten höhere Produktionskosten und damit höhere Preise für die Fertigprodukte. Daher wirkt sich die Vernachlässigung des Anbaus von Gartenfrüchten nachteilig auf die Manufakturen aus.

238 Richtiger sicher: wohlfeiler anbieten; denn der lange Transportweg zu den Märkten verkürzt sich wesentlich. Das Wachstum der Pflanzen im bergigen Ostteil ist vergleichsweise ungünstiger als im flachen Westteil.

239 In diesem Band unter der Überschrift: „Mittel und Wege zur rationellen Bodennutzung“ auf S. 16 ff. neu abgedruckt.

240 Verangert = verunkrautet: von Wildpflanzen über und über bewachsen; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 12,1. Leipzig (Hirzel) 1956, Sp. 76.

241 Verspreiten = über eine Fläche verteilen; ausstreuen.

242 Eigentümlich = hier: dem Gut zugehörig; zum Besitz zählender Grund und Boden.

243 Weil kein verrottendes Laub – wie sonst in Wäldern üblich – dem Boden Nährstoffe zuführen kann.

244 Siehe hierzu auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 228), S. 18 sowie Alfred Klose: Johann Heinrich Jung-Stilling als Sozialethiker. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 28 f. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 1).

245 Grafschaft Mark = gegen Norden vom Bistum Münster, gegen Osten vom Herzogtum Westfalen (als Gebietsteil des Kurfürstentums Köln) sowie gegen Süden und Westen vom Herzogtum Berg (siehe Anm. 1) begrenztes, etwa 180 000 Quadratkilometer großes Territorium mit der Hauptstadt Hamm. Es fiel 1624 an Brandenburg-Preußen. – Die Steinkohlen kamen von den Lagerstätten bei (Essen-)Kettwig an der Ruhr. Siehe zur Grafschaft Mark auch Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil. Franckfurt, Leipzig (ohne Verlag) 1759, S. 546 ff.

246 Das Herzogtum Cleve fiel gleichfalls 1624 im Erbgang an Brandenburg-Preußen; siehe Johann Hübner: Vollständige Geographie, Dritter Theil (Anm. 21), S. 516 ff. Es hatte eine eigene Landesregierung, die von der Regierung der Mark in Hamm grundsätzlich unabhängig war.

247 Auflage = Steuer, Abgabe; Ausfuhr-Zoll. Siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 1. Leipzig (Hirzel) 1854, Sp. 680.

248 Holzgrund = forstwirtschaftlich nutzbare Fluren; für Wald geeigneter Boden.

249 Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 65 f., wo die Feuerungs-Technik der metallverarbeitenden Betriebe im Bergischen beschrieben wird.

250 Mittelmäßig = hier: gewöhnlich, normal, dem Durchschnitt entsprechend.

251 Schatzung = Vermögensabgabe; siehe Günter Schmölders: Allgemeine Steuerlehre, 5. Aufl. Berlin (Duncker & Humblot) 1980, S. 22.

Jung-Stilling selbst vermeidet später diesen (unbestimmten, weil nicht die Art des Vermögens beschreibenden) Begriff; vgl. begründend Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Finanz=Wissenschaft. Leipzig (Weidmannische Buchhandlung) 1789, Reprint Wiesbaden (Gabler) 1978, S. 97. – Siehe zur Wortherkunft Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 8. Leipzig (Hirzel) 1893, Sp. 2290.

252 Angreifen = anfassen, sich um etwas bekümmern.

253 Endlicher Termin der Glückseligkeit = Elend, Bankrott.

254 Siehe hierzu vertiefend Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 8), S. 42 ff.

255 Siehe Anm. 7.

256 Näherhin aus dem Fürstentum Nassau-Siegen. Siehe vertiefend über die seinerzeitigen Lieferbeziehungen Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 15 ff.

257 Jung-Stilling und sein Patenonkel, der fürstlich-oranische Oberbergmeister Johann Heinrich Jung, traten für die Verarbeitung des Rohmaterials im Siegerland ein. Die nassau-oranische Regierung in Dillenburg war hauptsächlich deshalb dagegen, weil sie eine weitere Verknappung der ohnehin schon beschränkten Vorräte an Energie (Holz, Wasser) befürchtete. – Siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 75 ff.

258 Das heißt, wenn andere Abnehmer wesentlich höhere Preise zahlen könnten, und so die märkische Kohle für die Verarbeiter im Bergischen zu teuer würde. – Um 1780 hatte man noch keine genaue Kenntnis über die reichhaltigen Vorräte an Steinkohlen an der Ruhr. Man kannte auch noch nicht die technischen Möglichkeiten, an die tieferliegenden Flöze heranzukommen.

259 Siamois = hier: Textilien aus Leinen mit einem „Einschlag“ (Schuß, Querfaden) an Baumwolle. Ursprünglich Gewebe aus (Natur)Seide (abgehaspelter Kokonfaden der Raupen verschiedener Nacht-Schmetterlinge, insonders des echten Seidenspinners) und Baumwolle, ursprünglich von Siam (Thailand) kommend. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 8), S. 89.

260 Levante = Morgenland: die östlichen Mittelmeerländer, die Küsten Kleinasiens. Das seinerzeit gängige Wort leitet sich her aus dem italienischen levare: erheben, welches als rückbezügliches Zeitwort (Reflexivverb) levarsi „sich erheben, aufgehen (der Sonne)“ bedeutet.

261 Kostbar = hier: teuer, kostspielig, im Preise sehr gestiegen.

262 Hin und wieder = hier: überall, allerorts, an allen Ecken und Enden.

263 Verschreiben = hier: beschaffen, beziehen (ein in der damaligen Kaufmanns-Sprache gängiges Wort).

264 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 8), S. 73 f. sowie zu den anfänglichen Schwierigkeiten der Siamois-Fabrik in Kaiserslautern auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. Von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 346.

265 Nämlich in der Kurpfalz, wo Jung-Stilling von 1778 bis 1787 als Professor zunächst in Kaiserslautern und dann in Heidelberg wirkte.

266 Ein durch die Zeiten gültiger, obzwar immer wieder vernachlässigter Hauptlehrsatz der Wirtschaftspolitik! Heute meistens (enger) in der Form: „In der guten Konjunktur muß rationalisiert werden“ ausgedrückt.

267 Scheitschläger = Holzspalter: Arbeiter, die Holzstämme mit der Axt zerteilen. – Klafterholz = aufgeschichtetes Brennholz; siehe Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 136.

268 Verfahren = hier: Verladen, Transport: vom Wald zu den Meilern, Fabriken und Haushalten befördern.

269 Werkholz = alle stärkeren Holzsorten, die vom Zimmermann sowie im Maschinenbau verarbeitet werden.

270 „Bauholz nennt man solches Holz, welches seiner Natur nach entweder zu schweren Gebäuden oder Maschinen dienlich oder schon wirklich aus dem Groben dazu bereitet ist“, definiert Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil, 2. Aufl. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787, S. 322.

271 1 Schuh (im alten, um 1780 geltenden bergischen Maß-System) = 10,8571 Zoll = 0,285 Meter.

Man rechnete aber um diese Zeit im Wuppertale auch teilweise schon nach der französischen (Pariser) Maß-Ordnung, besonders in der Textilindustrie. Hier galt 1 Zoll (pouce) = 12 Linien = 0,2701 Meter sowie 1 Fuß (Schuh, pied) = 12 Zoll = 0,324 Meter. Daneben wurde auch in brabanter, preußischem, pfälzischem oder bayrischem Maß gemessen: je nach Herkunft oder Absatzgebiet für die betreffenden Waren. Aus diesen Gründen ist es zumindest sehr schwer (wenn nicht gar ganz ausgeschlossen), für die von Jung-Stilling hier und auch an anderer Stelle angegebenen zeitgenössischen Maße die genauen Umrechnungsverhältnisse festzustellen. – Die Hammerwerks-Besitzer fragen jedenfalls Eichenstämme von mindestens etwa 6 Meter nach.

272 Siehe genauer zu den bergischen Hammerwellen auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 60.

Die dort auf S. 69 von Jung-Stilling mit zehn Schlägen pro Sekunde angegebene Laufgeschwindigkeit des bergischen Reckhammers ist wohl nicht richtig. Die Schlagzahl wird in anderen, zuverlässigen Berichten aus dieser Zeit mit 180 Schlägen pro Minute (also nur drei Schlägen in der Sekunde) angesetzt. Dies ist auch anhand technischer Überlegungen als zutreffend einzusehen. — Ich danke Herrn Ingenieur Sebulon Halbach in Wuppertal-Ronsdorf für diesen klärenden Hinweis.

273 Gemeint ist Winterberg, am 670 hohen Kahlen Asten unweit der Ruhr-Quelle gelegen. Es war schon zu dieser Zeit und bis ins 20. Jahrhundert hinein Mittelpunkt des sauerländischen Hausierhandels in Holz-, Stahl- und Wollwaren. Der Ort gehörte zum Herzogtum Westfalen als Teil des Kurfürstentums Köln.

274 Siehe Anm. 24.

275 Schlagholz = hier: Niederwald; dasjenige Gehölze, welches nach dem Abtreiben von neuem ausschlägt und innert von 15 bis 20 Jahren wieder gefällt werden kann. – Oberholz = Hochwald. – Abtreiben = hier: fällen, niederhauen, abholzen. – Gehaue = Ort, der im Lauboberholz abgetrieben wird.

Siehe die Erklärungen bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 46), S. 317 ff. sowie bei Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 101.

276 Flößen = zusammengebundene Baumstämme auf dem Wasser schwimmend transportieren. – Flößen ist Faktitivum von fließen (und das Faktitivum bezeichnet ein abgeleitetes Zeitwort, das eine Tätigkeit bezeichnet, durch welche das Objekt in die durch das Stamm-Zeitwort bezeichnete Aktion versetzt wird).

277 Das heißt: sowohl in das waldarme Kurfürstentum (Erzstift) Köln mit der Hauptstadt Bonn wie auch in das mit dem Herzogtum Berg verschwisterte (weil zum Herrschaftsbereich von Kurfürst Karl Theodor gehörende) Herzogtum Jülich könnten beachtliche Mengen an Holz verkauft werden. – Vgl. zu Jülich auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 6), S. 55, S. 57.

278 Niederlande = hier: Provinzen im westfälischen oder im niedersächsischen Kreis des deutschen Reiches gelegen.

279 Siehe Anm. 6.

280 Flor beider Gewerbe = das Blühen sowohl der Landwirtschaft wie auch der Forstwirtschaft.

281 Jung-Stilling lebte von 1762 bis 1778 im Bergischen Land, unterbrochen nur von seinem dreisemestrigen Studienaufenthalt in Straßburg von Herbst 1770 bis Frühjahr 1772. Indessen fühlte er sich dort wohl nie richtig heimisch. Jung-Stilling beklagt in seiner Lebensgeschichte das vor allem in den Städten vorherrschende gesellschaftliche Klima, die geistige Verfassung. Noch als Arzt fühlte er sich inmitten einer „geldhungrigen Kaufmannswelt“, in der man die Menschen „nur nach dem Verhältniß ihres Geldvorraths schätzte, … und wo nur der Ehre genoß, der viel verdienen konnte“, siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen (Anm. 264), S. 292; Vgl. auch S. 365 f.

282 Hinzu trat, daß es für die Kinder der weit zerstreut wohnenden Bauern so gut wie keine Schulen gab.

283 Siehe Anm. 6. – Jung-Stilling war dem Kurfürsten persönlich bekannt. Er hatte ihm auch seine medizinische Doktorarbeit gewidmet und ihm diese selbst zu Mannheim überreicht. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 17, S. 24.

284 Der von kleinauf in der französischen Geistigkeit verhaftete (seine Mutter war die Tochter des Fürsten de la Tour d’Auvergne aus dem Hause der Herzöge von Bouillon), charakterlich schwer einschätzbare Karl Theodor von Wittelsbach-Sulzbach war tatsächlich im Bergischen Land gut angeschrieben; er bereiste 1747, 1767 und 1785 die Städte an der Wupper.

Beim Volk äußerst beliebt war seine Cousine und Ehefrau Elisabeth Auguste (1721–1794), eine sehr leutselige, etwas ungraziöse, stämmige Pfälzerin („die Gustl“). Auch sie besuchte mehrmals das Bergische Land. Jung-Stilling hielt ihr eine schwungvolle Namenstags-Rede, in welcher er auf ihre Beliebtheit im Bergischen eingeht; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden (Anm. 6), S. 58.

Vgl. auch Karl J. Svoboda: Prinzessinnen und Favoritinnen. Kurpfälzische Frauengestalten. Mannheim (Edition Quadrat) 1989, insbes. S. 27 ff (vortreffliche Charakterisierung der Kurfürstin Elisabeth Auguste) sowie S. 104 ff. (über vier wichtige Liebhaberinnen des Kurfürsten Karl Theodor.)

285 Begriff = hier: Einsicht, Kenntnis.

286 Das heißt zum ersten: das Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus heimischer Produktion deckt nicht die Nachfrage. Es müssen daher Lebensmittel importiert werden. Diese sind zumindest wegen der höheren Transportkosten teurer. Auf dem Markt bestimmt aber die letzte Einheit dieses Angebots den Preis. Der bergische Anbieter erzielt daher einen saftigen (Marktlagen)Gewinn. – Zum zweiten: durch Mehrproduktion fände der bergische Anbieter noch so lange zu befriedigenden Preisen Käufer, bis der Anteil der ausländischen Marktversorgung gesamthaft ausgeglichen wäre. Er hat mithin noch ein gehöriges, nicht ausgeschöpftes Absatzpotential. Vgl. Gerhard Merk: Mikroökonomik. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz (Kohlhammer) 1976, S. 105 ff. zur näheren Erklärung.

287 Steuermatrikel = Verzeichnis der Einkünfte; Liste der Zahlungsbeiträge zur öffentlichen Kasse, gegliedert nach den Steuerpflichtigen. – Siehe mehr bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Finanz=Wissenschaft. Leipzig (Weidmannische Buchhandlung) 1789, Reprint Wiesbaden (Gabler) 1978, S. 124 ff.

288 Das heißt genauer: der Bauer kann eine allfällige Steigerung der Steuern angesichts der für ihn günstigen Marktlage durch Erhöhung der Produktpreise ausgleichen, die zusätzliche Steuer also leicht überwälzen.

289 Gemeint ist hier die Bevölkerung der in der Rheinebene gelegenen Gebietsteile des Herzogtums Berg.

290 Roter Klee = spanischer Klee, auch Kopfklee und Brabanter Klee genannt; botanisch: TRIFOLIUM PRAETENSE. Er trat als Futterpflanze etwa ab 1770 aus längerer Vergessenheit wieder hervor, nachdem ihn aus Holland ausgewanderte Bauern am Niederrhein anbauten. – Siehe auch Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon für Praktiker und Laien, Bd. 2. Prag (Calvesche Buchhandlung) 1837, S. 739 ff.

291 Esparsette = Türkenklee, auch Süßklee, Wickenklee und Schweizer Klee genannt; botanisch: HEDYSARUM ONOBRYCHIS. – Siehe Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon für Praktiker und Laien, Bd. 1. Prag (Calvesche Buchhandlung) 1837, S. 846 ff. sowie sehr ausführlich Onomatologica Oeconomica Practica. Oder Oeconomisches Wörterbuch, Bd. 1. Ulm, Frankfurt, Leipzig (Gaumische Handlung) 1760, Sp. 1005 ff.

292 Plagge = hier: ausgestochenes und zu Häcksel zerschnittenes Gebüsch zur Nutzung als Viehstreu.

293 Befriedigung = hier: das Holz in Ruhe (in Frieden) heranwachsen lassen, also nicht mehr zur Streugewinnung die Sträucher ausstechen (plaggen).

294 Rein abtreiben = hier: abholzen, die Wurzeln heraushacken und den Boden für die Forstsaat vorbereiten.

295 Amtsjäger = (öffentlich besoldeter) Forstbediensteter; (herrschaftlicher) Waldhüter.

296 Laßreiser (auch: Hängerreiser, Vorständer, Bannreitel genannt) = Reiser (Schößlinge) oder junge Stämme, die man auf einem Gehaue Laubholzes zur Fortpflanzung stehen läßt. – Siehe Johann Christoph Adelung: Grammatikalisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Bd. 2. Leipzig (Breitkopf) 1796, Sp. 1917.

297 Überführend = hier: durch Beweise zur Einsicht bringend.

298 Pottasche = Kaliumkarbonat, kohlensaures Kalium; Laugensalz. – Die Gewinnung geschah zur Zeit von Jung-Stilling noch durch Auslaugen von Holz-Asche und Eindampfen der dabei gewonnenen Lauge in großen Behältern („Pötten“). Siehe zur Herstellung und Verwendung damals auch Alexander von Lengerke (Hrsg.): Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon für Praktiker und Laien, Bd. 3. Prag (Calvesche Buchhandlung) 1838, S. 831 f. und Onomatologia Oeconomica Practica, Bd. 2 (Anm. 67), Sp. 959 ff. sowie sehr ausführlich Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 46), S. 75 ff.

299 Siehe Anm. 39.

300 Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 126 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 3).

301 Leere Projekte = wirklichkeitsfremde wirtschaftspolitische Empfehlungen; Vorschläge, von Ökonomen erdacht, die vom Geschäftsgang der Verwaltung nichts oder bloß wenig verstehen; unbrauchbare Modell-Entwürfe „reiner“ Theoretiker – bis heute die Erb-Last der Nationalökonomik schlechthin! Siehe auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 121.

302 Jung-Stilling lebte von 1762 bis 1778 im Herzogtum Berg, unterbrochen durch seinen dreisemestrigen Aufenthalt in Straßburg zum Studium der Medizin. Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 36 ff.

303 Liegenheit = hier: alle Umstände; sämtliche Tatsachen.

304 Jung-Stilling war sieben Jahre lang die rechte Hand des bergischen Industriellen, Großhändlers, Viehzüchters und Grundbesitzers Peter Johannes Flender (1727–1807). Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Aufforstungs-Versuche durchführte; zumal Flender um den großen Holzbedarf der niederländischen Werften wußte, die er mit Schiffsbaumaterial aus Metall belieferte. – Vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 10, S. 42 f.

305 Wie Jung-Stillings Patron Peter Johannes Flender, so hatten auch andere bergische Fabrikanten (teilweise sehr großen) Landbesitz, den sie in der Regel im Zuge ihrer Käufe für Betriebsgrundstücke erwarben. Teilweise betätigten sich aber auch alt eingesessene reiche Bauern als Fabrikanten; die Ehefrau von Peter Johannes Flender entstammt einer solchen Familie. – Siehe Beispiele für beide Gruppen bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 8), S. 151 und Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen (Anm. 11), S. 47.

306 Originaltitel: Ueber die Nassau=Siegensche hölzerne Löffel=Manufaktur zu Helberhausen, von Johann Heinrich Jung. In: Bemerkungen der Kuhrpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1780. Mannheim und Lautern, im Verlage der ökonomischen Gesellschaft, und in Commißion der neuen Hof= und akademischen Buchhandlung, 1781. S. 193-243. – Dieser Aufsatz von Jung-Stilling findet sich auszugsweise neu abgedruckt in Siegerland, Bd. 37 (1960), S. 41–50.

307 Nahrungsquelle (ein von Jung-Stilling sehr häufig benutzter Ausdruck) = Erwerbsgelegenheit: Möglichkeit der Gütergewinnung (reale Betrachtung) oder der Geldeinnahme (monetäre Sicht) für den einzelnen bzw. für die Volkswirtschaft gesamthaft.

308 Vgl. hierzu und zum folgenden jeweils auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil, 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787 (enthält auf gesamthaft 316 Seiten die Forstnutzung, unterteilt in Waldnutzung und Jagdwirtschaft.) – In diesem Band auch (S. 317–357) „Erklärung der vornehmsten Kunstwörter, welche in der Forstwirthschaft vorkommen“ in alphabetischer Reihenfolge. – Leider (auf S. 13 des ersten Teiles) bloß eine grobe Gliederung des Inhalts, aber auch in dieser „verbesserten Auflage“ kein Inhaltsverzeichnis und kein Register.

309 Vgl. hierzu auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Finanz=Wissenschaft. Leipzig (Weidmannische Buchhandlung) 1789, Reprint Wiesbaden (Gabler) 1978, S. 172 f.

310 Siehe auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1987, S. 76. – Jung-Stilling bemerkt hier (wohl aus Erfahrung!), wie das Jagd-Fieber auch schon so manchen „Gelehrten“ und Unternehmer arm gemacht habe: QUOD HODIE IMPOSSIBILE ESSET, NONNE?

311 Sommerlatten = allgemein: die Schösse (jungen Triebe) beim Laubholz, welche in einem Jahre gewachsen sind; insonders: die einjährigen Stammloden. – Die Lode (Lote) = junger, schlank aufgeschossener Baum; Laubholzschößling. Vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 2), S. 348 sowie Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 178.

312 Anflug = allgemein: jedes Holz, das aus fliegenden Holzsamen hervorkeimt und aufwächst; insonders: junger Anwuchs des Nadelholzes.

313 Aufschlag = hervorbrechende und aufschießende Samenloden des Laubholzes.

314 Hirschgerecht = in der Hirschjagd erfahren.

315 Flattieren = schöntun, schmeicheln; vom französischen flatter in gleicher Bedeutung: ein zeitens von Jung-Stilling häufig gebrauchter Ausdruck.

316 Ausplentern = einzelne (die besten) Bäume hier und da im Wald weghauen; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 2), S. 321.

317 Otterberg = unweit von Kaiserslautern gelegener Ort am Otterbach, der 1579 Stadtrecht erhielt. Otterberg war der Sitz einer 1144 gestifteten Zisterzienser-Abtei, die in der Reformationszeit aufgehoben wurde. – Siehe hierzu auch Lothar Boiselle: Jung-Stilling beanstandet die Bewirtschaftung des Waldes, in: Heimatjahrbuch des Landkreises Kaiserslautern 1996, S. 123 ff.

318 Holländer-Stämme = Mastbäume, Schiffsbäume zum Tragen der Segelstangen samt den Segeln und der Taue.

319 1 Gulden = 60 Kreuzer. Der Tageslohn eines Handwerkers (bei in der Regel zwölfstündiger Arbeitszeit) betrug um 1780 zirka 30 Kreuzer. Der wertvolle, von den Werften an der Nordsee-Küste sehr gesuchte Holländer-Stamm kostete also gerade soviel, wie ein Beschäftigter durchschnittlich in zwei Tagen verdiente.

320 Traktieren = hier: üppig bewirten; in diesem Sinne zeitens von Jung-Stilling ein gängiges Wort.

321 Wallonische Flüchtlinge = die unter dem spanischen Statthalter Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, in der Zeit seiner Regierung in den Niederlanden (1567–1573) geflüchteten Reformierten. Neben Otterberg boten auch andere kurpfälzische Gemeinden den Verfolgten Zuflucht, vor allem die spätere Residenzstadt (1720–1787) Mannheim.

322 Siehe hierzu auch Roland Boiselle: Jung=Stillings Heischesätze zur Forstsicherung, die frühesten Anweisungen für die Forsteinrichtungen in den Wäldern der Pfalz, in: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, Bd. 129 (1952), S. 220 ff.

323 Kammer = hier: Amt für Vermögensverwaltung; Behörde zur Geschäftsführung des Besitzes und der Einkünfte des Fürsten (Staates). – Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Finanz=Wissenschaft (Anm. 309), S. 124 f.

324 Responsabel = verantwortlich, haftbar. – Die Forstämter sollen also der Dienstaufsicht der Kammer unterstellt werden, andrerseits aber der Leitende Forstbeamte Sitz und Stimme im Kammer-Beirat erhalten. Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Erster Theil. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787, S. 14 ff. sowie S. 265 ff.

325 Akademisten = hier: die Hörer an der Kameral Hohen Schule zu Kaiserslautern, an der Jung-Stilling seit Herbst 1778 als ordentlicher Professor lehrte; siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 86 ff. Sie wurde unter dem neuen Namen „Staatswirtschafts Hohe Schule“ im Herbst 1784 der Universität Heidelberg angegliedert.

Die Studenten hatten in der Regel das juristische Studium abgeschlossen. Um aber in den höheren Verwaltungsdienst aufgenommen zu werden, mußten sie ein viersemestriges Zusatzstudium der Staatswirtschaftslehre nachweisen. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 158, S. 161.

326 Es erschien zweibändig 1781 und 1782 in erster und bereits 1787 in zweiter, vermehrter Auflage; siehe Anm. 2. Gesamthaft umfaßt das Werk in der Zweitauflage 690 Seiten – eine ansehnliche Fleißleistung seines Autors!

Siehe auch Jörg Freudenstein: Johann Heinrich Jung-Stilling als Forstwissenschaftler, in: Land, Agrarwirtschaft und Gesellschaft. Zeitschrift für Land- und Agrarsoziologie, Bd. 11 (1994), S. 69 ff.

327 Siehe hierzu Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 136 ff. (das sehr eindrucksvolle Vorwort zur Erstauflage in heutiger Rechtschreibung) und S. 114 ff. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 3).

328 Patriotisch = hier: um das Gemeinwohl besorgt, der Gesellschaft verpflichtet.

329 Siehe zu den hier genannten Betätigungen im einzelnen Johann Heinrich Jung-Stilling: Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählte kleinere Abhandlungen (Anm. 21), S. 124 ff.

330 Mastung = Behandlung der Tiere im weitesten Sinne; siehe ausführlich Alexander von Lengerke: Landwirthschaftliches Conversations=Lexicon, Bd. 3. Prag (Calvesche Buchhandlung) 1838, S. 59 ff.

331 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 2), S. 3 f. (Überblick der Forst-Nutzungsmöglichkeiten).

332 Jung-Stilling war in allem ein Feind der „reinen“ Theorie. Erste Aufgabe der Wissenschaft sei es, die zweckmäßigen Handlungen (die ausführungsnotwendigen Verrichtungen) in allen Lebensbereichen so zu unterstützen, daß sie besser vonstatten gehen. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 82 (Wert der Erfahrung), S. 119 ff.

333 Erwerber = Unternehmer (als die um die technische und kaufmännische Leitung eines Betriebes bemühte Person); siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 26.

334 Das Fürstentum Nassau-Siegen mit der Hauptstadt Siegen wurde nach Aussterben des Fürstenhauses 1742 mit Nassau-Diez-Oranien, Nassau-Hadamar und Nassau-Dillenburg zu einer Verwaltungseinheit zusammengefaßt. Regierungssitz der nassau-oranischen Länder war Dillenburg; in Siegen blieb zunächst ein Unterdirektorium. Siehe Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen. Siegen (Vorländer) 1820, Reprint Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1981, S. 4 f. – Das Wort Statistik bedeutete weiland Staatskunde, und nicht (wie heute) mathematische Verfahren zur Untersuchung von Massen-Erscheinungen.

335 Der Ort Hilchenbach stieg 1687 vom Dorf zum Flecken auf und erhielt 1824 Stadtrecht. Jung-Stilling ging hier zur Lateinschule. Er nennt Hilchenbach in seiner Lebensgeschichte Florenburg, in seinem 1784 und 1785 in zwei Teilen erschienenen, teilweise autobiographischen Roman „Theobald oder die Schwärmer“ Hochborn. Siehe auch Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen (Anm. 28), S. 88 f. – Heute ist Hilchenbach Stadt im Kreis Siegen-Wittgenstein des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen der Bundesrepublik Deutschland.

336 Siehe zur geographischen Lage näheres bei Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge, 2. Aufl. Bad Godesberg (Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) 1969, S. 26 ff. (Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. 28, H. 1) sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 1 ff. – Beinebens ist diese Ausgabe der Lebensgeschichte von Jung-Stilling ob des sauberen Drucks, der laufenden Titel, der beigegebenen Dokumente, der Literaturangaben, der Register sowie auch wegen des sachkundigen Vorworts allen anderen Ausgaben unbedingt vorzuziehen.

337 Vgl. wirtschaftsgeschichtlich beachtenswerte Einzelheiten übersichtlich dargestellt bei Ellen Scheuner: Die Wirtschaftspolitik der Nassauer im Siegerland vom 16. bis 18. Jahrhundert. Münster (Westf. Vereinsdruckerei) 1926, S. 66. – Zum Absatzweg des Roheisens siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Stahlhandel, Metallverarbeitung und Mechanisierung im Bergischen Land. Beobachtungen und Einschätzungen. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 40 ff. (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 4).

338 Prinz von Oranien = Wilhelm IV. Karl Heinrich Friso, Prinz von Nassau-Diez-Oranien (1742-1751). Er erbte 1739 Nassau-Dillenburg, 1742 Nassau-Siegen und 1743 Nassau-Hadamar; 1748 wurde er Statthalter der Vereinigten Provinzen der Niederlande. Der Prinz von Oranien residierte ab da in Den Haag, und seine direkten Nachfahren besetzen noch heute den niederländischen Thron. Auf seine deutschen Stammlande verzichtete das Haus Nassau-Oranien 1815, und das Fürstentum Nassau-Siegen trat es an Preußen ab.

339 Domäne = landesherrlicher Besitz, Krongut. – Zur herrschaftlichen Hütte in Lohe (heute Teil der Stadt Kreuztal im Kreis Siegen-Wittgenstein) siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 48 sowie Arden Ernst Jung: Briefe zum Stand der Eisenindustrie des Siegerlandes und des Bergischen Landes im 18. Jahrhundert. Siegen (Forschungsstelle Siegerland) 1983, S. 113 (Register, Stichwort „Lohe“).

340 Bergzehnte = der in Eisenerz geleistete zehnte Teil der Förderung, welcher nach Verfassung und Gesetz der Landesherrschaft zustand und in der Loher Hütte verblasen wurde; siehe Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung (1711–1786). Ein Lebensbild (Anm. 33), S. 72.

341 Siehe des näheren Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen: Kreis Siegen, Regierungsbezirk Arnsberg. Kreiskarte Nr. 92. – Die von Jung-Stilling hier erwähnten Dörfer der oberen Ferndorfbach-Tales sind heute der Stadt Hilchenbach eingemeindet.

342 Verfahren = hier: Beförderung, Transport.

343 Die Bergwerke und Hütten waren im besonderen Nachfrager von Leistungen der Mechaniker, Werkzeug-Schmiede, Sägemüller (Stützen und Streben für den Abbau unter Tage), Schreiner (Naben, Speichen, Felgen, Achsen und Deichseln für die Wagen sowie Pfosten, Säulen, Balken, Sparren für die Betriebsgebäude), Lehmbrenner (Rinnen und Formen für die Schmelzhütten), Lederverarbeiter (für Blasebälge, Schutzhüte, Schürzen, Schuhe) und Reparatur-Schlosser.

In Helberhausen war um 1780 auch eine dem Bergbau zuliefernde mechanische Werkstätte ansässig, die Adam Winke (1754–1817) betrieb. – Siehe hierzu Gerhard Merk: Oberbergmeister Johann Heinrich Jung. Ein Lebensbild. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 46, S. 67 sowie Wilhelm Güthling: Zur Geschichte von Helberhausen, in: Siegerland, Bd. 37 (1960), S. 67 f.

344 Jung-Stilling hatte als gebürtiger Siegerländer ein ziemlich starkes Vorurteil gegen die benachbarten Sauerländer, die sich von den Siegerländern durch Herkunft (die Sauerländer sind Sachsen, die Siegerländer ripuarische Franken), Mundart und Konfession (das Sauerland blieb katholisch, das Siegerland nahm 1578 den Calvinismus an) sowie durch Lebensgefühl (die Sauerländer neigen zu Frohsinn und Daseinsfreude, die Siegerländer zu Ernst und Verdrießlichkeit – was beinebens auch bei Jung-Stilling zeitlebens immer wieder durchscheint!) unterscheiden; siehe auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 128.

345 Genie = hier: Erfindungsgeist, gepaart mit Fleiß und Ausdauer. In dieser Bedeutung bei Jung-Stilling häufig; auch in Zusammensetzungen, wie etwa „Handlungs-Genie“. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 19), S. 138 f.

346 Das tatsächliche Befinden der Schulen im Kirchspiel Hilchenbach rechtfertigt in gar keiner Weise die Kennzeichnung „sehr gut“, sondern allenfalls „noch ausreichend“. Siehe Hermann Müller: Florenburgs Schulen. Ihre Geschichte, dargestellt nach den vorhandenen Unterlagen. Hilchenbach (Evangelische Kirchengemeinde) 1957: eine ungeschminkte Schilderung des (oft haarsträubenden) Ist-Zustandes.

Beinebens war Jung-Stilling selbst als Jugendlicher einige Jahre als Grundschul-Lehrer in seiner Heimat tätig. Siehe dazu die tiefgründige Beurteilung seiner Motivation und die vielsagende Einschätzung seiner Leistungen bei Rainer Vinke: Jung-Stilling und die Aufklärung. Die polemischen Schriften Johann Heinrich Jung-Stillings gegen Friedrich Nicolai (1775/76). Stuttgart (Steiner) 1987, S. 54 ff. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 129).

347 Nach ihrer Art = nach den dort geltenden Maßstäben; das heißt: der Wohlstand besteht in (Grund)Besitz, solide gebauten und zweckmäßig eingerichteten Wohnhäusern, vortrefflichen Werkzeugen und Geräten zur Berufsarbeit sowie an Vorräten für Notzeiten. Der Wohlstand besteht jedoch nicht in prachtvollen Gebäuden (das Siegerland hat kein einziges architektonisches Meisterwerk vorzuweisen!), nicht in auserlesenen Meubles und Inneneinrichtungen, nicht in kostbarer Kleidung, nicht in aufwendigem Hausrat, Besteck, Schmuck und dergl. Reichtümern.

348 Fremden war die Niederlassung grundsätzlich verboten; siehe Ellen Scheuner: Die Wirtschaftspolitik der Nassauer im Siegerland vom 16. bis 18. Jahrhundert (Anm. 31), S. 100. Juden wurden gar nicht geduldet; siehe Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen (Anm. 28), S. 35.

349 Hutgerechtigkeit = Recht der Bauern, bestimmte Waldreviere als Weideplätze zu benutzen; siehe hierzu ausführlich Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Erster Theil (Anm. 18), S. 265 ff.

350 Müßig = hier: von (anstrengender) Arbeit frei; geruhsam.

351 Dieser Kostumgang oder Wandeltisch war auch für die Schullehrer im Siegerland üblich und wurde erst um 1840 aufgehoben; siehe Hermann Müller: Florenburgs Schulen (Anm. 40), S. 93, S. 119.

352 Anschlag = hier: worauf sich zielende Gedanken; Überlegung.

353 Übel = hier: nur unter Aufwendung von Mühe; schwer.

354 Jung-Stilling war vom Dezember 1755 bis Ostern 1756 als Lehrer in der Hofschule des Gutsbesitzers Jost Henrich Stahlschmidt bei Plettenberg in der Grafschaft Mark tätig; siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens (Anm. 19), S. 29 f.

355 Schwüligt = schwielig, hornig; siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 9. Leipzig (Hirzel) 1899, Sp. 2750.

356 Winterberg, Stadt nahe dem Kahlen Asten und der Ruhrquelle; heute Mittelpunkt des sauerländischen Wintersports.

357 Niederlande = hier: die nördlichen Provinzen Deutschlands.

358 Handwerkspolizei = Behörde, welche die handwerkliche Erzeugung beaufsichtigt, ordnet und fördert; dem heutigen Wirtschaftsministerium vergleichbar. Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 67, S. 112.

359 Schauanstalten = Einrichtungen zur Feststellung der Qualität handwerklicher Leistungen; vor allem in Form von sachkundigen Körperschaften, die Gütesiegel vergeben. – Jung-Stilling tritt wiederholt für solche Überwachungs-Gremien ein; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 19), S. 28, S. 33, S. 83.

360 Artikel = hier: Ware (nämlich der hölzerne Löffel).

361 Der Tageslohn eines Handwerkers betrug um 1690 im Siegerland zirka 20 Kreuzer bei weiland zwölfstündiger Arbeit. Der Stundenlohn lag damit bei ungefähr 1,7 Kreuzer. Die Holzlöffel wurden mithin für etwa einem Drittel des durchschnittlichen Stundenlohnes eines Handwerkers verkauft.

362 Projekt = bei Jung-Stilling immer in mißbilligender Bedeutung gebraucht: Flause; unwirkliche, realitätsfremde Vorschläge bzw. Handlungen. Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 121 und Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 19), S. 166 (Stichwort „Projektanten“) sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 76 ff. (studierte Landwirtschaftsräte lassen in ihrer Verblendung Obstbäume wegsägen).

363 Erwerbungsmittel = Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Produktionsanlagen; Sachkapital. Siehe die Definition im Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 26.

364 Clarenbache = Pionierunternehmer, wie der bergische Fabrikant Peter Adolf Clarenbach (1661–1736), dessen Aufstieg Jung-Stilling ausführlich beschrieb und oft als Beispiel hinstellt. Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 19), S. 138 ff.

365 Jung-Stilling geht darauf an anderer Stelle weitläufig ein; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen (Anm. 19), S. 164 (Register, Stichwort „Fabrik“).

366 Die hier geschilderte Zeit ist die um 1680. In diesen Tagen regierte im reformierten Landesteil Wilhelm Moritz (1649/1679–1691), der als General in niederländischen Diensten stand und sich vor Ort durch einen Amtmann vertreten ließ. Der katholische Fürst Wilhelm Hyazinth (1666/1699–1743) war durch die Großeltern und Eltern nach Belgien orientiert und um die gute Regierung seines Stammlandes wenig beflissen.

367 Im Jahre 1612 trat einer der nassauischen Prinzen (die Siegener Grafen wurden 1652 in den Fürstenstand erhoben) zum Katholizismus über, was zu vielen Unzukömmlichkeiten in diesem reformierten deutschen Kernland führte. – Siehe Gerhard Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen und die katholische Restauration in der Grafschaft Siegen. Paderborn (Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens) 1964.

368 Diese Aussage stimmt nicht! Wilhelm Hyazinth regierte nach seiner Absetzung durch Kaiser Joseph I. noch einmal von 1740 bis 1743. Mit seinem Tod erlosch das katholische Haus Nassau-Siegen. Das Fürstentum Nassau-Siegen gesamthaft kam daraufhin im Erbgang an den Prinzen von Nassau-Diez-Oranien. Dessen Nachkommen verzichteten 1815 auf ihre Stammlande; das Haus Nassau-Oranien besetzt noch heute den niederländischen Thron.

369 Die Montanindustrie des Siegerlandes hatte einen sehr hohen Bedarf an Holzkohle. Der Verbrauch wird für das Jahr 1787 mit 12 000 Wagen angegeben, wobei 1 Wagen = 54 Kubikmeter. – Siehe näher Johann Philipp Becher: Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten- und Hammerwesens, 2. Aufl. Dillenburg (Seel-Weidenbach) 1902, S. 308 sowie Treugott Stillingsfreund: Erscheinungen im Siegerland. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1987, S. 12.

370 Biedermann = hier: edeldenkender, treuherziger Mensch (weiland noch ganz ohne die heutige Nebenbedeutung von „Spießer“, „Heuchler“ gebraucht).

371 Künstler = bei Jung-Stilling: schöpferisch und gestalterisch tätige Schaffende; Menschen, die sinnreich und überlegt Neues formen (im Gegensatz zu den „normalen“ Handwerkern, die nach fester, gegebener, von ihnen erlernter Methode arbeiten). Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 89 f.

372 Siehe zur Macht des Gewinn-Motivs in der Einschätzung von Jung-Stilling auch Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 59.

373 Patriot = bei Jung-Stilling stets: dem Staatswesen dienender und der Allgemeinheit auf diese Weise Nutzen bringender Mensch; jemand, der das Gemeinwohl (das Jung-Stilling sehr genau definiert; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft [Anm. 4], S. 49) konkret, sichtbar fördert. – Die heute vorherrschende Bedeutung (ein von den Werten des Vaterlandes geistig ergriffener, begeisterter bzw. gefühlsmäßig dem Heimatvolk eng verbundener Mensch) meint Jung-Stilling nicht.

374 Im Siegerland war die Holzpflege von altersher vordringliches Anliegen der Wirtschaftspolitik. Machte doch die Holzkohle den Engpaßfaktor bei der Eisenerzeugung aus. Darob entstand schon früh ein rechtlich genau bestimmter, genossenschaftlich betriebener Niederwaldbau.

Siehe Hugo Wingen: Energie aus dem Hauberg. Siegen (Höpner) 1982, S. 5 ff sowie Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen (Anm. 28), S. 161 ff. (mit vielen alten Literatur-Angaben) und zur Verdrängung der Haubergswirtschaft durch die Hochwaldkultur Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge (Anm. 30), S. 100 ff. sowie Ulrich Haas: Wandlungen der wirtschafts- und sozialgeographischen Struktur des Siegerlandes im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts. Remagen (Bundesanstalt für Landeskunde) 1958, S. 14 ff. (Forschungen zur deutschen Landeskunde, Bd. 108).

375 1 Gulden = ein Drittel (Reichs)Taler = 60 Kreuzer; siehe Anm. 13. – Die hier angegebene Holzmenge „eine Karre“ ist kein genau bestimmbares Maß. Es galt damals im Siegerland als offizielles Holzmaß das Klafter; siehe Trutzhart Irle: Werteinheiten der älteren Wirtschaft des Siegerlandes. Siegen (Heimatverein) 1970, S. 9 sowie Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen (Anm. 28), S. 410. – Zum Transport des Holzes aus den Wäldern vgl. auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Zweiter Theil (Anm. 2), S. 165 ff.

376 Im großen Absatz = im Großhandel, en gros; an Wiederverkäufer (Hausierer).

377 Kinder halfen, sobald sie zu Kräften gekommen waren, im Handwerk des Vaters (Knaben) bzw. in der Land- und Forstwirtschaft (Mädchen) mit. Man hielt vordessen dafür, daß die Kinder so von unnützer Spielerei abgehalten, vor Müßiggang und Laster verschont und früh an Arbeit zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts gewöhnt werden.

378 Wirtschaftlich = hier: haushälterisch; zu keinerlei unnötiger Geldausgabe bereit.

379 Allgemeine Geldmasse = hier gleich dem Reichtum. Denn jeder eingeflossene (Reichs)Taler bzw. Gulden bedeutete einen Anspruch auf die angebotene Menge Waren und Leistungen im deutschen Reich gesamthaft.

380 Die Herrschaft Gimborn zwischen der Agger und der oberen Wupper gehörte seit 1273 dem freiherrlichen Geschlecht der Schwarzenberg. Gimborn ist heute Stadt im Oberbergischen Kreis des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Es liegt 10 Kilometer nordwestlich von Gummersbach.

381 Das Herzogtum Westfalen kam 1368 an das Erzstift Köln. Die Regierung in der kurkölnischen Hauptstadt Bonn hatte in Arnsberg eine „Westfälische Kanzlei“ mit Teilselbstverwaltung eingerichtet. – Über den genauen Verlauf der alten Grenzen unterrichtet näher der Geographisch-landeskundliche Atlas von Westfalen, hrsg. von der Geographischen Kommission für Westfalen. Münster (Aschendorff) ab 1985.

382 Siehe zum damaligen Hausierhandel auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“ (Anm. 56), S. 15 sowie Peter Höher: Heimat und Fremde. Wanderhändler des oberen Sauerlandes. Hrsg. von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen. Münster (Coppenrath) 1985 (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 41).

383 Verhandeln = hier: absetzen, verkaufen.

384 Westindien = hier: die mittelamerikanische Inselwelt im Karibischen Meer und Golf von Mexiko (Kuba, Haiti, Porto Rico, Bahamas, Barbados, Greneda, Lucia u.s.w.).

385 Karl Friedrich Schenck (Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen [Anm. 28], S. 386) berichtet, daß 1820 (also etwa 40 Jahre nach diesen Ausführungen von Jung-Stilling) noch dreißig Familien mit der Löffelproduktion beschäftigt sind. Mengenmäßig werden 7 200 Koch- und Rührlöffel sowie 200 000 (!) Eßlöffel hergestellt. Der Holzverbrauch wird von K. F. Schenck an dieser Stelle mit 130 Kubikmeter Ahorn- und Birkenholz angegeben. – Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging das Gewerbe ein, als billige Metall-Löffel aus den Löffelwalzen im Ruhrgebiet den Markt überschwemmten.

386 1 Malter alten Siegener Maßes = 96 Kubikfuß, der Kubikfuß zu 0,027 Kubikmeter gerechnet. Siehe Trutzhart Irle: Werteinheiten der älteren Wirtschaft des Siegerlandes (Anm. 69), S. 9.

387 1 Schuh alten Siegener Maßes = 10,87 Zoll = 0,285 Meter; siehe Trutzhart Irle: Werteinheiten der älteren Wirtschaft des Siegerlandes (Anm. 69), S. 9.

388 Ein Taler = hier: eine Summe Geldes.

389 Jung-Stilling spielt hier wahrscheinlich auf die Amtsübernahme des oranien-nassauischen Regierungspräsidenten Georg Ernst Preuschen im Jahre 1778 an. Diesem lag die Verbesserung der Land- und Forstwirtschaft besonders am Herzen.

390 Siehe Anm. 53 sowie Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 4), S. 62.

391 Akkordieren = vertraglich festlegen: ein in der alten Kaufmannssprache gängiger Ausdruck.

392 Eine sehr wichtige Einschränkung des 2. Preisgesetzes („Hoher Preis drängt die Nachfrage zurück und lockt das Angebot hervor“), die Jung-Stilling – im Gegensatz zu vielen Theoretikern noch heute! – sehr richtig hervorhebt. – Siehe auch Gerhard Merk: Programmierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. 2: Haushalte, Unternehmen und Markt. Wiesbaden (Gabler) 1974, S. 228, S. 231.

393 Gewitzigt = (durch Schaden) klug, erfahren.

394 Barattieren = eintauschen: also Löffel gegen Waren aus Holland und den holländischen Kolonien (ohne Geld als Zwischentauschgut) verrechnen. – Siehe zum Baratt-Handel auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Gemeinnütziges Lehrbuch der Handlungswissenschaft für alle Klassen von Kaufleuten und Handlungstudirenden. Leipzig (Weygandsche Buchhandlung) 1785, S. 185 f.

Jung-Stilling lernte den Baratt-Handel in der Praxis bei seinem Patron Peter Johannes Flender kennen; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Bildungsfehler und Überfeinerung. Sozialer Abstieg von Familien und Staaten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1992, S. 12, S. 114 (Jung-Stilling-Schriften, Bd. 5), als Download-File unter der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads.htm> abrufbar.

395 Verlag = hier: Unternehmen, Zwischenhandelsgeschäft.

396 Haspel = Garnwinde (aus Holz). Die Mehrzahlform ist heute „Haspeln“; vordessen (wie hier bei Jung-Stilling) schrieb man auch „Häspel“.

397 Der Bruder der Großmutter von Jung-Stilling (Margarethe Jung, geb. Helmes [1686–1765] war indessen nicht der Pate von Jung-Stilling! Taufzeuge war vielmehr sein Onkel (der ältere Bruder seines Vaters) Johann Heinrich Jung (1711–1786); siehe Anm. 33. – Wohl aber war dessen Pate der hier erwähnte Johann Heinrich Helmes. Dieser Mitbegründer der Löffelmanufaktur war also der Pate des Paten von Jung-Stilling.

Die auffällige Häufung des Vornamens Johann erklärt sich beinebens durch das reformierte Fürstengeschlecht, deren männlichen Zweige durch die Generationen diesen Namen trugen. Es war bis in das 19. Jahrhundert hinein (vor allem innert der unteren Volksschichten) üblich, Kinder vorzugsweise den Taufnamen der Landesherrschaft zu geben.

Auch der Familienname Helmes (Vatersname: von Wilhelmus als Kurzform) war im Siegerland häufig.

398 Originaltitel: Bemerkungen über den Misbrauch des Holzes und über die Ersparung desselben. In: Staatswirthschaftliche Ideen. Von Johann Heinrich Jung, Hofrath und Professor in Marburg. Erstes Heft. Marburg, in der neuen Akademischen Buchhandlung 1798, S. 41-55.

399 Polizei-Theorien = hier: wirtschaftspolitische Pläne und Vorschläge.

400 Jung-Stilling bekleidete von 1778 bis 1784 das Amt eines Professors für angewandte ökonomische Wissenschaften an der Kameral Hohen Schule zu (Kaisers)Lautern. – Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1989, S. 86 ff.

401 1 Gulden = 60 Kreuzer. Der Tagesverdienst eines Handwerkers lag um 1780 bei 30 Kreuzer. Der ganze Karren des zugefahrenen Holzes wurde mithin für zwei Tagesverdienste eines Handwerkers veräußert.

402 Freveln = gewaltsam das Recht verletzen; hier: Holz dem (im Staatseigentum befindlichen) Forsten widerrechtlich entnehmen. – Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Finanz=Wissenschaft. Leipzig (Weidmannische Buchhandlung) 1789, Reprint Wiesbaden (Gabler) 1978, S. 170 ff.

403 Holzrüge = Geldbuße für Holzfrevel. Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Lehrbuch der Forstwirthschaft, Erster Theil, 2. Aufl. Mannheim (Hofbuchhandlung) 1787, S. 270 ff.

404 Jung-Stilling wohnte von 1784 bis 1787 (und später nochmals von 1803 bis 1806) in Heidelberg. Die Kameral Hohe Schule wurde von Kaiserslautern nach dorthin verlegt. – Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens (Anm. 2), S. 108 ff.

405 Regelmäßig = hier: ordnungsgemäß, nämlich auf dem legalen, rechtlich erlaubten Holzmarkt.

406 1 Maß (vor 1815) = 2 Liter.

407 Jung-Stilling wurde 1740 im Nordosten des damaligen Fürstentums Nassau-Siegen geboren und lebte dort bis zu seinem 22. Altersjahr.

408 Honoratioren = Vornehme; die Angesehenen eines Ortes; die Leute, auf die man sieht.

409 Schlendrian = herkömmliche, in alter Gemächlichkeit bleibende Gewohnheit; nachlässige, Neuem gegenüber sich abschirmende Trägheit: ein von Jung-Stilling häufig benutzter Ausdruck und im besonderen auf Behörden bezogen. Vgl. Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 166 (Register, Stichwort „Schlendrian“). – Offenbar hat es im Geschäftsgang der Verwaltung jener Zeit so etwas tatsächlich noch gegeben!

410 Lamento = Wehklagen, Geschrei.

411 Kammer = hier: (landesherrliche) Kasse; Staatssäckel.

412 Eine Bemerkung, die Jung-Stilling so oder in anderer Form wiederholt vorträgt. Er spricht den „hohen Herren“ allgemein die Fähigkeit ab, die Denk-Art der unteren Volksschichten nachempfinden zu können. Gleichzeitig hält Jung-Stilling die hohen Beamten auch für wenig fähig, die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort richtig einschätzen zu können. So berichtet er beispielsweise von unglaublichen Torheiten studierter Verwaltungsbeamter; vgl. Johann Heinrich Jung-Stilling: Gesellschaft, Leben und Beruf. Geschichten aus dem „Volkslehrer“. Berlin (Duncker & Humblot) 1990, S. 76 f.

Diese argwöhnische Haltung erklärt sich gutteilig sicher „aus der religiös-ethischen Atmosphäre des niederen pietistischen Bauern- und Handwerkertums, in der Stilling aufgewachsen ist. Das Berufsideal dieser Handwerkerschicht ist an ihrem religiös-sittlichen Vorbild, an dem der Persönlichkeit Christi orientiert worden. Aber Christus nun ist gleich ihnen niedrigen Standes gewesen. Folglich kann sich das Standesbewußtsein des Handwerkers mit seiner religiös-ethischen Wertung des Christus-Vorbildes leicht vereinigen, und es begegnet der höheren geistigen Berufsschicht des Beamten, Lehrers, Predigers usw. mit einem gewissen Mißtrauen und Ressentiment“, bemerkt – im Kern wohl zu Recht – Hans R. G. Günther: Jung-Stilling. Ein Beitrag zur Psychologie des Pietismus, 2. Aufl. München (Federmann) 1948, S. 46 f. (Ernst Reinhardt Bücherreihe).

413 Kostbar damit tun = seinen hohen Wert einschätzend, behutsam mit etwas umgehen.

414 Reformation = hier: Umgestaltung, Verbesserung.

415 Jung-Stilling schrieb: „Forst=Verbesserungs=Anstalten in den Hessen=Casselschen Staaten“ auf S. 7-40 in diesem Band. – Über Friedrich Ludwig von Witzleben (1755–1830) siehe DBA 1384, 294–303. Jung-Stilling kannte Forstrat von Witzleben persönlich und wechselte mit ihm auch Briefe; siehe Gustav Adolf Benrath: Jung-Stillings Notizbuch aus den Jahren 1778-1813, in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, Bd. 39 (1990), S. 98.

416 In gegenwärtiger Zeit = zu einer Zeit, wo groß und klein mit den Ideen der Französischen Revolution liebäugelt, ja Feuer und Flamme für den Umsturz und voller Mißtrauen gegen die Obrigkeit ist.

Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Auf. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992, S. 481 ff. („Die allgemeine Stimmung war damals revolutionär und günstig für Frankreich“, S. 485. In Marburg lebten „die Studenten in revolutionärem Sinn und Taumel“, S. 497).

Jung-Stilling versuchte beinebens, gegen diese Strömung einen „Deutschen Gelehrtenbund zur Aufrechterhaltung der Religion und Staatsverfassung“ ins Leben zu rufen. Das Echo war mäßig; nicht zuletzt wohl deshalb, weil gerade auch die Mehrzahl der Gelehrten eine starke Neigung zu den zeitgenössischen „Reform“-Ideen zeigte (so wie später – in Marburg zumal! – gegenüber der Deutschtümelei oder dem National-Sozialismus). Siehe Gustav Adolf Benrath: Jung-Stillings Notizbuch aus den Jahren 1778–1813 (Anm. 17), S. 101 ff.

417 Würdern = einschätzen, (wertmäßig oder mengenmäßig) veranschlagen, taxieren: ein weiland gängiger Ausdruck (auch: der Würderer, die Würderung).

418 Polizeiblatt = Amtsblatt: ein Periodikum, das von Behörden für (nachgeordnete) Behörden ausgegeben wird. – Daneben gab es um diese Zeit auch das „Intelligenzblatt“ (INTELLIGERE = hier: inne werden, eine Nachricht aufnehmen: offenbar nach dem 1637 in London errichteten „Office of Intelligence“ = Nachrichtenbüro). Es enthielt neben Bekanntmachungen der (Regierungs)Behörden auch vermischte Nachrichten.

419 Jung-Stilling blieb zeitlebens davon überzeugt, daß die richtige Einsicht in eine Sache notwendig auch das Handeln des Menschen bestimmen müsse: der Grund-irrtum schlechthin der Aufklärer aller Schattierungen. Eine genaue (tiefere, philosophisch geordnete) Kenntnis des Verhältnisses zwischen Wille und Tat hatte Jung-Stilling leider nicht.

420 Instrument = hier: Maßnahme, Vorkehrung.

421 Forstregal = hier (als besondere Seite des Hoheitsrechtes verstanden): Gesetzgebungsbefugnis des Staates über die Forsten gesamthaft, also auch hinsichtlich privater Besitzungen. – Siehe im einzelnen Reidmar Egidi (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Forsten. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1997, S. 63 ff.

422 Abtreiben = hier: (Waldstücke) abholzen.

423 Benannt nach dem damals auch als Fachautor weithin bekannten Forstmann Georg Ludwig Hartig (1764–1836); siehe DBA 477, 125–153 und seine sehr zahlreichen Schriften in GV (alt) 56, 149 ff. — Jung-Stilling stand sicher mit Forstmeister Hartig in ziemlich enger Verbindung. Denn sonst könnte er wohl kaum von einem (zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Artikels noch nicht erschienenen) Büchlein dieses Autors berichten; siehe weiter unten.

424 Karl Ludwig Eberhard von Wildungen (1754–1822) war ab 1787 Regierungsrat und ab 1799 Oberforstmeister in Marburg. Der richtige Titel des von ihm zwischen 1794 und 1812 herausgegebenen Periodikums ist: „Taschenbuch für Forst- und Jagdfreunde“. — Jung-Stilling dürfte diesen auch als Dichter hervorgetretenen Beamten persönlich gut gekannt haben.

Siehe über Beiträge von Jung-Stilling wahrscheinlich für dessen „Taschenbuch“ näher Max Geiger: Aufklärung und Erweckung. Beiträge zur Erforschung Johann Heinrich Jung-Stillings und der Erweckungstheologie. Zürich (EVZ-Verlag) 1963, S. 109 f. (Basler Studien zur Historischen und Systematischen Theologie, Bd. 1).

425 Traktätchen = kleine Abhandlung, kurze Darlegung.

426 Unechte Akazie (falsche Akazie, Robinie, Schotendorn) = in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Nordamerika (durch den Franzosen Jean Robin) nach Europa verpflanzter Baum. Die Blätter wurden als Viehfutter verwendet, das Holz benutzten Tischler und Wagner, die Rinde lieferte Gewebe und aus den Blüten gewann man Sirup.

427 Die erwähnte Schrift von Georg Ludwig Hartig erschien noch 1798 im Verlag Krieger zu Marburg unter dem Titel: Beweiß, daß durch die Anzucht der weißblühenden Acacien dem schon wirklich entstandenen oder noch bevorstehenden Brennholzmangel nicht abgeholfen werden kann. Nebst einem Vorschlag, auf welche Art dieser große Zweck viel sicherer zu erreichen seyn möchte. Nebst einem Kupfer und 3 Tabellen. Eine zweite Auflage kam 1802 heraus.

Im ersten Teil dieser Schrift wendet sich Hartig gegen Friedrich Casimir Medicus (1736–1808), den Freund und Gönner von Jung-Stilling bei Hofe zu Mannheim. Der gelehrte Medicus gab zwischen 1796 und 1803 eine eigene Zeitschrift „Unechter Akazienbaum“ heraus, in welcher er wegen der vielfältigen Verwendbarkeit der Robinie zu deren allgemeinen Anbau aufforderte. Hartig verweist darauf, daß die Robinie zu lichtbedürftig ist und die Stockausschläge hierzulande oft erfrieren. Sie sei daher als Brennholz-Lieferant ungeeignet. — Im zweiten Teil der Schrift stellt Hartig seinen Sparofen vor.

428 Wohlfeilheit der Anlage = günstiger Beschaffungspreis; niedrige Anschaffungskosten.

429 Akkord = Vertrag, Abkommen.

430 Bähen = feucht erwärmen.

431 Latwerge = durch Einkochen gedickter Saft; Fruchtmus.

432 1 Schuh (im vor 1815 gültigen Maßsystem) = 0,285 Meter.

433 Töpfen (das; Mehrzahl wie Einzahl) = Topf. Ehedem die übliche (und im Bibeldeutschen noch bis ins das späte 19. Jahrhundert lebendige) Bezeichnung eines tiefen Kochgefäßes.

434 Das Herzogtum Berg dehnte sich am rechten Ufer des Rheins, seiner westlichen Grenze, vom Siebengebirge bis zum Herzogtum Cleve hinab. Es wurde östlich von der Grafschaft Mark, dem Herzogtum Westfalen (als Gebietsteil des Kurfürstentums Köln) und dem Fürstentum Nassau-Siegen umschlossen. Hauptstadt war Düsseldorf. — Jung-Stilling lebte von 1762 bis 1778 im östlichen Landesteil, im Gebiet des alten Wuppertales. Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens (Anm. 2), S. 36 ff.

435 Kostbar = hier: aufwendig, teuer, hohe Kosten verursachend.

436 Feldstein = Naturgestein; aus Steinbrüchen gewonnene Felsstücke.

437 Umständlich = hier: ausführlich, unter Berücksichtigung aller Umstände.

438 Dem „Ersten Heft“ der „Staatswirthschaftlichen Ideen“ folgte kein weiteres. Die allgemeine politische Lage (Besetzung Deutschlands durch die Franzosen) und der dadurch bewirkte Niedergang des geistigen Lebens bewogen Jung-Stilling, seine Professur in Marburg 1803 aufzugeben. Er trat in die Dienste des ihm nahestehenden Karl Friedrich von Baden und zog zunächst nach Heidelberg, 1806 dann nach Karlsruhe. – Siehe Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens (Anm. 2), S. 158 ff.

439 Kot = hier: Schlamm, Schlick.

440 Quaderstein = (viereckig) zugehauener Naturstein.

441 Pflasterziegel = gebrannte Fußbodensteine; Fliesen.

442 Unter Kaiser Maximilian I. wurde das Deutsche Reich 1512 in zehn Kreise eingeteilt, darunter einen oberrheinischen und einen niederrheinischen. – Siehe Johann Hübner: Vollständige Geographie, Zweiter Theil, 7. Aufl. Franckfurt, Leipzig (ohne Verlag) 1759, S. 884 f.

 

 There is no gain so certain as that which arises from sparing what you have.

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