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Prof. Dr. Gerhard Merk, Dipl.rer.pol., Dipl.rer.oec.

Abhandlungen über Johann Heinrich Jung-Stilling

Nachtodliche Belehrungen zur Ökonomik

Nachtodliche Belehrungen zu Persönlichkeiten

Nachtodliche Belehrungen zur Philosophie

Nachtodliche Belehrungen zur Theologie

Nachtodliche Belehrungen zu verschiedenen Themen

 

Dienende Geistwesen

Eine nachtodliche Unterweisung auf dem Schlossplatz zu Braunschweig durch den hochgelehrten, lebenserfahrenen und bis anhin unvergessenen Herrn

Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817),

der Weltweisheit und Arzneikunde Doktor,

seit 1785 Kurpfälzischer, durch Rechtsübertragung ab 1803 Badischer Hofrat, durch Verleihung ab 1808 Grossherzoglich Badischer Geheimer Hofrat,

lebzeitig bis 1803 Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Marburg/Lahn, dortselbst auch Lehrbeauftragter für operative Augenheilkunde an der Medizinischen Fakultät; hiebevor bis 1787 Professor für angewandte Ökonomik – mit Einschluss der Veterinärmedizin – an der Universität zu Heidelberg und anvorderst seit 1778 in gleicher Bestellung an der Kameral Hohen Schule zu Kaiserslautern;

weiland Gründungsmitglied der Geschlossenen Lesegesellschaft in Elberfeld (heute Teil der Stadt Wuppertal), ehedem dort auch seit 1772 praktischer Arzt, Geburtshelfer, Augenarzt und ab 1775 behördlich bestellter Brunnenarzt sowie Lehrender in Physiologie; der Kurpfälzischen ökonomischen Gesellschaft in Heidelberg, der Kurfürstlichen Deutschen Gesellschaft in Mannheim der Gesellschaft des Ackerbaues und der Künste in Kassel, der Leipziger ökonomischen Sozietät sowie auch der erlauchten Loge “Karl August zu den drei flammenden Herzen” in Kaiserslautern Mitglied.

Anvorderst mit aller Genauigkeit dank englischer Beihülfe ohne Verweilung emsig beflissen niedergeschrieben, hernachmals gemeinen Nutzens zu Gut dienstfertig ergeben ins Internet gestellt, dabei alle Leser erspriesslicher Gesundheit sowie beständiger gÖttlicher Verwahrung sowie getreuen englischen Schutzes aufrichtig ergebenst empfehlend von

Mühdich Frommzusein

zu Salen, in der Grafschaft Leisenburg*

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Markus-Gilde, Siegen

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info@jung-stilling-gesellschaft.de

Ruhepause auf dem Schlossplatz zu Braunschweig

Zu Braunschweig nächst dem Waisenhaus1
Trat ich aus einer Strasse aus
Und lenkte jetzt zum Schlossplatz hin:
Nach etwas Ruhe stand mein Sinn.
Dort peilte eine Bank ich an;
Auf ihr sass nur ein einzger Mann.

Bevor ich hier mich niederliess,
Zunächst vom Sitzplatz Staub ich blies;
Probierte dann mit meiner Hand:
Noch immer reichlich Schmutz ich fand!
Drum, dass die Kleidung ich behüte,
Tat auf die Bank ich eine Tüte.
Nun endlich setzte ich mich nieder
Und streckte aus die müden Glieder.

 

Johann Heinrich Jung-Stilling ist Banknachbar

Die Umsicht, die ich walten liess,
Wohl wenig auf Verständnis stiess
Bei jenem Herrn, der sass schon da
Und den ich mir noch nicht besah.
Am Rande nur bemerkte ich,
Wie er wohl amüsierte sich
Ob meines Trachtens, Dreck zu meiden,
Gar eine Tüte auszubreiten.

Zu einem Gruss ich mich anschickte!
Genauer drum ich zu ihm blickte.
Ich schnellte hoch in einem Sprung:
Der Herr war –– Johann Heinrich Jung!2

 

Der sah mich neckisch lachend an:
“Genug des Sports, mein lieber Mann!
Erst bückt ihr euch den Rücken krumm,
Blast allen Staub um mich herum,
Jetzt treibt ihr hier auch noch Gymnastik:
Warum springt ihr denn auf so hastig?

Ich schlage vor, ihr setzt euch wieder
Auf eure Plastik-Tüte nieder.
Lasst ab von Eile, Hast und Hatz:
Verschafft der Ruhe endlich Platz!”

Ich folgte schleunig seiner Bitte,
Doch schob die Tüte mehr zur Mitte,
Damit ich näher an ihn rückte,
Was unauffällig mir auch glückte.

 

Was führt Jung-Stilling nach Braunschweig?

“Herr Hofrat3 Jung”, begann ich nun,
“Was haben sie denn hier zu tun?
In ihrem Erdenleben waren
Sie oft nach Braunschweig zwar gefahren.4
Doch was führt sie nach soviel Zeit
Zurück in diese Stadt erneut?
Ich bitte sie, zu diesen Fragen
In Kürze mir etwas zu sagen.”

 

Jung-Stilling ist in Geistgestalt noch immer hilfreich für viele unterwegs<b

“Mein Stillings-Freund5“, sprach er darauf,
“Beständig mache ich mich auf
Dass Menschen, krank an Leib und Seele,
Mag dienend stehn ich zu Befehle.

 

Als Arzt trat just ich in Aktion
Bei Grüner-Star-Operation,
Die äusserst heikel sich erwies,
Das Team drum schier verzweifeln liess.

Der Engel des Patienten trat
An mich heran und flehend bat,
Hier meinen Rat doch anzudienen6,
Um aus der Not zu helfen ihnen.
Die Schwierigkeit ist überwunden:
Der Kranke wird bestimmt gesunden.

Die Frau des Kranken und die Kinder
Verzweifelt zeigten sich nicht minder.
Der Engel hatte drum die Bitte,
Dass trete ich in ihre Mitte,
Zu spenden ihnen Zuversicht,
Die Kummer, Gram und Trübsinn bricht.

So eilte hin ich und tat kund,
Dass bald der Vater ist gesund.
Sie riefen in der Klinik an,
Wo ihnen ward bestätigt dann,
Dass alles wohl gelungen sei:
Geheilt das Auge zweifelsfrei.”

 

Wie kann Jung-Stilling denn heute, da er doch im Jenseits Weilt, auf andere einwirken?

“Herr Hofrat! Gerne wüsste ich,
Ob sie den Ärzten körperlich
Geholfen haben in Person
Bei dieser Star-Operation?
Erschienen sie – wie jetzt – im Leibe
Im Haus des Kranken, bei dem Weibe?

 

Sind viele Menschen, die einst lebten
Und längst ins Jenseits hin entschwebten,
Auch heute noch auf unsrer Erde?
Sind solche es, die man verehrte
Als Heilge früher auf Altären?
Wie lässt das alles sich erklären?”

 

Art und Weise des Tätigseins von Jung-Stilling in dieser Welt

“Um mit dem Letzten zu beginnen:
Enträtslung könnt ihr nie gewinnen,
Solang ihr noch hienieden seid.
Ob freilich in der Ewigkeit
Erkennen dürft ihr GOttes Walten:
Des Urteils muss ich mich enthalten.
Bedarf es doch besondrer Gnaden,
Um GOttes Wege zu erraten.
Wem diese werden einst geschenkt,
Von GOttes Willen wird gelenkt.
Der langen Rede kurzer Sinn:
Auch ich hier wenig kundig bin!

Doch kann ich klar euch Auskunft geben,
Auf welche Art ich half soeben.
Ich wirkte aus dem Hinterhalt,
Befand mich rein in Geist-Gestalt.
Als Geist kann leicht erkennen ich,
Was andre überlegen sich;
Vermag zu leiten meist ihr Denken;
Auch weiss das Handeln ich zu lenken.7

Vorausgesetzt bei alldem ist
Ein Auftrag unsres HErren CHrist.
Ich handle nur auf SEin Geheiss:
Bring Menschen SEiner Huld Erweis.
Für IHn ein Werkzeug bin ich dann:
Aus mir heraus ich gar nichts kann.

 

Sichtbarwerdung von Geistern auf Erden

Ganz selten nur sieht jemand mich
Im Leibe: dinghaft, körperlich.
Wie weiland ich auf Erden war,
Nehmt ihr, Herr Mühdich, mich jetzt wahr.
Es braucht sehr viel Begnadigung,
Dass bin für euch ich Hofrat Jung.

Warum euch GOtt gibt dies Gesicht
Bleibt dunkel mir: ich weiss es nicht!
Auch war zuvor mir nicht bekannt,
Dass ich mich hier im Körper fand.
Bewirkt ist dies von GOtt allein;
Der Grund ist nicht mein Tätigsein.8

Ihr fragt, ob es denn viele wären,
Die hier zur Erde wiederkehren?
Wollt hierzu eine Zahl ich nennen,
So würdet ihr sie gar nicht kennen:
Sie wäre drum euch unverständlich,
Weil diese grösser als unendlich!9

Das Heer der Seelen und der Geister,
Die dienen ihrem Himmelsmeister,
Ist unermesslich, ohne Zahl –
Und doch gering bloss, dünn und schmal
Bezogen auf den HErren GOtt:
Ich sage solches ohne Spott!
Sobald ihr aus dem Erdenlauf,
Löst dieser Widerspruch sich auf.

 

Mittlerdienste der Heiligen?

Zu eurer letzten Frage nun:
Ob Mittlerdienste könnten tun,
Die man als Heilige verehrt,
Wie dies die alte Kirche lehrt?

Herr Mühdich: lasst mich erst erklären –
Zumindest doch im Ungefähren –
Wer Heilge sind, um dann zu wägen,
Was spricht dafür und was dagegen.

Als ‘Heilge’ stuft durchweg man ein
Verklärte Menschen insgemein,
Die lebten einst in dieser Welt,
Und die sich in den Dienst gestellt
Für JEsus ganz; IHm folgten sie
Getreulich nach, drum suchten hie
In Tugend und stets hilfsbereit
Den Menschen ihrer eignen Zeit
Die Gnade GOttes, die verheissen,
Durch Lebens-Zeugnis zu beweisen.

Sie haben dafür schon empfangen
Die Krone, welche die erlangen,
Die gegen Sünd und Laster kriegten
Und tapfer kämpfend dabei siegten.
Versammelt sind sie um den Thron
Des Lammes jetzt dafür zum Lohn.

Ein Heer von Frauen, viele Männer
Bewährten so sich als Bekenner,
Indem sie JEsu sichtbar machten
Und SEin Heil zu den Menschen brachten.
Dazu auch eine grosse Schar
Gab selbst das eigne Leben dar,
So licht bezeugend, dass nur CHrist
Die Hoffnung unsres Daseins ist.

Euch, Mühdich, frage nunmehr ich:
Ist es nicht recht und förderlich,
Dass diese Heilge man verehrt?
Was ist denn daran wohl verkehrt?”

 

Ist die Heiligenverehrung sündhaft?

“Herr Hofrat Jung”, sprach darauf ich,
“Ist nicht im Grund es lästerlich,
Statt Ehre GOtt bloss zu erweisen,
Auch Engel, Heilge gar zu preisen?
Ich fühle da mich nicht im Lote,
Mit Blick aufs erste der Gebote.
Doch gebe gradheraus ich zu,
Dass kund sich in dem Zweifel tu
Belehrung, die in frühen Jahren
Ich über Heilige erfahren.”

“Mein Stillings-Freund: der Einwand sei
Entkräftet ohne Deutelei.
Ihr steckt hier tief in Vorurteilen,
Die weit verbreitet sind derweilen;
Man pflanzte ein sie damals schon
Im Umfeld meiner Konfession.10

 

Rechte Art und Weise der Verehrung

Zunächst: es schwere Sünde wäre,
Erwies wie GOtt man Heilgen Ehre.
Doch ehrt man nur als Menschen sie,
Die GOtt bezeugten nieden hie.

Man freut sich, dass durch reines Leben,
Durch starken Glauben und Bestreben
Zur Busse sie sich taten vor;
Man freut sich, dass sie jetzt im Chor
Der Geister GOtt den HErren preisen,
Dass Freunde JEsu sie nun heissen.
Man rühmt mit Beifall sie ob dessen,
Fromm bittend, uns nicht zu vergessen;
Stellt Bilder zum Gedenken auf
Als Ansporn hier im Zeitenlauf,
Dass stets wir dran erinnert werden:
Erreichbar ist das Ziel auf Erden.11

Kann GOtt es denn verdrüssig sein,
Wenn die wir nieden benedein,
Auf die ist freundlich ER gesinnt:
Die Liebling IHm im Himmel sind?

Wenn GOtt den HErrn wir wahrhaft lieben,
Dann ist es doch nicht übertrieben,
Auch die zu achten und zu ehren,
Die ER zu Freunden tat verklären.

 

In den Heiligen wird GOtt verehrt

Alsdann: wenn Heilge wir verehren,
Dann Preis und Lob auf GOtt wir mehren,
Weil ER sich ihnen zugeneigt:
Hat SEine Huld und Gunst erzeigt,
Wie klar doch die Vernunft uns lehrt
Und auch der Psalmvers es erklärt.12

Seht, Mühdich, ihr den Unterschied?
Auf GOtt allein sich nur bezieht
Gebet und Ehre als dem HErrn.
Die Heilgen ehrt man, insofern
Erwählt als Freunde GOttes sie:
Im Glück vorm Thron sind auf dem Knie.13

 

Man GOtt ehrt als des Lichtes Quelle:
Die Heilgen aber ob der Helle,
Die sie von GOtt empfangen haben
Und derer selig sie sich laben.14

Der Zweck, dass Heilge man verehrt,
Allein ist, dass der Christ begehrt,
Es ihnen nieden gleichzutun
Und darin rasten nie noch ruhn.
Die Nachahmung des Tugendlebens
Ist starker Ansporn eignen Strebens.”

 

Sind Fürbitten der Heiligen denkbar?

“Vermögen Heilge, die im Himmel,
Für uns in diesem Weltgewimmel
Durch Bitten vor des HErren Thron
Erhalten etwas, das nicht schon
Der HErr für jemand vorgesehen?
Gewährt ER etwas nur auf Flehn?,”
Frug weiter ich nun Hofrat Jung
Und bat hierzu um Äusserung.

“Herr Mühdich: dies vermochten sie,
Als lebten sie auf Erden hie.
Denn jeder Mensch für andre kann
Im Bittgebet GOtt sprechen an,
Wie klar es die Apostel lehrten,
Die für sich selbst Gebet begehrten.15

Da jetzt direkt vor GOtt sie stehen,
Sollt Bitte nunmehr nicht geschehen?
Bedenkt, dass durch den Tod verschwand
Mitnichten jenes enge Band,
Das zwischen uns und ihnen oben
Geknüpft sehr eng und fest verwoben.16
Gemeinschaft sind doch die Erlösten:
Ganz gleich, ob sie sich nieden trösten,
Ob sie bereits im Jenseits sind,
Ob nächst ihr Leben erst beginnt.

Dass GOtt uns manches nur gewährt,
Wenn Heilger es für uns begehrt,
Hat seinen Grund, dass meistens wir
Kaum würdig, ja voll Schuld sind hier;
Doch GOttes Freunde mächtig sind
Und uns beim HErrn auch wohlgesinnt.
Lest nach, um dieses zu beweisen,
Was Ijobs Freunden ward geheissen.17

 

Heiligenverehrung steht jedem völlig frei

Ich habe mehr nun schon gesagt,
Von Heilgen, als ihr mich gefragt.
Versteht, wenn fürders ungern ich
Verbreite tiefer hierzu mich
Auf dieser Bank in Braunschweig hier
Und setze eine Grenze mir.

Bedenkt: gar niemand ist verpflichtet,
Dass Lob der Heilgen er verrichtet;
Es steht dies allen Christen frei:
Ein jeder Zwang verhütet sei;
Genau, wie den man achten soll,
Der zu den Heilgen andachtsvoll
Im Bittgebet sich wendet hin
Vertrauensvoll im rechten Sinn,
Wie dies die frühe Christenheit
Tat schon zu der Apostel Zeit.

 

Heiligenbilder und ihr angeblicher Missbrauch

Wenn hängt man Bilder an die Wand
Von irgend einem Komödiant,
Von Dichtern, Malern, Geistesgrössen
(Meist nicht von Guten, oft von Bösen!),
Von Ahnen, Eltern und Geschwistern,
Das Konterfei auch von Ministern,
Von Generälen in Kasernen,
In Jungendclubs von Schlagersternen:
Ja, ist denn da nicht auch erlaubt
Ein Bild mit einem Heilgen-Haupt?

Wer mag dies Bildnis beten an?
Das wird so wenig doch getan,
Wie dass ein Bild des Freundes Goethe
Man anzubeten sich erblöde.18

Und selbst gesetzt, dass dem so wäre:
Seit wann schränkt ein das Reguläre
Der Missbrauch, der doch überall
Vermischt sich auf dem Erdenball
Mit rechtem, richtigen Gebrauch –
Gewiss in Glaubensdingen auch?

Ist Diebstahl Grund, dass man –schnippschnapp –
Das Eigentum schafft einfach ab?
Stellt man Kreditgewährung ein,
Weil ein paar Kunden legen rein
Die Bank mit falschen Unterlagen:
Betrügerisch so Geld erjagen?

Verbietet man Motor-Verkehr,
Weil er erzeugt ein Leidensmeer
Bei jenen, die ihr Leben lang
Ein Unfall in den Rollstuhl zwang?19
Wird wegen Spammern, die arg pestig –
Das heisst: viel mehr schon als bloss lästig –
Der Mailverkehr gegeben auf?
Stoppt Missbrauch hier normalen Lauf?

 

Noch mehr ich an Exempel kann
In diesem Sinne führen an,
Die zeigen, dass der Missbrauch nicht
Darf Anlass werden zum Verzicht
Der rechten Nutzung einer Sache.
Drum ist es Vorwand, Finte, Mache,
Wenn fromme Bilder sie verbannten:
Verboten sie dem Protestanten.

 

Menschen werden zu Engeln

Zur Frage fünf: dass lehrte ich,
Es könne wohl ereignen sich,
Dass jemand, der als Mensch geboren,
Von GOtt zum Engel wird erkoren.

Ich frage euch: was ist dabei?
Ist GOtt denn nicht im Handeln frei?
Wer sagt, dass dies nicht könne sein,
Schränkt GOttes Wirken dummdreist ein.
Er schaue an sich das Atom,
Am Abend dann den Sternendom,
Um zu erkennen, wer GOtt ist,
Wie ER als Schöpfer sich bemisst.

 

Freventliche Schulmeisterei

Ich sprach zu euch ja vorhin schon:
Das Schlimmste in der Religion
Ist jene dreiste, plumpe Brut,
Die stolz und frech befindet gut,
Was GOtt der HErr vollbringen darf
Von dem, was ER als Plan entwarf.

Reift SEine Absicht zum Entschluss,
Dann ER zuvor erst fragen muss,
Ob dieses passt sich ein bequem
In jenes eitle Denk-System,
Das diese Frevler sich errichtet
Und keck darauf den HErrn verpflichtet.

Um es zu wiederholen hier:
Solch’ überhebliche Manier
Erkennen lässt doch zweifelsfrei
Viel Bosheit, gar schon Teufelei.

Die selbstgefälligen Puristen
Sind schlimmer als die Atheisten:
Ihr aufgeblasnes Besserwissen
Tyrannisiert harsch die Gewissen
Der Menschen, welche auf sie hören
Und die beflissen sie betören
Mit ihrem Anspruch, hier nur wäre,
Des HErren Wort, die ‘reine Lehre’:
Die andern aber seien Schwätzer,
Voll Aberglaubens oder Ketzer.

Wer, Mühdich, ist verleumderischer,
Als Geistliche vom Schlage Vischer?20
Wie bös beschuldigte mich Faesch,21
Was ich geschrieben, sei Gewäsch!
Harsch auch Antistes Merian22
Hat mich als Ketzer abgetan,
Und man verbot darauf zu Basel
Die “Geister=Kunde” als Gefasel.23

Längst habe allen ich verziehen!24
Indem sie weiland mich bespieen,
So brachten sie in aller Munde
Die ‘Theorie der Geister=Kunde’;
Und hätte man mich nicht bespuckt,
Dann würde kaum dies Werk gedruckt
Auch jetzt noch immer wieder neu,
Gelesen auch von Christen treu.”

 

Jung-Stilling eilt einem anderen Auftrag zu

Doch nun, Herr Mühdich, muss ich gehen,
Nach einem andren Kranken sehen,
Den schon die Ärzte gaben auf:
Geschwülste plagen ihn zuhauf.

Gehabt euch wohl! Bleibt im Gebet!
Dem Trug des Erzfeinds widersteht!
Vor allem grüsst das Siegerland,25
Zu dem der HErr hat stets gesandt
Erweise SEiner grossen Gnade,
Dass bleibe es auf rechtem Pfade.26
Auf diese Heimat stolz ich bin:
Von Herzen gern geh ich dorthin,
Wenn GOtt mich ruft, dass diene ich;
Den Menschen dort geschwisterlich.”

Als ich vernahm den letzten Satz,
War leer schon auf der Bank der Platz:
Jung-Stilling einfach sich entzog.27
Sein Aufbruch mich zunächst bewog,
Zu danken GOtt, dass ich erblickt
Jung-Stilling, den ER mir geschickt
Aufgrund besondrer Gnaden-Gabe,
Die nie verdient ich jemals habe.

Danach nahm ich ein Blatt Papier.
Ich schrieb in Kurzschrift nieder mir,
Wonach ich Stilling eben fragte,
Und was er mir als Antwort sagte.
Im Zug von Braunschweig hin nach Siegen
In Vers ich wollte es dann biegen.
Doch keine Zeile mir gelang:
Vergeblich ich nach Reimen rang!

 

Siona zeigt sich im Zug und hilft bei Niederschrift

Ich legte drum die Blätter weg
Und stecke just sie ins Gepäck,
Als jemand tritt in mein Coupé.
Erstaunt ich mir den Herrn beseh:
Es war der Engel Siona;28
Er reichte mir ein Bleistift da.

“Mit diesem schreibt, was Hofrat Jung
Euch sagte zur Beherzigung,
Dass nachher auch es lesen kann
In Versen Jan und Allemann.
Stellt den Bericht dann auch komplett
Als Dokument ins Internet.
Man weiss vom Jenseits es zu lenken,
Dass viele ihm Beachtung schenken.”

Der Engel Knall auf Fall verschwand,
Als ich den Schreibstift nahm zur Hand.
In kurzer Zeit stand der Bericht
Aus Braunschweig nunmehr im Gedicht.

 

Gemecker und Krittelei sind vorhersehbar

Ich tat, was mich Siona hiess
Und gab ins World Wide Web dann dies.
Doch sehe ich voraus schon klar,
Wie Stillings-Freunde selbst sogar
Beschimpfen mich und nennen Trug,
Erdichtung, Schwindel und Humbug,
Was Stilling mich in Braunschweig lehrte:
Mir von der Geisterwelt erklärte.

Doch dies Geschrei kann mich nicht stören:
Ich will getreulich jeweils hören,
Wenn Himmelsmächte mir befehlen,
Dass freiweg ich es soll erzählen.

Und niemand wird ja auch gezwungen,
In keinen Menschen hier gedrungen,
Zu glauben, dass traf Stilling ich
Zu Braunschweig neulich körperlich.
Bleibt ihr dabei: es war bloss Traum,
Was hier gesagt: nichts mehr als Schaum.

Anmerkungen, Hinweise und Quellen

* Grafschaft Leisenburg = bei Jung-Stilling das ehemalige Fürstentum Nassau-Siegen (mit der Hauptstadt Siegen); –  durch Erbfolge ab 1743 Teil der Nassau-Oranischen Lande (mit Regierungssitz in Dillenburg, heute Stadt im Bundesland Hessen); –  im Zuge der territorialen Neuordnung Deutschlands durch den Wiener Kongress ab 1815 Bezirk in der preussischen Provinz Westfalen (mit der Provinzhauptstadt Münster); –  nach dem Zweiten Weltkrieg von 1946 an bis heute Bestandteil des Kreises Siegen-Wittgenstein des Regierungsbezirks Arnsberg im Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Bundesrepublik Deutschland (mit der Landeshauptstadt Düsseldorf).

Siehe Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen. Siegen (Vorländer) 1820, Reprint Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1981 sowie Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge, 2. Aufl. Bad Godesberg (Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) 1969 (Standardwerk mit vielen Karten, Übersichten und Rückblenden auf den Entwicklungsverlauf; leider auch in der Zweitauflage ohne Register).

Salen = bei Jung-Stilling die ehemalige fürstliche Residenzstadt Siegen, heute Universitätsstadt mit etwa 110 000 Bewohnern, am Oberlauf der Sieg (dort 240 Meter über dem Meeresspiegel) gelegen. Die Sieg ist ein 155,2 Kilometer langer, rechter Nebenfluss des Rheins. – Die nächst grösseren Städte von Siegen sind, in der Luftlinie gemessen, im Norden Hagen (83 Kilometer), im Südosten Frankfurt am Main (125 Kilometer), im Südwesten Koblenz (105 Kilometer) und im Westen Köln (93 Kilometer).

Siehe Karl Friedrich Schenck: Statistik des vormaligen Fürstenthums Siegen. Siegen (Vorländer) 1820, Reprint Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1981 sowie Theodor Kraus: Das Siegerland. Ein Industriegebiet im Rheinischen Schiefergebirge, 2. Aufl. Bad Godesberg (Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) 1969 (Standardwerk mit vielen Karten, Übersichten und Rückblenden auf den Entwicklungsverlauf; leider auch in der Zweitauflage ohne Register).

Im wirtschaftsgeschichtlich in vieler Hinsicht bemerkenswerten Siegerland ist der hochintelligente und vielseitig begabte Jung-Stilling (siehe Anmerkung 2) geboren, herangewachsen und dort hat auch seine ersten beruflichen Erfahrungen als Köhlergehilfe, Schneider, Knopfmacher, Vermessungs-Assistent, Landarbeiter, Dorfschulmeister und Privatlehrer gesammelt.

1 Das (alte) Waisenhaus befindet sich in der Altstadt von Braunschweig, knapp südwestlich vom Schloss, nahe dem Aegidienmarkt.

2 Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817), der Weltweisheit (Philosophie) und Arzneigelehrtheit (manchmal findet sich auch geschrieben: Arzneikunde = Medizin) Doktor. – Siehe über ihn ausführlich Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen, hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 3. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1992 sowie kurz zusammenfassend Gerhard Merk: Jung-Stilling. Ein Umriß seines Lebens. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988. – Mehr die innere Entwicklung von Jung-Stilling schildert Otto W. Hahn: “Selig sind, die das Heimweh haben”. Johann Heinrich Jung-Stilling: Patriarch der Erweckung. Giessen, Basel (Brunnen) 1999 (Geistliche Klassiker, Bd. 4).

Siehe zum Wiedereintritt Verstorbener in diese Welt Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister=Kunde, in einer Natur= Vernunft= und Bibelmäsigen (so) Beantwortung der Frage: Was von Ahnungen, Gesichten und Geistererscheinungen geglaubt und nicht geglaubt werden müße (so, also mit Eszett). Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1808 (Reprint Leipzig [Zentralantiquariat der DDR] 1987), S. 220 ff. – Diese Arbeit wurde seit ihrem Erstdruck in vielen Ausgaben veröffentlicht und auch ins Englische, Französische, Schwedische und Niederländische übersetzt; siehe die Zusammenstellung bei Klaus Pfeifer: Jung-Stilling-Bibliographie Siegen (J. G. Herder-Bibliothek) 1993 (Schriften der J. G. Herder-Bibliothek Siegerland, Bd. 28).

Vgl. zu diesem Themenkreis auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades. Wahre und falsche Ansichten, hrsg. und eingel. von Gerhard Merk. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1993 (Jung-Stilling-Studien, Bd. 2). sowie Martin Landmann: Ahnungen, Visionen und Geistererscheinungen nach Jung-Stilling. Eine ausdeutende Untersuchung. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1995. Diese Schrift und weitere Veröffentlichungen sind frei downloadbar unter der Adresse >http://www.uni-siegen.de/fb5/merk/stilling<

3 Jung-Stilling erhielt als Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Heidelberg durch Erlass seines Landesherrn, des Kurfürsten Karl Theodor von Pfalz-Bayern (1724/1742-1799) vom 31. März 1785 die Ernennung zum “Kurpfälzischen Hofrat”. Ihm hatte er auch seine medizinische Doktorarbeit gewidmet und diese im März 1772 persönlich bei Hofe zu Mannheim überreicht.

Das mit dem Hofrats-Titel verbundene gesellschaftliche Ansehen war zu jener Zeit beträchtlich. Es gewährte dem Träger manche Bevorzugungen, so auch (was Jung-Stilling als reisenden Augenarzt ganz besonders zum Vorteil gereichte) an den zu jener Zeit noch häufig anzutreffenden Schlagbäumen, Wegschranken, Posten, Schildwachen, Stadttoren, Überfuhren, Fähren, Brücken sowie an den zu jener Zeit auch innerlandszahlreichen Maut- und Grenzstationen.

Der Friedensvertrag von Campo Formio (7 km südwestlich von Udine in Venetien) vom 17. Oktober 1797 zwischen Napoléon und Kaiser Franz II., bestimmte in Artikel 20 den Rhein als die Staatsgrenze zwischen Frankreich und Deutschland. Dies wurde im Frieden von Lunéville (südöstlich von Nanzig [französisch: Nancy] gelegen; ehemalige Residenz der Herzöge von Lothringen) am 9. Februar 1801 bestätigt.

In Artikel 6 heisst es genauer: “S. M. l’Empereur et Roi (nämlich Franz II, der letzte Kaiser des alten Reichs; er legte nach Bildung des Rheinbundes am 6. August 1808 die deutsche Kaiserkrone nieder),), tant en Son nom qu’en celui de l’Empire Germanique, consent à ce que la République française possède désormais (= von nun an) en toute souveraineté et propriété, les pays et domaines situés à la rive gauche du Rhin, … le Thalweg (= die seinerzeitige Fahrt-Rinne für die Schiffahrt) du Rhin soit désormais la limite entre la République française et l’Empire Germanique, savoir (= und zwar) depuis l’endroit (= von der Stelle an) où le Rhin quitte le territoire helvétique, jusqu’à celui où il entre dans le territoire batave.”

Eine ausserordentliche Reichsdeputation, eingesetzt am 7. November 1801, beriet daraufhin zu Regensburg (seit 1663 der Tagungsort des Immerwährenden Reichstags) über die Entschädigung an deutsche Fürsten, die (links der neuen Staatsgrenze zu Frankreich gelegene) Gebiete an Frankreich abtreten mussten.

Durch besondere günstige Umstände (späterhin traten auch noch verwandtschaftliche Beziehungen mit Frankreich hinzu: sein Enkel und Thronfolger Karl [1786/1811–1818] heiratete zu Paris am 7./8. April 1806 Stéphanie Louise Adrienne de Beauharnais [1789–1860], die knapp 17jährige Adoptivtochter von Napoléon Bonaparte, dem Kaiser der Franzosen) vergrösserte Karl Friedrich von Baden (1728/1746–1811) bei dieser Gelegenheit sein Gebiet um mehr das Vierfache; die Bevölkerung seines Landes stieg von 175 000 auf fast 1 Million Bewohner. Die pfälzische Kurwürde ging auf ihn über; Karl Friedrich wurde damit 1803 vom Markgrafen zum Kurfürsten erhoben. – Wenig später rückte er durch den Rheinbundvertrag vom 12. Juli 1806 nach Artikel 5 gar zum Grossherzog mit dem Titel “Königliche Hoheit” auf (die 1818 zur Witwe gewordene Grossherzogin Stéphanie nahm übrigens später wieder den Titel “Kaiserliche Hoheit“ an).

Mit dem in Verfolg dessen geschehenen Übergang der rechtsrheinischen Gebiete der Kurpfalz (so auch der alten Residenz- und Universitätsstadt Heidelberg, der neuen [seit 1720] Residenzstadt Mannheim [mit dem grössten Barockschloss in Deutschland] und der Sommerresidenz Schwetzingen [mit dem kurfürstlichen Lustschloss samt 76 Hektar grossen Schlossgarten, Moschee, Badehaus und Theater]) an das Haus Baden durch den Regensburger Reichsdeputationsschluss vom 25. Februar 1803 wandelte sich gemäss § 59, Abs. 1 (“Unabgekürzter lebenslänglicher Fortgenuß des bisherigen Rangs”) der “kurpfälzische” DE JURE PUBLICO automatisch nunmehr zum “badischen” Hofrat.

Im April des Jahres 1808 wird Jung-Stilling dann als Berater des Grossherzogs Karl Friedrich in Karlsruhe (“ohne mein Suchen”, wie er selbst hervorhebt) zum “Geheimen Hofrat in Geistlichen Sachen” ernannt. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Gerhard Schwinge. Giessen, Basel (Brunnen Verlag) 2002, S. 404.

Beim Eintritt von Jung-Stilling in den Himmel kommt ihm Karl Friedrich von Baden freudig entgegen und heisst ihn in der Seligkeit als Bruder herzlich willkommen. – Siehe hierzu und überhaupt zum Übergang von Jung-Stilling in das Jenseits des näheren (unbekannte Verfasserin): Sieg des Getreuen. Eine Blüthe hingeweht auf das ferne Grab meines unvergeßlichen väterlichen Freundes Jung=Stilling. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1820, S. 27.

Jung-Stilling stand nach seinem, infolge ungünstiger Umstände aus eigener Initiative gewählten Abschied von der Universität Marburg ab 1803 im Dienste des Hauses Baden. Karl Friedrich besoldete ihn; von der Universität Marburg bzw. von der Regierung in Kassel erhielt Jung-Stilling kein Ruhegehalt. Auf Wunsch seines Gönners Karl Friedrich sollte er sich ganz der religiösen Schriftstellerei und der Bedienung der Augenkranken widmen.

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Karl Friedrich galt in Karlsruhe gleichsam als Übermensch. Als gelegentlich eines Trauer-Gottesdienstes der katholische Stadtpfarrer Dr. Thaddäus Anton Dereser (1757-1827) nicht in den übertriebenen Lobgesang für den Verstorbenen einstimmen wollte, sondern am Rande einer Predigt auch die teilweise rohe und schamlose Ausplünderung der katholischen Einrichtungen unter seiner Herrschaft ansprach, musste er Karlsruhe unverzüglich verlassen.

Siehe zu den unterdrückenden obrigkeitlichen Massnahmen gegen die katholischen Bürger unter der Regierungsgewalt der badischen Grossherzöge auch –  (Franz Joseph Mone [1796-1871]): Die katholischen Zustände in Baden, 2 Bde. Mit urkundlichen Beilagen. Regensburg (Manz) 1841/1843 sowie –  Carl Bader: Die katholische Kirche im Großherzogthum Baden. Freiburg (Herder) 1860. – Sehr einseitig und unsachlich zur Predigt von Dereser auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe. Ausgewählt und hrsg. von Gerhard Schwinge. Giessen, Basel (Brunnen) 2002, S. 485.

Als Beispiel der bei Hofe zu Karlsruhe genehmen Trauerreden katholischer Geistlicher seien erwähnt –  Bernhard Boll: Trauerrede bey der kirchlichen Todten-Feyer seiner königlichen Hoheit Karl Friedrichs, Großherzogs zu Baden, Herzogs zu Zähringen, gehalten in der Haupt- und Münsterpfarrkirche zu Freyburg den 1. July 1811. Freiburg (Wagner) 1811 (der Zisterzienser und Münsterpfarrer zu Freiburg Bernhard Boll (1756-1836) wurde 1827 erster Erzbischof von Freiburg); –  [Gerhard Anton Holdermann]: Beschreibung der am 30ten Juny und 1ten July 1811 zu Ratsatt Statt gehabten Trauer-Feyerlichkeit nach dem Hintritte unsers (so!) höchstseligen Großherzogs Carl Friedrich von Baden. Rastatt (Sprinzing) 1811. Holdermann (1772–1843) war katholischer Pfarrer zunächst in Heidelberg und bis 1829 in Rastatt.

Als elektronische Ressource im Rahmen der “Freiburger historischen Bestände–digitalisiert” ist einsehbar –  die in lateinischer Sprache vorgetragene, an Lobpreisungen überladen-theatralische Rede von Johann Kaspar Adam Ruef (1748-1825): JUSTA FUNEBRIA SERENISSIMO DUM VIVERET AC CELSISSIMO PRINCIPI DIVO CAROLO FRIDERICO MAGNO DUCI BADARUM … DIE 22 JULII 1811 IN TEMPLO ACADEMICO PIISSIMA ET GRATISSIMA MENTE PERSOLVENDA INDICIT JOANNES CASPARUS RUEF. Freiburg (Herder) 1811. – Ruef war Professor des katholischen Kirchenrechts an der Universität Freiburg, Oberbibliothekar und (wie Jung-Stilling seit 1806) Grossherzoglich Badischer Geheimer Hofrat.

Gleichsam als Heiligen sehen den Verstorbenen –  Aloys Wilhelm Schreiber: Lebensbeschreibung Karl Friedrichs Großherzog von Baden, 1728–1811. Heidelberg (Engelmann) 1811 (Schreiber [1761–1841]) war seit 1805 Professor für Ästhetik in Heidelberg und ab 1813 bis zu seiner Pensionierung Hofgeschichtsschreiber in Karlsruhe)

Vgl. auch –  Gedächtnißreden bey dem Tode Sr. K. Hoheit des Großherzogs Carl Friedrich von Baden. Gehalten von den Pfarrern der drey christlichen Confessionen zu Mannheim. Mannheim (Schwan) 1811 (Brochure), in der sich der reformierte, lutherische und katholische Geistliche an Lob auf den verstorbenen Karl Friedrich offenkundig überbieten.

Geradezu bescheiden wirken demgegenüber andere Predigten, wie etwa –  [Christian Emanuel Hauber]: Kurze Abschilderung Sr. Königlichen Hoheit Carl Friedrichs Grosherzogs (so!) von Baden. Karlsruhe (Macklot) 1811 (Brochure); –  Theodor Friedrich Volz: Gedächtnißpredigt auf den Höchstseeligen Großherzog von Baden Karl Friedrich, gehalten den 30. Junius 1811 in der Stadtkirche zu Karlsruhe. Karlsruhe (Müller) 1811 (Brochure). Volz [1759-1813]), in Jena 1778 bereits promoviert, bemüht sich erkennbar um die im Rahmen des Anlasses mögliche Sachlichkeit.

Aufgebläht, schwulstig und völlig kritiklos sind auch viele der zahlreichen Zentariums-Reden auf Karl Friedrich von Baden, wie –  Karl Joseph Beck: Rede bei der akademischen Feier des hundertsten Geburtsfestes des Hochseligen Großherzogs Karl Friedrich zu Baden … Gehalten von dem derzeitigen Prorector der Albert-Ludwigs-Hochschule. Freiburg im Breisgau (Wagner) 1828. Karl Joseph Beck (1794-1838) war Mediziner und Stifter des “Corps Rhenania” in Freiburg.

Überspannt auch –  Friedrich Junker: Lobrede auf Carl Friedrich, ersten Großherzog von Baden. Bei der Säcularfeier der Geburt des unvergleichlichen Fürsten den 22. November 1828 gesprochen in Mannheim. Mannheim (Schwan & Götz) 1829 (Brochure); Junker hatte sich als Interpret des Philosophen Epiktet sowie als Schriftausleger einen Namen gemacht.

Fast schon als Halbgott stellt den badischen Herrscher dar –  Karl Wilhelm Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn: Gemälde über Karl Friedrich den Markgrafen, Kurfürsten und Großherzog von Baden. Ein Beitrag zur Säkular-Feier der Geburt des unvergeßlichen Fürsten. Mannheim (Schwan und Götz) 1828 (Drais [1761–1851] gilt als der Erfinder des Fahrrads (Laufrads, “Draisine”); sein Vater war badischer Oberhofrichter und Karl Friedrich sein Taufpate).

Weithin unkritisch gegenüber den augenfälligen Schattenseiten der Regierung von Karl Friedrich neuerdings auch Annette Borchardt-Wenzel: Karl Friedrich von Baden. Mensch und Legende. Gernsbach (Katz) 2006. – Auch Gerald Maria Landgraf: “Moderate et prudenter”. Studien zur aufgeklärten Reformpolitik Karl Friedrichs von Baden (1728–1811) (als Online-Ressource abrufbar) übergeht diese Seite der Herrschaft des badischen Regenten.

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Bei nachtodlichen Erscheinungen von Jung-Stilling wird dieser gewöhnlich mit “Herr Hofrat” (seltener mit “Herr Geheimrat”) angesprochen, auch von seinem Engel Siona. – Der Titel “Hofrat” ist gleichsam fester Bestandteil des Namens (ADJUNCTIO NOMINIS), wie etwa “Apostel Paulus”, “Kaiser Karl” oder “Prinz Eugen” zu verstehen, und nicht als ehrenvolle Benennung (TITULUS HONORIS). – “Stilling” ist ein individueller Beiname (APPELLATIO PROPRIA) und klingt zu vertraulich. – “Professor Jung” und “Doktor Jung” greift eine Stufe niedriger als “Hofrat Jung”; das heisst: der Titel “Hofrat” steht über der Amtsbezeichnung “Professor” oder dem akademischen Grad bzw. volkstümlich der Berufsbezeichnung (= Arzt) “Doktor”.

Ein jeder Christ, der in die Seligkeit eingeht, empfängt von GOtt einen neuen Namen, siehe Offenbarung 2, 17 sowie (Johann Heinrich Jung-Stilling:) Die Siegsgeschichte der christlichen Religion in einer gemeinnüzigen (so!) Erklärung der Offenbarung Johannis. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1799, S. 89. – Der besondere Name, mit dem Jung-Stilling im Jenseits beschenkt wurde, ist Ohephiah (= der GOtt liebt). Siehe [Christian Gottlob Barth:] Stillings Siegesfeyer. Eine Scene aus der Geisterwelt. Seinen Freunden und Verehrern. Stuttgart (Steinkopf) 1817.

Siehe über die Ankunft von Jung-Stilling in der Seligkeit auch Helena Schlatter-Bernet (?): Sieg des Getreuen. Eine Blüthe hingeweht auf das ferne Grab meines unvergeßlichen väterlichen Freundes Jung=Stilling. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1820, S. 7 ff.

4 Zu den Reisen von Jung-Stilling nach Braunschweig siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte (Anm. 2), S. 768 (Register, Stichwort “Braunschweig”).

5 Stillings-Freund meint –  Gönner, Förderer, später –  Verehrer und Anhänger (“Fan”: dieses heute gebräuchliche Wort vom lateinischen FANATICUS = begeistert, entzückt) oder auch –  nur wohlwollender Leser der Schriften von Jung-Stilling. Der Ausdruck stammt von Jung-Stilling selbst. Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte (Anm. 1), S. 213, S. 441, S. 513, S. 536, S. 566. – Auf der anderen Seite gibt es aber auch  “Stillings-Feinde”, siehe ebendort, S. 316.

6 Johann Heinrich Jung-Stilling war zu Lebzeiten als Ophthalmologe weithin bekannt. Wohin er kam, da wurde er von Augenkranken umlagert. An die 3 000 Menschen operierte er und gab ihnen ihr Augenlicht wieder zurück. – Siehe Gerhard Berneaud-Kötz: Kausaltheorien zur Starentstehung vor 250 Jahren. Eine Auswertung der Krankengeschichten und Operationsprotokolle von Johann Heinrich Jung-Stilling. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1995 und die dort (S. 95 ff.) angegebene Literatur.

7 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister=Kunde (Anm. 2), S. 262, S. 371.

8 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister=Kunde (Anm. 2), S. 137.

9 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Antwort durch Wahrheit in Liebe auf die an mich gerichteten Briefe des Herrn Professor Sulzers in Konstanz über Katholicismus und Protestantismus. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1811, S. 137 f., S. 194. – Sulzer hatte ein (in vier Auflagen erschienenes) Buch mit Briefen an Jung-Stilling veröffentlicht, in dem er Stilling vorschlug, zur Katholischen Kirche (der er ja eh sehr nahe stehe) überzutreten.

10 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Antwort durch Wahrheit in Liebe auf die an mich gerichteten Briefe des Herrn Professor Sulzers in Konstanz (Anm. 9), S. 138., S. 184 f.

11 Jung-Stilling bedauert, dass Bilder “unserer vollendeten verklärten Brüder – bloss wegen des Verdachtes auf Missbrauch – “mit dem Bann belegt” wurden; siehe (Johann Heinrich Jung-Stilling): Die Siegsgeschichte der christlichen Religion in einer gemeinnüzigen Erklärung der Offenbarung Johanns. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1799, zitiert nach Gerhard Merk (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 71. – Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Chrysäon oder das goldene Zeitalter in vier Gesängen. Dritter Gesang, Versabschnitt 69 (Jung-Stilling trifft im Himmel mit Jan Hus (1370-1415) in einem mit Heiligen-Bilder geschmückten Raum zusammen).

12 Siehe Ps 67, 36, 150, 1.

13 Siehe Offb 7, 9 ff. – Vgl. auch die nachtodliche Belehrung “Vom Glück als dem Ziel eines jeden Menschen”, die Jung-Stilling gelegentlich eines Aufenthalts in Leipzig Herrn Haltaus Unverzagt gab; kostenlos downloadbar bei der Adresse <http://www.uni-siegen.de/fb5/merk/stilling>

14 Siehe 1 Kor 15, 10, Jak 1, 17.

15 Siehe Röm 15, 30, Jak 5, 16. – Als Holofernes (Feldherr des assyrischen Königs Assurbanipal; die Griechen nannten ihn Sardanapal) die Stadt Bethulia mit ihrer Bergfestung hart belagerte, kamen der Stadtvorsteher Ozias und die Ältesten der Stadt zu Judith, damit sie zu GOtt bete, siehe Jdt 8, 28 (“Bitte du für uns, die du eine heilige und gottesfürchtige Frau bist”). – Ebenso bat man Samuel um sein Gebet für die Israeliten, als die Philister sie bedrängten; siehe 1 Kön 7, 8 (“Höre nicht auf für uns zu GOtt unserem HErrn zu rufen, damit er uns aus der Hand der Philister rette”).

16 Siehe über die Darbringung der Gebete vor GOtt mehr bei Offb 5, 8; 8, 3 ff.

Indem die Heilige Schrift die Kirche als den (mystischen) Leib CHristi bezeichnet (1. Kor 12, 13; Röm 12, 5), so lehrt sie damit zugleich, dass alle Glieder derselben, wie –  mit dem Haupte CHristus, so auch –  miteinander durch das gleiche übernatürliche Gnadenleben auf das innigste verbunden sind, siehe 1. Kor 12, 27.

Diese zweifache übernatürliche Lebensverbindung wird auch durch die jenseitige Vollendung der Auserwählten nicht aufgehoben, sondern vervollkommnet und verewigt. Die übernatürliche Lebensgemeinschaft, welche hiernach die Glieder der Kirche als solche miteinander verbindet, wird in den Glaubensbekenntnissen “Gemeinschaft der Heiligen” genannt, nämlich aller in CHristo Erlösten.

Diese umfasst demnach ebensowohl –  die Glieder der streitenden Kirche hier auf Erden, –  der triumphierenden Kirche im Jenseits und –  der leidenden Kirche im Reinigungsort (Hades). – Das höchste wirkende Prinzip dieser Lebensgemeinschaft ist der HEilige GEist, die nächste Ursache derselben die heiligmachende Gnade und die Liebe GOttes.

Die “Gemeinschaft der Heiligen” ist ihrem Wesen nach vor –  allem eine Menschen verbindende Zusammengehörigkeit: eine Gemeinschaft in dem Sinne, dass alle Glieder der Kirche im gemeinsamen Besitz der übernatürlichen Gnadengüter stehen, welche der Erlöser am Kreuze für die Menschheit gesamthaft erworben und mit deren Ausbreitung nieden er seine Kirche betraut hat. Dazu kommt –  der gemeinsame Besitz der Früchte (der guten Werke und der Verdienste), welche aus diesen Gnaden des Erlösers in den einzelnen Seelen entspringen, insofern ja diese der Kirche gesamthaft zur Ehre und zum Heile gereichen.

Endlich –  besteht die Gemeinschaft der Heiligen in einem wechselseitigen Geben und Empfangen von übernatürlichen Gnadengütern, anders ausgedrückt: in einem übernatürlichen geistigen Verkehr (1 Kor 12, 26), wodurch die Glieder der Kirche ihre Nächstenliebe sowie ihre Liebe zu GOtt betätigen. Dahin gehören zunächst –  die Fürbitten, welche die Glieder der streitenden Kirche füreinander verrichten, –  die Verdienste, welche sie füreinander aufopfern (Kol 1, 24, 2 Tim 2, 10) sowie –  der heilsame Gebrauch von Gnadengaben (Charismata, Ämter), deren sie sich befleissigen; siehe 1 Kor 12, 12, Eph 2, 13–18.

Der wechselseitige Verkehr zwischen der streitenden und der triumphierenden Kirche besteht –  in der Verehrung und Anrufung der Heiligen von seiten der Gläubigen auf Erden sowie –  in der Fürsprache, welche die Heiligen im Himmel bei Gott für diese einlegen.

Diese Art der Verehrung der Heiligen ist in der christlichen Kirche, zum Teil bis über die Reformation hinaus, selbstverständlich gewesen. Ebenso findet sich schon in der Urkirche die Sitte, Heilige um ihre Fürbitte anzuflehen; und daraus erhellt sich der Glaube der ersten Christen, dass sie für bei GOtt in wirksamer Weise die auf Erden Lebenden durch ihr Gebet eintreten. Die frühen Kirchenväter heben jedoch klar genug hervor, das die Verehrung der Heiligen von der GOtt allein gebührenden Anbetung wohl zu unterschieden sei.

Siehe aus der Fülle der Literatur Max von Wulf: Über Heilige und Heiligenverehrung in den ersten christlichen Jahrhunderten. Ein religionsgeschichtlicher Versuch. Leipzig (Eckard) 1910 sowie gut belegt auch Gerhard Knodt: Leitbilder des Glaubens. Die Geschichte des Heiligengedenkens in der evangelischen Kirche. Stuttgart (Calwer Verlagsanstalt) 1998 (Calwer theologische Monographien, Reihe C: Praktische Theologie und Missionswissenschaft, Bd. 27) sowie die besondere Sichtweise bei Christine Axt-Piscalar: Gemeinschaft der Heiligen. Zum Sozialraum Kirche und seinen besonderen Individuen aus theologischer Perspektive. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2007.

17 “Gehet zu meinem Diener Ijob. Ijob aber mein Diener wird für euch beten”; siehe Ijob 42, 8 ff.

18 Johann Heinrich Jung-Stilling war mit Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) in jüngeren Jahren eng befreundet. – Siehe hierzu Gustav Adolf Benrath: Jung-Stilling, Goethes Freund, in: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins, Bd. 76 (1999), S. 135 ff. sowie Achtnicht Ihrenhohn: J. H. Jung-Stilling und J. W. Goethe. Bericht über eine nachtodliche Vernehmlassung. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 2002 (Privatdruck; nicht im Buchhandel), jetzt unter dem Titel “Achje Goethe” bei der in Anmerkung 13 genannten Adresse für den nicht-kommerziellen Gebrauch kostenlos downloadbar.

19 Siehe gerade zu diesen Fragen Freimund Biederwacker: Vom folgeschweren Auto-Wahn. Protokoll einer nachtodlichen Belehrung durch Johann Heinrich Jung-Stilling. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1996; für private Zwecke gratis downloadbar bei der Adresse <http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads/auto_wahn.pdf>

20 Der schwäbische Theologe Magister Christian Friedrich Benjamin Vischer (1768–1814) veröffentlichte 1809 im Verlag Steinkopf zu Stuttgart “Bemerkungen über Herrn Hofrath Jungs Theorie der Geisterkunde und einige damit verwandte Gegenstände zur Belehrung und Warnung des Volks”. Er zeiht darin Jung-Stilling der Selbsttäuschung, des Aberglaubens und (zwischen den Zeilen) des Betrugs. – Siehe die Titelblattkopie bei Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades. Wahre und falsche Ansichten, hrsg. von Gerhard Merk. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1993, S. 59 (Jung-Stilling-Studien, Bd. 1).

21 Der Basler Prädikant Johann Jakob Faesch (1759–1835) brachte – angeblich “auf hohes Begehren mehrerer ansehnlichen Zuhörer” – eine gehässige Rede gegen Jung-Stilling als Broschüre in Umlauf; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades (Anm. 19), S. 54 ff.

22 Der Basler Antistes (= Landessuperintendent) Emanuel Merian (1732–1818) verfasste ein Gutachten gegen die “Theorie der Geister=Kunde” von Jung-Stilling. Die “Theorie der Geister=Kunde” blieb aufgrund des Gutachtens im Kanton Basel verboten. – Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades (Anm. 19), S. 39, S. 119 (je ein Portrait von Antistes Merian) und S. 101 ff. (Widerlegung der Argumente von Merian durch Jung-Stilling).

Antistes Merian nahm als Person wohl eine Zwitterstellung zwischen Mensch und Engel ein. Zumindest ergibt sich dieser Eindruck bei Lektüre von Hieronimus (so auf dem Titelblatt!) Falkeisen: Leichenrede über Psalm 68, 20.21 bey der Beerdigung des Hochwürdigen und Hochgelehrten Herrn M. Emanuel Merian treueifrigen Pfarrers im Münster. Gehalten im Münster den 17. May 1818. Basel (ohne Verlag) 1818. – Falkeisen war der Nachfolger von Emanuel Merian als Münsterpfarrer in Basel und machte sich auch als Förderer der Künste einen Namen; siehe Alfred R. Weber-Oeri: Hieronymus Falkeisen (1758–1838) und die Falkeisen-Sammlung, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 56 (1957), S. 119 ff.

Vgl. auch Jakob Arnold von Salis: Jung Stilling (so!) in Basel verboten. Kirchengeschichtliche Mitteilung, in: Basler Jahrbuch, Bd. 15 (1894), S. 79 ff.

23 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades (Anm. 19), S. 92 f. – “Meine Theorie der Geisterkunde muß wohl dem Satan ein Dorn im Auge seyn, daß er sich immer dagegen regt”, schreibt Jung-Stilling wohl zurecht; siehe: Der Graue Mann eine Volksschrift. Sieben und zwanzigstes Stück. Nürnberg (Raw’sche Buchhandlung) 1813, S. 300. – Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Gerhard Schwinge. Giessen, Basel (Brunnen Verlag) 2002, S. 635 (Register, Stichwort “Theorie der Geisterkunde, Auseinandersetzung).

24 Siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Geister, Gespenster und Hades (Anm. 19), S. 171.

25 Jung-Stilling entstammt dem Dorfe Grund im ehemaligen Fürstentum Nassau-Siegen. Der Ort ist heute Teil der Stadt Hilchenbach im Kreis Siegen-Wittgenstein des Regierungsbezirks Arnsberg im Bundesland Nordrhein Westfalen in Deutschland; siehe die einleitende Anmerkung.

26 Siehe hierzu mehr bei Jakob Schmitt: Die Gnade bricht durch. Aus der Geschichte der Erweckungsbewegung im Siegerland, in Wittgenstein und den angrenzenden Gebieten, 3. Aufl. Giessen (Brunnen Verlag) 1984, insbes. S. 139 ff.

27 Siehe Apg 1, 6.

28 Siona = Schutzengel von Johann Heinrich Jung-Stilling. Er zeigte sich diesem zu dessen irdischer Zeit, nahm ihn von dort ins Jenseits mit und schrieb auch für ihn. – Siehe Heinrich Jung-Stilling: Szenen aus dem Geisterreich, 7. Aufl. Bietigheim (Rohm) 1999, S. 220 ff. (S. 279: “Siona hatte mir Lavaters Verklärung in die Feder diktiert”).

Sion (hebräisch = der von der Sonne bestrahlte Berg; die Hochwarte) war ursprünglich die Bezeichnung für –  den Hügel, auf welchem die Burg und Stadt Davids (die königliche Residenz) und –  dann später der Tempel mit der Bundeslade stand. –  Im weiteren Sinne bedeutet Sion, namentlich bei den Propheten, das ganze Jerusalem als heilige Stätte, von welcher die Kirche und mit ihr das Heil über alle Völker ausgehen sollte. Sion ist darum oftmals Urbild, Symbol, Repräsentant des Thrones Gottes im Himmel (Ps 75,3: HABITATIO EJUS (DEI) IN SION; (Ps 147, 1: LAUDA JERUSALEM DOMINUM: LAUDA DEUM TUUM IN SION); Is 62,11: ECCE VENIT AD TEMPLUM SANCTUM SUUM DOMINATOR DOMINUS: GAUDE ET LAETARE, SION, OCCURENS DEO TUO).

Siehe auch die genauere, weitläufige Erklärung dieses Namens bei Philipp Paul Merz: ONOMASTICON BIBLICUM SEU INDEX AC DICTIONARIUM HISTORICO–ETYMOLOCIUM, Bd. 2. Augsburg (Veith) 1738, S. 1161 ff. sowie bei Petrus Ravanellus: BIBLIOTHECA SACRA SEU THESAURUS SCRIPTURAE CANONICAE AMPLISSIMUS, Bd. 2. Genf (Chouët) 1650, S. 627 (hier auch einige seltenere übertragene Bedeutungen wie etwa “ORNAMENTUM TRACTUS” oder “GAUDIUM TOTIUS TERRAE” und “LOCUS PERFECTISSIMAE PULCHRITUDINIS”). Beide bis heute kaum übertroffene Werke erfuhren viele Nachdrucke und Übersetzungen in viele Sprachen.

Jung-Stilling fasst den Engel weiblich auf. Er spricht Siona an als –  “unaussprechlich erhabene Tochter der Ewigkeit” (Szenen aus dem Geisterreich, S. 219), die ihn “immer ungesehen umschwebt” (ebenda, S. 271) –  “göttliche Freundin” (ebenda, S. 223) bzw. “göttliche Lehrerin” (ebenda, S. 228), dankt der –  “erhabenen Dolmetscherin” (ebenda, S. 241), die ihm –  als Engel – oft ungesehen – “immer liebvoll zur Seite ist” (Johann Heinrich Jung-Stilling: Chrysäon oder das goldene Zeitalter in vier Gesängen. Nürnberg [Raw’sche Buchhandlung] 1818, 1. Gesang, Versabschnitt 3), –  den Gedankengang leitet (Szenen aus dem Geisterreich, S. 282), aber –  auch vom Jenseits berichtet (Szenen aus dem Geisterreich, S. 308) und –  Jung-Stilling (der im Chrysäon Selmar heisst) auf einer “Himmels-Leiter” zum Sehen führt (Chrysäon, Prolog, Versabschnitt 2; siehe auch Versabschnitt 8) sowie –  zu seiner verstorbenen Tochter Elisabeth (Lisette, 1786–1802) und zu deren Mutter (Jung-Stillings zweiter Ehefrau Selma von St. George, 1760–1790) geleitet (Chrysäon, 4. Gesang, Versabschnitt 2 ff.), –  ihn aber auch von himmlischen Höhen “in müdes Weltgewühle” zurückbringt (Chrysäon, 3. Gesang, Versabschnitt 87).

Siehe zum Verständnis der Engel im religiösen Denken von Jung-Stilling auch Gerhard Merk (Hrsg.): Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. XX f., S. 30 ff. sowie Gotthold Untermschloß: Vom Handeln im Diesseits und von Wesen im Jenseits. Johann Heinrich Jung-Stilling gibt Antwort. Siegen (Jung-Stilling-Gesellschaft) 1995, S. 16 ff.

Vgl. zum Grundsätzlichen auch Paola Giovetti: Engel, die unsichtbaren Helfer der Menschen, 8. Aufl. Kreuzlingen, München (Hugendubel) 2003, Siegfried Meier: Weiße Kleider, goldene Flügel? Die Engel – Gottes Boten. Wuppertal (Brockhaus) 2007 (RBtaschenbuch, Bd. 688) sowie im Internet die Adresse <http://www.himmelsboten.de>

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